Im Rahmen der «Vierten Industriellen Revolution», die unter anderem vom Gründer und ehemaligen Vorsitzenden des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, propagiert wird, soll unser Alltagsleben bis in den letzten Winkel digitalisiert werden. Während Befürworter diese Entwicklung als Fortschritt und Erhöhung der Bequemlichkeit preisen, warnen Kritiker vor der zunehmenden Gefahr totalitärer Kontrolle.
In den USA sorgt derzeit ein solcher Fall für Schlagzeilen. Wie Reclaim The Net berichtet, hat der Stromversorger von Sacramento (Kalifornien) die Energiedaten der Bürger als Mittel zur unkontrollierten Überwachung von Privathaushalten genutzt. Das Portal schreibt:
«Kaliforniens strenge Datenschutzbestimmungen stehen vor einer entscheidenden Bewährungsprobe, da die Electronic Frontier Foundation (EFF) und Bürgerrechtler eine Klage vorantreiben, um eine ihrer Meinung nach illegale und voreingenommene Überwachungsmaßnahme des öffentlichen Stromversorgers von Sacramento zu beenden.»
In einer letzte Woche eingereichten Klage habe die EFF Beweise dafür vorgelegt, dass der Sacramento Municipal Utility District (SMUD), der mehr als 650.000 Kunden versorgt, seit über einem Jahrzehnt sensible und vertrauliche Stromverbraucherdaten von Haushalten überwacht und diese ohne richterliche Anordnung an die Polizei weiterleitet habe. Die Organisation habe dies als verfassungswidriges «Rasterfahndungsprogramm» bezeichnet, «das in großem Umfang unrechtmäßig in die Privatsphäre von Haushalten eingreift».
Möglich war diese Überwachung durch die sogenannten «Smart Meter» von SMUD, die in fast jedem Haushalt installiert sind, den das Unternehmen versorgt. Diese übermitteln mehrmals täglich in 15-Minuten-Intervallen den Stromverbrauch an den Energieversorger. Diese Daten, so argumentiert die Klage, liefern «ein detailliertes Bild des Privatlebens, einschließlich Schlafgewohnheiten, Belegung und sogar persönlicher Routinen».
«SMUD-Analysten können die Daten praktisch dazu nutzen, um digital in die Wohnungen von Personen hineinzuschauen», heißt es in der Klage.
Die EFF wirft der SMUD zudem vor, regelmäßig Kundendaten an lokale Polizeibehörden weitergegeben zu haben, darunter Namen, Adressen und Verbrauchsdaten, ohne dass ein individueller Verdacht vorgelegen oder eine gerichtliche Kontrolle stattgefunden habe. In vielen Fällen hätten diese Offenlegungen ausschließlich auf willkürlichen Verbrauchsgrenzen basiert.
Anstatt auf konkrete strafrechtliche Ermittlungen zu reagieren, hätten SMUD-Analysten sogar proaktiv «Listen, Stellungnahmen und Hinweise» für die Strafverfolgungsbehörden erstellt und diese weitergeleitet. Diese Listen hätten manchmal auf ganzen Postleitzahlen basiert, was dazu geführt habe, dass Tausende von Haushalten markiert worden seien. Mehr als 33.000 Kunden seien betroffen gewesen.
Allein im Juli 2023 habe SMUD Daten zu über 10.000 Kunden übermittelt. Nachdem die Polizei die Liste eingegrenzt hätte, habe ein SMUD-Analyst laut internen Aufzeichnungen immer noch «4800 Standorte übrig gehabt, um Muster zu überprüfen». Von dieser Liste seien schließlich nur vier Haushalte als mögliche Fälle mit auffälligem Nutzungsmuster gekennzeichnet worden, was ernsthafte Bedenken hinsichtlich des wahllosen Umfangs der Überwachung aufkommen lasse, kritisiert die EFF.
Der Bericht der EFF mache deutlich, dass sogar SMUD-Mitarbeiter Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Programms geäußert hätten, teilt Reclaim The Net mit. So habe ein Analyst zugegeben, dass er selbst «im letzten Monat 3500 [kWh] verbraucht» habe, was deutlich über dem aktuellen Schwellenwert von 2800 kWh für Verdachtsfälle liege. Ein anderer habe in einer internen E-Mail geschrieben, dass der verwendete Schwellenwert «den Boden des Fasses kratzt».
Die rassistischen Implikationen seien ebenso beunruhigend, informiert Reclaim The Net. In der Klage zitierte interne Nachrichten würden zeigen, dass SMUD-Analysten die Aufmerksamkeit der Strafverfolgungsbehörden nicht nur aufgrund des Stromverbrauchs, sondern auch aufgrund rassistischer Hinweise auf bestimmte Haushalte gelenkt hätten. In der Klage wurden entsprechende Beispiele für ein solches Vorgehen aufgeführt:
«Schicken Sie mir eine Anfrage [für zwei bestimmte Adressen]. Eine liegt bei über 10.000, die andere bei 4000, asiatisch», lautete die Nachricht eines SMUD-Analysten an die Polizei. Ein anderer erklärte: «Das Interessante [an der Adresse] ist, dass dort 2017 mehrere Asiaten über [den Bonitätsdienstleister] Experian gemeldet wurden.»
Die EFF und ihre Mitanwälte vertreten laut Reclaim The Net das Asian American Liberation Network und einzelne Kläger wie Alfonso Nguyen, einen vietnamesischen Einwanderer, der aufgrund seines Stromverbrauchs zu Unrecht ins Visier der Strafverfolgungsbehörden geraten war.
Nguyen, der aufgrund einer Wirbelsäulenverletzung elektrische medizinische Geräte benutzen musste, hatte laut Reclaim The Net Besuch von Beamten des Sheriffs erhalten, die ihn wegen seines hohen Stromverbrauchs des illegalen Anbaus von Cannabis beschuldigten. Als er dies bestritten und eine Durchsuchung verweigert habe, sei er als Lügner bezeichnet worden.
«Infolge dieser Begegnung fürchtete Nguyen um seine körperliche Unversehrtheit und fühlte sich in seiner Privatsphäre verletzt», heißt es in der Zusammenfassung der Klage.
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