Noch wird öffentlich nicht die alles entscheidende Frage gestellt, wie hoch die Rate derjenigen Infizierten ist, die ernsthafte ärztliche Hilfe benötigen.
Die Gefährlichkeit eines neuen Virus könnte verlässlich abgeschätzt werden, indem man eine repräsentative Stichprobe der Bevölkerung testet und dann den Krankheitsverlauf der dabei positiv Getesteten verfolgt.
Es gibt auf keinem wissenschaftlichen Gebiet einen Konsens der Fachleute - außer wenn Gremien einseitig besetzt wurden.
Politik ist insbesondere in Krisenzeiten die Kunst, trotz unvollständiger Informationslage Entscheidungen zu treffen. Sie ist aber eben auch die Kunst, Entscheidungen wieder rückgängig zu machen. Mathematisch gebildet zu sein heißt auch zu wissen: Wenn Entscheidungen mit Zahlen begründet wurden, dann können sie mit Zahlen zurückgenommen werden.
Es ist unklar ist, bei welchen Datenlagen welche Restriktionen wieder gelockert werden. Bei welcher Infektionsrate darf man bis 19 Uhr statt bis 18 Uhr ins Restaurant?
Nach Corona wird darüber zu sprechen sein, ob es langfristig nicht billiger ist, ein paar mehr Intensivbetten vorzuhalten als das Land lahmzulegen aus Angst vor kollabierenden Krankenhäusern, und ob es langfristig nicht doch preiswerter ist, Krankenhäuser staatlich zu betreiben.
Wolfram Meyerhöfer ist Professor für Mathematikdidaktik an der Universität Paderborn