Am 12. September hat das Europäische Parlament sich in erster Lesung für neue Massnahmen ausgesprochen, mit denen es Bürger besser schützen will, die Blut, Gewebe oder Zellen spenden oder sich mit diesen menschlichen Substanzen behandeln lassen. Der von einer grossen Mehrheit aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen angenommene Verordnungsentwurf (SoHO-Verordnung) schafft jedoch in Tat und Wahrheit einen freien Markt für Embryonen.
Der Vorschlag zielt darauf ab, menschliche Zellen, Blut und Gewebe innerhalb der Mitgliedstaaten auf standardisierte Weise weiterzugeben. Viele Abgeordnete betonten, dass eine solche Spende immer freiwillig und unentgeltlich sein muss und dass die Spender nur eine Entschädigung oder eine Rückerstattung für entstandene Verluste oder Ausgaben erhalten dürfen.
Zweifel sind angebracht. Denn die Grenze zwischen «mit Entschädigung gespendet» und «an den Meistbietenden verkauft» sind fliessend.
Um sicherzustellen, dass die EU über eine eigene, unabhängige Versorgung mit diesen Stoffen verfügt, wie es auch im angenommenen Massnahmenblatt heisst, «fordern die Abgeordneten eine von der Kommission koordinierte EU-Strategie zur Sicherstellung der Verfügbarkeit dieser Stoffe (…)».
Man kann sich nur schwer vorstellen, wie das ohne Bezahlung der Spender geschehen soll.
Die Massnahmen gelten für Substanzen – wie Blut und seine Bestandteile, Gewebe und Zellen –, die für Transfusionen, Therapien, Transplantationen oder die medizinisch unterstützte Fortpflanzung, also für die künstliche Befruchtung, verwendet werden.
Dieser Vorschlag ist ein Schritt in Richtung eines Marktes nicht nur für menschliche Zellen und Gewebe, sondern auch für Embryonen, und öffnet Tür und Tor für ihre Verwendung für eugenische Forschung oder industrielle Zwecke. Aber wenn zum Beispiel die künstliche Befruchtung industrialisiert wird, dann verstösst das gegen das Prinzip der Achtung für das Leben.
Zwar bleiben die Mitgliedstaaten für Entscheidungen über ethische Fragen wie die In-vitro-Fertilisation verantwortlich, doch gleichzeitig besteht dadurch, dass die Verantwortung für die Umsetzung der Verordnung auf die Kommission übertragen ist, die reale Gefahr, dass Brüssel die Verbote in einzelnen Ländern aushebelt.
Der endgültige Text dieses Entwurfs muss noch festgelegt werden. Das geschieht wahrscheinlich nach den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament. Da könnte es passieren, dass die Änderungen von mehreren Ländern abgelehnt werden. Dazu zählen Italien sowie Ungarn und Polen, die in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 beziehungsweise in der ersten Hälfte des Jahres 2025 den Ratsvorsitz innehaben werden und mit dem vorliegenden Entwurf wohl nicht glücklich sind.
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