In einem Elternbrief eines Leipziger Gymnasiums wurde die Teilnahme der Schüler an einer Klimademo von Fridays For Future scheinbar für obligatorisch erklärt, was online bereits für Aufregung gesorgt hat. Unter anderem berichtete der Blick.
Der Brief richtete sich jedoch nur an die Eltern einer bestimmten Klasse und es hatte im Vorfeld eine Abstimmung in der Klasse gegeben, bei der sich eine Mehrheit für die Teilnahme am Klimastreik entschieden hatte.
Die Schüler wurden vor der Demonstration über Verhaltensregeln informiert und darauf hingewiesen, dass sie nicht zu Sprechchören verpflichtet seien. Nach der Veranstaltung war eine kritische Reflexion vorgesehen.
Es mag übertrieben erscheinen, wenn man, wie das in den sozialen Medien zum Teil geschehen ist, dieses Handeln einer Schule mit der Praxis in der DDR vergleicht, wo Schüler gleich mit Bussen an Demonstrationen gekarrt wurden. Und doch ist der Eindruck nicht abwegig, dass Schüler hier politisch beeinflusst werden sollen.
Bereits 2019 hatte sich in der Schweiz ein SVP-Grossrat (also ein Berner Kantonsparlamentarier der Schweizerischen Volkspartei, SVP) über einen ähnlichen Vorfall an einer Berner Oberländer Schule geärgert, wo die Teilnahme am Klimastreik als obligatorisch erklärt worden ist.
Er hatte argumentiert, dass dies gegen die politische Neutralität der Schule verstosse. Eine Grossrätin der Grünen hingegen hatte betont, dass es wichtig sei, gesellschaftspolitische Themen im Unterricht aufzugreifen, aber dies müsse an den Unterricht angebunden sein. Ähnliche Aktionen wurden dann von der lokalen Schulkommission unterbunden.
In einem Telegram-Kanal konnte man jüngst den Bericht einer Wiener Schülerin lesen. Sie teilte mit, dass sie und ihre Mitschüler zur Teilnahme an einer Klimademo gedrängt worden seien, und dass Schüler, die nicht daran teilnahmen, schulische Konsequenzen wie Suspendierungen und Klassenbucheinträge erhalten hätten. Dies führte gemäss ihrem Bericht bei ihr zu Frustration und dem Gefühl, keine Wahl zu haben.
Vor einigen Jahren war es zumindest in der Schweiz noch üblich, dass das unentschuldigte Fehlen im Unterricht wegen der Teilnahme an Freitagsdemonstrationen nicht toleriert wurde. Heute häufen sich Berichte, wonach Schüler geradezu gedrängt werden, an solchen Anlässen teilzunehmen.
Dies könnte Anlass für eine Diskussion über die politische Neutralität der Schulen und die individuelle Entscheidungsfreiheit der Schüler sein.
Bei Schulen handelt es sich um Institutionen mit einem starken Machtgefälle zwischen Lehrern und Schülern sowie den Eltern. Ein herrschaftsfreier Diskus, also eine Diskussion, bei der nicht der eine Teil Kraft des Amtes der Stärkere ist, ist schwierig herzustellen und bedarf eines grossen Einfühlungsvermögens. Die Lehrerschaft scheint sich dessen nicht immer bewusst zu sein, wie auch ein aktuelles Beispiel aus dem Schweizer Kanton Waadt zeigt.