In den USA besteht eine traditionelle Friedensbewegung, insbesondere im linken politischen Spektrum. Von Vietnam über den Irak bis hin zu Afghanistan wendete sie sich gegen militärische Interventionen der USA. Für die Selbstverteidigung der Ukraine gegen Russland machen einige Kriegsgegner nun allerdings eine Ausnahme. Die New York Times untersuchte die Gründe dafür.
Diese Haltung mancher Friedensaktivisten führt die Zeitung unter anderem darauf zurück, dass keine US-amerikanischen Truppen in den Konflikt entsandt wurden. Ein weiterer Faktor sei die Ausrichtung der Unterstützung der Ukraine auf progressive Ideale, auf die Wahrung des Völkerrechts und auf die Ablehnung von Aggressionen.
Der progressive Theoretiker Michael Walzer und namhafte Persönlichkeiten wie der unabhängige Senator Bernie Sanders haben der NYT zufolge die Verteidigungsanstrengungen der Ukraine unterstützt. Ihre Einstellung reflektiere Präsident Joe Bidens Begründung, die Unterstützung der Ukraine stehe im Einklang mit progressiven Idealen.
So erklärte Matthew Duss, ein ehemaliger aussenpolitischer Berater von Sanders:
«Dies ist kein Krieg, den Amerika begonnen hat. Dies ist ein Krieg, den Russland gegen seinen Nachbarn begonnen hat, und die Linke unterstützt im Allgemeinen ein Regelsystem für die Welt, in dem Macht nicht Recht schafft. Der Ukraine zu helfen, sich gegen diese Invasion zu verteidigen, ist etwas, das dieses Prinzip aufrechterhält.»
Die Biden-Administration hat Forderungen nach Verhandlungen abgelehnt. Sie argumentiert, dass Putin kein ernsthafter Partner für den Frieden sei. Sollte Russland nicht vollständig aus den besetzten Gebieten vertrieben werden, würde das die Aggression belohnen und zu weiteren Konflikten in Europa und darüber hinaus führen.
Die NYT stellt zudem fest, dass Kritiker den US-amerikanischen Kriegsgegnern vorwerfen, im besten Fall unbeabsichtigt die Propaganda des Kremls aufzugreifen.
Die Zeitung bemerkt allerdings, dass einige US-Amerikaner dennoch auf Andersdenkende hören. In der Tat wurde ein Twitter-Videoclip von Robert F. Kennedy Jr. fast sechs Millionen Mal aufgerufen. Darin erklärte der Präsidentschaftskandidat dem Moderator Sean Hannity, dass die USA die Friedensbemühungen in der Ukraine unterdrückt haben und einen «Krieg mit Russland» begrüssen.
Und ein Vortrag des Professors John Mearsheimer von der University of Chicago aus dem Jahr 2015 mit dem Titel «Why Ukraine is the West’s fault» (Warum der Westen an der Ukraine schuld ist) wurde auf YouTube 29 Millionen Mal aufgerufen. Mearsheimer argumentierte darin, dass die US-amerikanische Politik gegenüber der Ukraine Russland unnötigerweise provoziert hat. Er erklärte laut der NYT, dass die meisten dieser Aufrufe seit der russischen Invasion erfolgten.
Robert Borosage, ein liberaler Aktivist, schrieb im April in The Nation, einer linken Zeitschrift mit einer langen Antikriegstradition:
«Nie war die Notwendigkeit einer globalen Friedensbewegung – und internationaler Friedensinitiativen – offensichtlicher. Doch in der Linken sind die sichtbarsten Stimmen diejenigen, die jede Abweichung von der totalen Unterstützung des Krieges verurteilen.»
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