Von der vermeintlichen Querfront auf dem Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin, über die Fahnen in Schwarz-Weiß-Rot, bis zum inszenierten «Sturm auf den Reichstag»: Das rechte Narrativ wurde von Beginn an aufgebläht und bis zum Compact-Verbot hochstilisiert – mit Jürgen Elsässers Bademantel als Draufgabe – unsere Leser erinnern sich bestimmt. «Die Rechten unterwandern die Bewegung», warnt seit Jahren ein Kollege, und auch Susan Bonath bläst in diesem Beitrag auf Manova ins selbe Horn.
Doch wird dabei nicht das Wichtigste übersehen? Nämlich die zig Millionen Menschen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und vielen weiteren Ländern, die seit dem Frühjahr 2020 unter widrigsten Umständen für ihre Grund- und Menschenrechte auf die Straße gingen – es teilweise noch immer tun – und oft alles riskierten.
Dabei wurden und werden sie von Politikern, Kollegen, Familie und Freunden im Stich gelassen und diffamiert. Sie gingen neue Beziehungen ein. Und dann erwies sich auch noch der eine oder andere frische Freund als falsch. Manchmal scheint es, als wollten wirklich alle das Mainstream-Narrativ beweisen, nach dem Motto: «Wir haben es euch doch schon immer gesagt.»
Ein kleiner Ausschnitt
Aber wenn über Unredlichkeiten und politische Einseitigkeiten bekannter Protagonisten der außerparlamentarischen Opposition berichtet wird und dabei fragwürdige Machenschaften beleuchtet werden, dann ist dabei eines klar: Das stellt nur einen kleinen Ausschnitt dar. Denn den meisten Menschen geht es nach wie vor um ihre Grundrechte und ein faires Miteinander. Und sie wissen, dass ohne Frieden alles sowieso nichts mehr zählt.
Der 1. August 2020 endete zwar damit, dass das Programm auf der Querdenken-Bühne abgebrochen wurde. Doch das war bei weitem nicht die wichtigste Begebenheit an diesem Tag. Der Demonstrationszug durch Berlin mit mehreren Hunderttausend Teilnehmern war an jenem Samstag im August das Ereignis schlechthin. Diese große Menge an Demonstranten aus wirklich allen Bereichen der Gesellschaft und allen politischen Lagern, die vereint durch die deutsche Hauptstadt zogen, war beeindruckend.
Auch wenn sich nun nach und nach herausstellen mag, dass ihr Protest sowie ihre Verzweiflung schon früh und von verschiedensten Seiten gekapert wurden – dazu gehören auch Figuren, die aus dem Nichts auftauchten, das große Geschäft rochen und wieder verschwanden –, so haben sich abseits des verhinderten Bühnenspektakels viele kritische Geister verbunden. Ende August desselben Jahres folgte eine weitere Großdemo, deren Marsch die Polizei Berlin aber verhinderte. Menschen auf den Stufen des Reichstags, eine Kundgebung mit Prominenz und massive Polizeigewalt lenkten außerdem die Aufmerksamkeit um.
Unmenschlich und brutal ging es auch innerhalb kürzester Zeit in vielen der neu gegründeten Initiativen, Vereine und Parteien zu. Mitstreiter wurden vergrault oder rausgedrängt. Im Nachhinein fragen sich viele, um wessen Interessen es dabei ging. Schaut man sich das Ergebnis an, lassen sich Sinn und Zweck erahnen: Viele Menschen, denen es um die Sache ging, zogen sich zurück.
Und gute Initiativen werden nach wie vor massiv geschwächt: Interne Störer säen Unmut und Zwist, treten beispielsweise empört aus und sorgen dafür, dass sich weitere Mitglieder ebenfalls rausziehen. Manche seit längerem bestehende Gruppe scheint infiltriert und übernommen. Nicht wenige der einst engagierten Bürger wandten sich angewidert und enttäuscht ab oder im besten Fall kleineren Initiativen zu.
Bewährte Mittel
Aber zu viele haben resigniert und entschwanden wieder in die Ohnmacht, die Vereinzelung und die Anonymität des Privatlebens. Sie fühlen sich in die Irre geführt – durch einzelne Akteure, Institutionen und letzten Endes durch den Staat, der gemeinsam mit regierungstreuen Medien seine Kritiker an den äußersten Rand drängt, kriminalisiert und diskriminiert – siehe die jüngsten Beispiele von Alina Lipp und Thomas Röper oder Hüseyin Doğru.
Offensichtliches Ziel: die Stimmung im Land immer weiter anheizen und Gruppen gegeneinander aufhetzen – ein altbewährtes Mittel. Und viele machen mit. Das Gegenmittel: sich einfach nicht aufhetzen lassen und miteinander reden.
Und es hilft, anstatt den Staat und seine Einrichtungen aufzugeben und einigen wenigen zu überlassen, darauf zu bestehen, dass sich die staatlichen Institutionen wieder darauf besinnen, wessen Wohl sie eigentlich zu dienen haben. Denn dieser Staat kann sich nicht mehr auf die unzähligen zivilgesellschaftlichen Organisation berufen, da an diesen kaum etwas «zivil» ist.
Die sogenannte «Zivilgesellschaft», die den Raum zwischen Staat und Wirtschaft irgendwie füllen soll, verdient ihren Namen schon deswegen nicht, weil sie unter dem Einfluss von Organisationen steht, die vom Staat und großen Konzernen finanziert werden und eben deren Interessen mehr oder weniger subtil vertreten.
Verständlich, dass die Rufe nach direkter Demokratie auch in Deutschland lauter werden. Die Menschen wollen mitgestalten und sich diesen Anspruch von Medien, Märkten, staatlichen Stellen oder «der Wissenschaft» nicht mehr nehmen lassen. Und wenn diese Kräfte ihre Manipulationen endlich beenden, können die Bürger gut informiert ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen.
Bewegungen werden schon seit ewigen Zeiten infiltriert und missbraucht. Das führt bei den Getroffenen zu Enttäuschung und Resignation. Im Fall der Grundrechte-Bewegung wird dies durch den Umstand verstärkt, dass alteingesessene Strukturen, die das nötige Know-how und die finanziellen Mittel besitzen, um effektive Organisationen für Unterdrückte und Underdogs aufzubauen, die außerparlamentarische Opposition im Stich lassen, als wollten sie diese Verzweifelten jenen zum Fraß vorwerfen, die am lautesten schreien, aber nur unlautere Interessen vertreten.
Es gilt jedoch, sich nicht entmutigen zu lassen. Denn früher oder später enttarnt sich jeder Geschäftemacher beziehungsweise Rattenfänger, und dann muss es eben mit vereinten Kräften an anderer Stelle weitergehen. Die Sache ist nun mal groß und der Weg zu einem vernünftigen Miteinander langwierig. Das einzige Rezept: gemeinsam aus den Fehlern lernen, wieder aufstehen und weitermachen.
Schaufenster eines geschlossenen Reisebüros in Berlin im Jahr 2020; Foto: Sophia-Maria Antonulas
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