Am 19. März 2025 wurde im Schweizer Ständerat (Kantonskammer) eine besonders brisante Debatte geführt, die sich mit den Anpassungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) beschäftigte, in den Medien aber kaum Widerhall fand. Der Vorstoß von Pirmin Schwander (SVP, Schwyz), der sich mit der Revision der IGV auseinandersetzte und der den Bundesrat, die Schweizer Landesregierung, verbindlich beauftragen will, vom «Opting-out» Gebrauch zu machen und die Änderungen dieser Vorschriften zurückzuweisen, stieß auf starke Widerstände.
Die zentralen Fragen: Fallen diese Änderungen in die alleinige Kompetenz des Bundesrates? Sind sie tatsächlich von geringer Tragweite, wie dieser behauptet? Und ist das Verfahren der «Abstimmung im Konsens» rechtens oder wurden hier Verfahrensvorschriften verletzt? Und generell: Was bedeutet das für die politische DNA der Schweiz, die sich durch die Prinzipien der direkten Demokratie und der Souveränität der Nation auszeichnet?
Ein Schlüsselmoment der Debatte war die Antwort der Innenministerin, Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (SP, Jura), die auf die Frage nach der Abstimmungspraxis in Bezug auf die Änderungen der IGV einging. Sie erklärte (in französischer Sprache)
«Sie haben Fragen bezüglich der Abstimmung gestellt. Ich habe mich informiert: Tatsächlich gab es keine Abstimmung, weil diese Änderungen im Konsens verabschiedet wurden. Es war nicht aus Müdigkeit, Erschöpfung oder Desinteresse, sondern aus Konsens. Und Konsens ist prinzipiell ein Wert, der uns wichtig ist und zur politischen DNA unseres Landes gehört.»
Doch dieser vermeintlich einfache Hinweis auf den Konsens als Basis der Schweizer Politik lässt Fragen aufkommen. Wie kann es sein, dass ein so entscheidender völkerrechtlicher Vertrag, der tief in die Souveränität der Schweiz eingreift, ohne ordnungsgemäße Abstimmung durchgewunken wird? Dieses Verfahren wird von Juristen, etwa denen von ABF Schweiz, In ihrer Vernehmlassungsantwort massiv kritisiert.
Sie weisen darauf hin, dass die WHO-Verfahrensregeln eine solche «Abstimmung im Konsens» nicht vorsehen und dass der definitive Abstimmungstext Monate vor der Abstimmung vorliegen muss – aber er wurde noch am gleichen Tag geändert.
Eine solche Prozedur sei nicht nur mit den internationalen Standards der WHO unvereinbar, sondern auch mit den demokratischen Grundprinzipien der Schweiz. Die Verfahrensvorschriften der WHO dienen dem Schutz der Willensbildung der Mitgliedstaaten, und die Schweiz als demokratischer Staat dürfe nicht einfach eine Farce akzeptieren, die den eigentlichen Sinn von Abstimmungen und Verfahren untergrabe. ABF Schweiz-Rechtsanwalt Philipp Kurse erklärte auf seinem Telegram-Kanal:
«Mit der Missachtung dieser Verfahrensregeln leidet die Verabschiedung der IGV-Revision durch die 77. Weltgesundheitsversammlung an so schweren Verfahrensmängeln, dass sie bereits aus formellen Gründen als ungültig betrachtet werden muss.»
Die Forderung lautet daher, dass der Bundesrat diese Entscheidung bis spätestens 19. Juli 2025 (Frist der WHO) zurückweist, um die demokratischen Rechte der Schweiz zu schützen.
Für viele Beobachter stellt sich die Frage, warum eine solche entscheidende Änderung unter Umgehung demokratischer Mechanismen durchgesetzt werden soll. Die Antwort, die Baume-Schneider in ihrer Stellungnahme gibt, deutet auf eine gravierende Fehleinschätzung hin: «Konsens» als zentraler Wert wird als ein Vorwand genutzt, um den demokratischen Prozess zu umgehen.
Dies ist nicht der erste Vorfall, bei dem der Bundesrat kritisiert wird, Entscheidungen im Sinne internationaler Organisationen zu treffen, ohne die nötige Rücksicht auf die Interessen der Schweiz und ihrer Bürger zu nehmen. In den letzten Jahren haben sich immer wieder Diskussionen darüber entfacht, ob die Schweizer Regierung zu sehr den Interessen fremder Staaten oder Organisationen dient und dabei die Unabhängigkeit des Landes und die direkte Demokratie gefährdet. Rechtsanwalt Philipp Kruse, der sich ebenfalls mit den Auswirkungen dieser Politik beschäftigt, betont:
«Es ist nicht nur ein Zeichen von Inkompetenz, wenn der Bundesrat die Tragweite der IGV-Änderungen nicht erkennt oder sie bewusst falsch darstellt. Es ist ein Fortbestehen einer Pflichtverletzung gegenüber dem Volk. Die Regierung scheint in dieser Sache tatsächlich fremden Interessen zu dienen.»
Nachdem die Motion im Nationalrat von der nationalkonservativen SVP, der größten Partei der Schweiz, keine Unterstützung erfahren hatte, stimmten im Ständerat, der Kantonskammer, nebst der SVP auch einzelne Vertreter anderer Parteien zu. Von der Mitte-Partei haben Stefan Engler (Graubünden), Beat Rieder (Wallis) und Heidi Z’graggen (Uri) zugestimmt. Bei der FDP wurde die Motion von Petra Gössi aus dem Kanton Schwyz unterstützt. Die prononciertesten Voten im Rat kamen vom Motionär Pirmin Schwander und von der St. Galler Ständerätin Esther Friedli.
Der Bundesrat hat zu den IGV immerhin eine Vernehmlassung durchgeführt. Das ist ein Verfahren, bei dem interessierte Kreise ihre Meinung kundtun können. Der Bundesrat möchte die Antworten aus dem Vernehmlassungsverfahren in seine Entscheidung mit einfließen lassen. Diese Möglichkeit wurde rege genutzt. Über 600 Seiten lang sind die veröffentlichten Antworten. Die Änderungen an den IGV wurden mehrheitlich gutgeheißen, es gibt aber auch Überraschungen, die aufhorchen lassen.
Der Kanton Bern lehnt, als einziger Kanton die Änderungen der IGV ab und fordert den Bundesrat auf, bis zum Stichtag im Juli vom Opting-out Gebrauch zu machen. Der Berner Regierungsrat sieht die Änderungen als problematisch an. So wird dem WHO-Generaldirektor die Befugnis übertragen, Empfehlungen bezüglich nationaler Gesundheitspolitik abzugeben. Auch wenn diese Empfehlungen nicht bindend sind, sei die Beurteilung von Maßnahmen eine nationale Aufgabe.
Die Empfehlungen stellten daher einen Eingriff in die Befugnisse der Mitgliedsländer dar. Auch die verpflichtende Einführung einer nationalen IGV-Behörde für jedes Mitgliedsland sieht der Regierungsrat des Kantons Bern kritisch, ist die nationale Organisation doch Aufgabe des Mitgliedslands. Zudem befürchtet der Regierungsrat, dass die verstärkte Koordination und Überwachung durch die WHO zu einer stärkeren Einflussnahme der WHO auf die nationale Gesundheitspolitik führen werde. In Zeiten gesundheitlicher Krisen sei es von entscheidender Bedeutung, dass die Schweiz den notwendigen Spielraum für situative und flexible Entscheidungen behalte. Unterzeichnet ist die Berner Vernehmlassungsantwort von der Justizdirektorin Regierungsrätin Evi Allemann (kantonale Justizministerin), Mitglied der SP.
Interessant ist auch die Vernehmlassungsantwort von Interpharma, dem Lobbyverband der Schweizer Pharmaindustrie. Der Verband vertritt 23 Pharmaunternehmen.Neben den für die Schweizer Volkswirtschaft wichtigen Firmen Novartis und Roche, finden sich mit Johnson & Johnson, AstraZeneca, Moderna und Pfizer auch die Hersteller der Covid-«Impfstoffe».
Nachdem Interpharma sich im letzten Jahr schon in Sachen Pandemievertrag kritisch geäußert hat, lehnt der Interessenverband die Anpassungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften nun rundweg ab und fordert eine klare Definition der Begriffe «pandemische Notlage» und «relevante Gesundheitsprodukte». Weiter wird gefordert, dass die Bekämpfung einer Pandemie mittels freiwilligem Technologietransfer und der Gewährleistung des freien Warenverkehrs für medizinische Produkte erfolgen soll. Auch wird der verlässliche Schutz des geistigen Eigentums erwähnt. Daneben wird der Erhalt der Souveränität der Schweiz bei der Bekämpfung zukünftiger Pandemien bekräftigt. Einem Argument, das auch in vielen Antworten der Kantone zu lesen ist.
Bemerkenswert ist, dass die Motion im Parlament die IGV nicht per se ablehnt, sie aber dem Hinterzimmerdealverfahren entziehen und einem demokratischen Prozess unterstellen will. Der Bundesrat soll also die IGV ablehnen, damit Zeit gewonnen wird, diese in einen referendumsfähigen Bundesbeschluss zu kleiden, über den in letzter Instanz dann wohl das Volk entscheidet.
Für die kritischen Stimmen ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Schweiz weiterhin ihre Souveränität bewahrt und jegliche Entscheidung, die ihre verfassungsmäßigen Rechte einschränken könnte, strikt ablehnt. Sie rufen dazu auf, dass die Bürger aktiv werden und sich gegen die Änderungen der IGV stellen.
Ein weiteres Anliegen der Kritik betrifft die fehlende Transparenz und die unzureichende Diskussion über die Auswirkungen der Änderungen. Die Abstimmung im Konsens hat den demokratischen Willensbildungsprozess außen vor gelassen, was zu schwerwiegenden Bedenken führt. In einem Land wie der Schweiz, das sich durch das Prinzip der Volksabstimmungen und direkten Einflussnahme auszeichnet, scheint dieser Schritt ein schwerer Bruch mit den traditionellen Verfahren zu sein.
Der Aufruf zur Teilnahme an politischen Aktionen wird lauter. So können sich Bürger über verschiedene Kanäle wie Online-Petitionen und Briefaktionen an ihre Politiker wenden, um gegen die Änderungen der IGV Stellung zu beziehen. Diese Initiativen haben nicht nur das Ziel, die politische Aufklärung voranzutreiben, sondern auch ein starkes Signal an die Regierung zu senden: Der Souverän, das Volk, will nicht in Entscheidungen gedrängt werden, die ohne eine umfassende, transparente und demokratische Diskussion durchgewunken werden.
Bundesrätin Baume-Schneider, die in ihrer Antwort auf die Kritik an den Verfahrensmängeln betonte, der Bundesrat achte darauf, dass die verfassungsmäßigen Grundrechte geschützt blieben, wird nun von vielen Seiten zum Handeln aufgefordert. Wird sie ihren Worten Taten folgen lassen? Und wird der Bundesrat sich der Verantwortung stellen, die er gegenüber dem Volk trägt, oder wird er weiterhin die Interessen internationaler Organisationen über die Souveränität der Schweiz stellen?
Kommentar Transition News:
Mittlerweile gibt es sehr prominente Stimmen, die sich für ein Opting-out starkmachen und die nicht einfach in die nationalkonservative-souveränistische oder gar in die verschwörungstheoretische Ecke abgedrängt werden können. Auch wenn sie noch in der Minderheit sind und die Mainstream-Medien das Thema immer noch totschweigen, kann der Bundesrat sie nicht mehr ignorieren.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob er bereit ist, der Schweizer Bevölkerung zu zeigen, dass der Schutz ihrer Rechte und Freiheiten oberste Priorität hat. Bis dahin bleibt es wichtig, dass alle, die die Werte der direkten Demokratie und der Souveränität der Schweiz hochhalten, sich zu Wort melden und aktiv in die politische Diskussion eingreifen.
Hier sind Vorlagen für Briefe an Politiker.
Hier geht es zur Online-Petition (neue Frist bis 1. Juni 2025