Seit zwei Jahren sind die Festen der Gesellschaft kräftig ins Wanken geraten. Das Medienportal Global Research geht nun der Frage nach, wie man deren Gesundheit messen kann. Denn wenn Wissenschaftler aus der ganzen Welt dieselbe Gesellschaft analysieren sollen, gelangten sie oft zu diametralen anderen Schlussfolgerungen. Anders als in den Naturwissenschaften seien solche Unstimmigkeiten in den Sozialwissenschaften an der Tagesordnung. Als Hauptgrund nennt Global Research den Umstand, dass diese Wissenschaftler oft unterschiedliche Massstäbe verwenden.
«Sozialwissenschaftler haben noch keine einheitlichen Massstäbe für eine objektive Bewertung der gesellschaftlichen Gesundheit gefunden, die von ihren individuellen Ideologien unabhängig wären. In unserer Welt gibt es viele Versionen von Ideologie-Metriken, die alle auf den Glaubenssystemen der Menschen beruhen, auf religiösen Präferenzen oder sozial-politischen Neigungen. Diese sind von Natur aus voreingenommen. Die Sozialwissenschaften benötigen dringend eine Reihe von Metriken, die ähnlich objektiv sind wie die der Naturwissenschaften.»
(wir berichteten).
Zu den Sozialwissenschaften zählt Global Research Disziplinen wie Soziologie, Politik und Anthropologie. Physik, Chemie und Biologie sind Teil der Naturwissenschaften. Im grossen und ganzen gebe es in der letztgenannten Gruppe allgemein anerkannte Prinzipien wie Schwerkraft, chemische Reaktionen, Mikroorganismen, die man objektiv und wiederholt nachgeweisen könne.
Diese Prinzipien seien bekannt als bewiesene Wahrheiten. Wo solche Beweise nicht erbracht werden könnten, gebe es in der Regel Arbeitstheorien, die ständig verfeinert würden. Sind Naturwissenschaftler unterschiedlicher Meinung, so zeigten sie Global Research zufolge zuversichtlich, dass durch beharrliche Experimente die Wahrheit zu gegebener Zeit ans Licht kommen und Unstimmigkeiten beseitigt würden.
Der Autor des Artikels, Dr. Stephen E. Ling, macht darauf aufmerksam, dass sich die Sozialwissenschaftler ständig uneinig seien. Das liege daran, dass sie auf keine allgemeinen Grundsätze zurückgreifen und ihre Theorien nicht objektiv und wiederholt testen könnten. Daher könnten keine bewiesenen Wahrheiten entwickelt werden, so Ling. Die «Wahrheit» würde zur Ansichtssache, und verschiedene Wissenschaftler verträten oft unterschiedliche Meinungen. Der Radiologe zitiert den kanadischen Soziologieprofessor Kenneth Westhues von der University of Waterloo: «Verschiedene Soziologen haben unterschiedliche Prinzipien, Annahmen, Neigungen, Grundideen, die auf dem basieren, was sie zu bestimmten Themen sagen und schreiben.»
Global Research wirft die Frage auf, ob es keine Möglichkeit gibt, zu bewerten, wie gut eine Gesellschaft funktioniert. In jeder modernen Gesellschaft gebe es vier grundlegende menschliche Bedingungen, die aus der Naturwissenschaft stammen und die als objektive Massstäbe für die Gesundheit der Gesellschaft dienen könnten. Sie stammten in erster Linie aus den naturwissenschaftlichen Disziplinen Psychologie und Biologie.
Die in einer bestimmten Disziplin gewonnenen Erkenntnisse müssen laut Global Research mit jenen einer grundlegenderen Disziplin übereinstimmen. Damit eine Theorie im Sinne einer vorgeschlagenen neuen Erkenntnis in einer Disziplin als glaubwürdig angesehen werden könne, müsse sie mit den bereits etablierten Prinzipien oder Arbeitstheorien einer grundlegenderen Disziplin übereinstimmen.
So wäre es beispielsweise schwierig, eine physikalische Theorie für glaubwürdig zu halten, wenn sie gegen die Algebra verstösst, einem Prinzip der Mathematik, einer Disziplin, die grundlegender ist als die Physik. Ebenso würde man die Entdeckung eines neuen Virus, also eine Theorie der Biologie, eher für glaubwürdig halten, wenn sie durch eine entsprechende neue RNA-Sequenz – ausgewiesen in der Biochemie als der grundlegenderen Disziplin – unterstützt wird.
Da es in der Soziologie darum gehe, wie sich Menschen in Gemeinschaften verhalten, sollte man zunächst mit den Grundsätzen und Theorien des menschlichen Verhaltens befassen, nämlich mit der Psychologie, einem Zweig der Naturwissenschaften und einer Disziplin, die grundlegender ist als die Soziologie.
Ausgehend von der obigen Prämisse, könne man nun eine naturwissenschaftlich fundierte Methode ableiten, um die Gesellschaft objektiv zu bewerten. Bei dieser Methode werden vier menschliche Bedingungen als Erscheinungsformen etablierter Prinzipien bzw. Theorien der menschlichen Psychologie und Biologie identifiziert: Wohlstand, Bevölkerung, Gesundheit und Bildung. Diese fungieren dem Autor zufolge als als Eingeweide und Rückgrat der Gesellschaft.
Wenn auch nur eines von ihnen ausfalle, könne die gesamte Gesellschaft zusammenbrechen. Wie gut jedes von ihnen funktioniert, gebe Aufschluss darüber, welche «Organe» der Gesellschaft gedeihen und welche versagen. Man könne sie als die Indikatoren der gesellschaftlichen Vitalität betrachten. Dr. Stephen E. Ling schlägt vor, dass sich die Menschen auf diese Indikatoren konzentrieren sollten, um den Gesundheitszustand unserer Gesellschaft genauer beurteilen und so öffentliche Massnahmen effektiver entwickeln und sinnvollere interkulturelle Dialoge führen zu können.
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