Trotz wachsendem Bewusstsein für die ökologischen und sozialen Folgen der sogenannten «Fast Fashion» – also Kleidung, die billig produziert wurde und für den kurzfristigen Gebrauch gedacht ist – setzt sich die Überproduktion und der übermäßige Konsum von Kleidung laut The Conversation fort. Um ein bewussteres Publikum anzusprechen, würden Modeunternehmen «woke» Marketingtaktiken anwenden und Werbekampagnen veröffentlichen, die politisches und soziales Bewusstsein in Bezug auf Rasse, LGBTQIA+, Feminismus und Umwelt vermitteln.
Als bekanntes Beispiel führt das Portal die Sportbekleidungsmarke Nike an, die Bilder des NFL-Spielers Colin Kaepernick und seines Protests gegen Rassismus in einer Marketingkampagne verwendete. Ein weiteres Beispiel sei das Dior-T-Shirt für 750 Euro mit dem Slogan «We should all be feminists» (wir sollten alle Feministinnen sein), der von einem TEDx-Vortrag der Autorin Chimamanda Ngozi Adichie stammt und später in Beyoncés Song «Flawless» verwendet wurde. The Conversation weiter:
«Mode kann ein nützliches Mittel für politische Botschaften sein – bis jemand fragt, wer die Kleidung herstellt. Die Spice Girls trugen 2018 T-Shirts mit dem Slogan ‹#IWANNABEASPICEGIRL›, um auf das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern aufmerksam zu machen und die Stärkung von Frauen zu fördern. Später wurde bekannt, dass die Näherinnen, die diese T-Shirts in Bangladesch herstellten, Hungerlöhne erhielten.
Der Modehändler Shein bezahlte Influencer dafür, seine Fabriken in China zu besuchen und Videos zu veröffentlichen, die die Arbeitsbedingungen dort lobten. Eine Untersuchung der Schweizer Menschenrechtsorganisation Public Eye bestätigte später, dass viele dieser Arbeiter rund 75 Stunden pro Woche arbeiteten.»
Greenwashing in Schweden
Neue Forschungen zeigen dem Portal zufolge, wie schwedische Modeunternehmen unverhältnismäßig stark Frauen mit Werbeanzeigen ansprechen, die ethischen oder nachhaltigen Konsum versprechen. Die Umweltschäden und sozialen Missstände in ihren Lieferketten werden dabei jedoch verschleiern.
Schweden ist die Heimat des Fast-Fashion-Riesen H&M und anderer globaler Marken, von denen viele in ihren Werbekampagnen auf grünes Marketing setzen. In einer von The Conversation analysierten Instagram-Werbung machte die schwedische Influencerin Bianca Ingrosso einen bezahlten Beitrag für das Modeunternehmen Gina Tricot. Darin bewarb sie das Versprechen der Marke, mit den Verkaufserlösen würde ein Wald gechaffen und es würden kommerzielle Bienenstöcke in Dänemark installiert.
Ein paar Jahre später habe sich herausgestellt, dass im Auftrag von Gina Tricot nur 503 junge Bäume auf einem so kleinen Stück Land in Dänemark gepflanzt worden seien, dass dies beim besten Willen nicht habe als Wald bezeichnet werden können. Auch seien nur zwei Bienenstöcke installiert worden (Die Organisation Ecotree habe angegeben, dass Gina Tricot nur für zwei Jahre Bienenstockpflege bezahlt habe, die später um ein weiteres Jahr verlängert worden sei).
Ein weiteres Beispiel ist die Instagram-Story der Marke Kappahl, in der drei Frauen zu sehen waren, die weiße T-Shirts und Jeans trugen mit dem Text «Do your part» (Trag deinen Teil dazu bei). Diese Story war Teil der «Responsible»-Serie des Unternehmens, mit der es verantwortliches Verhalten zeigen wolle. Dabei wurde auch eine Rücknahmeaktion beworben, bei der Kunden nicht mehr gewollte Kleidung spenden konnten, um einen Rabatt zu erhalten. In einem anderen Fall erklärte eine Influencerin, dass Rönisch eine Marke von «Frauen für Frauen» sei, die nachhaltige Sportbekleidung herstelle.
«Diese Werbungen sind oft vage, und das beworbene Produkt steht nicht immer in direktem Zusammenhang mit der beworbenen Initiative. Dennoch bleibt die zugrunde liegende Botschaft dieselbe: Frauen können die Welt durch ihren Konsum verbessern.»
Für Verbraucher sei es oft schwierig, eine geschickte PR-Kampagne von einem echten Veränderungswillen zu unterscheiden, merkt The Conversation an. Die H&M-Tochtermarke Monki habe sich jahrelang in ihren Marketing- und Kommunikationskampagnen für Körpergrößen-Inklusivität starkgemacht. Anfang 2024 habe die Marke jedoch angekündigt, dass sie wegen mangelnder Nachfrage Plus-Size-Produkte aus ihrem Sortiment streichen werde, was auf erhebliche Kritik gestoßen sei.
Frauen und bewusster Konsum
Gemäß dem Portal gibt es einen Grund, warum Unternehmen diese Narrative speziell an Frauen richten. Umfragen würden zeigen, dass Frauen eher nachhaltige Lebensstilentscheidungen treffen. Männer hingegen würden in manchen Fällen, wie Studien nahelegen, absichtlich das Gegenteil tun, um ihre maskuline Identität zu schützen:
«Es gibt ein altes, aber immer noch verbreitetes Klischee: dass Frauen von Natur aus fürsorglich und liebevoll sind. Wenn Frauen mit ‹grüner› oder ‹feministischer› Werbung angesprochen werden, sollen sie ihre angeborene Fürsorge durch Konsum zum Ausdruck bringen. Anstatt allen zu sagen, dass sie weniger konsumieren sollen, wird Frauen geraten, bestimmte Produkte mehr als andere zu konsumieren, was insgesamt zu mehr Konsum führen könnte.
Frauen werden traditionell mit Konsumentscheidungen und dem Haushalt in Verbindung gebracht, weshalb Werbung immer überwiegend Frauen ins Visier nimmt. Indem die Umwelt zu einer individuellen Verantwortung gemacht wird, bei der ein bestimmtes Produkt die Lösung darstellt, wird die Aussicht auf politisches Engagement aus der Lösung systemischer Probleme genommen und das Potenzial für kollektives Handeln verdrängt. In den meisten Fällen ist es besser, das zu nutzen, was man bereits besitzt, anstatt neue Dinge zu kaufen.»
Die Vorstellung der fürsorglichen Frau werde instrumentalisiert, um übermäßigen Konsum als nachhaltig und ethisch zu präsentieren. Werbung, die feministische oder umweltfreundliche Botschaften vermittelt, nutze diese Idee der Fürsorge gezielt aus – sei es durch den Hinweis, Kleidung sorgfältig zu pflegen, um deren Lebensdauer zu erhöhen, oder durch das Anregen zum Spenden nicht mehr gewollter Kleidung, auch wenn diese letztlich auf einer Mülldeponie in Kenia landet. The Conversation schließt:
«Es ist bezeichnend, dass diese wohltuenden Kampagnen nicht auf die Näherinnen ausgeweitet werden, die Berichten zufolge in Fabriken arbeiten, die möglicherweise zur Umweltkatastrophe beitragen, und dabei sehr wenig verdienen.»
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