Digitaler Staat, digitale Wirtschaft, digitaler Bürger: Dass Deutschlands Zukunft digital sein muss, scheint prinzipiell unter den politischen Parteien Konsens. Jedenfalls war das am letzten Freitag im Rahmen der Regierungserklärung und der Aussprache dazu im Bundestag offenbar so.
Für dieses Ziel wurde nun eigens ein neues Ministerium geschaffen, das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung, mit umfangreichen Kompetenzen. Sein Leiter Karsten Wildberger, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Ceconomy AG und Chef von MediaMarktSaturn, stellte sozusagen in seiner Antrittsrede im Parlament sein Programm vor. Grundzüge dessen waren dabei bereits aus der «Digital-Only»-Strategie des Koalitionsvertrags bekannt (wir berichteten).
Wildberger sei Praktiker – «ich habe auch mal Software entwickelt» – und er freue sich über die «Start-up-Mentalität», die er rund um «sein Haus» erlebe. Ein Ministerium aus dem Nichts aufzubauen, sei ja keine leichte Aufgabe. Er sehe große Lust, die digitale Zukunft des Landes zu gestalten.
Der Minister skizzierte seine Vision von dieser Zukunft in drei Punkten: dem digitalen Staat, der digitalen Infrastruktur und der Wirtschaft. Wir bräuchten «eine positive Zukunftserzählung für unser Land» und es sei wichtig, die Bürger auf dem Weg mitzunehmen. Die Menschen müssten mitbekommen, dass Digitalisierung einfach sei. Gleichzeitig redete er von einem «Deutschland-Stack», was er mit «einheitlicher IT-Infrastruktur und klar definierten Schnittstellen» zu erklären versuchte.
Eine Digitalisierung, «die bei den Menschen ankommt», beschrieb der 55-Jährige ganz in der Linie jenes Narrativs. Er sagte dazu Folgendes:
«Zum digitalen Staat gehört auch, dass jeder Mensch eine digitale Identität erhält, eine digitale Wallet, die das Leben erleichtert. Vom Personalausweis über den Führerschein bis zur Fahrkarte: alles in einem digitalen Portemonnaie.»
Einen flächendeckenden Ausbau des 5G-Netzes braucht es laut Wildberger, damit die Daten fließen. Für digitale Geschäftsmodelle, insbesondere mit Daten und künstlicher Intelligenz, solle Deutschland erste Wahl sein. Es gelte, die Rahmenbedingungen für ein digitales «Next Germany» mit großen Chancen für Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen. Datenschutz sei dabei wichtig, dürfe aber «nicht zu einer Innovationsbremse werden».
Auch sei europäische Vernetzung wichtig. Der Digitalminister möchte in Europa «einen digitalen Binnenmarkt mit 450 Millionen Menschen» etablieren. In diesem Zusammenhang sprach er von «digitaler Souveränität», ohne jedoch zu erläutern, was genau er damit meinte.
Kritische Stimmen gab es in der Parlamentsdebatte bezogen auf Detailaspekte. So wurden die Begriffe «Souveränität» und «Desinformation» im Zusammenhang mit EU-Recht hinterfragt. Die Koalition hatte sich eindeutig zur kohärenten Umsetzung von EU-Digitalrecht und zur stringenten Weiterentwicklung des Digital Services Act bekannt. Auch die Tatsache, dass eine vollständige Digitalisierung einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung ausgrenzt, wurde von der Opposition angesprochen.
Soweit die Medien überhaupt über Wildbergers Teil der Regierungserklärung berichtet haben, überwog dabei – wie im Plenum – die grundsätzliche Zustimmung zum neuen Ministerium und man wünschte dem «Neuen» viel Erfolg. Die angebliche Alternativlosigkeit der Digitalisierung sämtlicher Lebensbereiche scheint weitgehend akzeptiert zu sein.
Bedenken bezüglich Machtmissbrauch finden sich genauso selten wie der Hinweis auf die Risiken der 5G-Technologie (wir berichteten) oder darauf, dass es nun einmal keine hundertprozentige Datensicherheit gibt. Dennoch kann es keinen Zweifel daran geben, dass die Digitalisierung der Schlüssel für eine vollständige Kontrolle und Manipulation der Bürger ist. Ein anschauliches Beispiel ist das EU-Land Spanien, das seit geraumer Zeit genau in dieser Richtung immer wieder vorangeht (wir berichteten).
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