Russland ist unlösbar in die europäische Geschichte verflochten,
nicht nur als Gegner und Gefahr, sondern auch als Partner,
historisch, politisch, kulturell und ökonomisch. Nur wenn wir in
Westeuropa diese Partnerschaft ins Auge fassen und nur wenn
die Völker Osteuropas dies auch sehen, können wir zu einem
Ausgleich der Interessen kommen.
Willy Brandt
Liebe Leserinnen und Leser!
Um es vorwegzunehmen und der Gefahr von Anwürfen vorzubeugen: Ich bin wahrlich kein Putin-Fan, genau so wenig wie ich überhaupt auch nur im Ansatz ein Fan bin von irgendwelchen Regierungschefs von heute auf dieser Welt. Letztlich gilt es, wie ich meine, zu realisieren, dass wir gegen den Kampf einer kleinen Gruppe an «Oberen» gegen die untere «Masse» angehen müssen, wenn wir eine gerechtere Welt haben wollen – und dass das Gerede von «links» gegen «rechts», Russland gegen den Westen usw. nur eine riesengroße Ablenkung ist.
Wo sind wir bloß gelandet, dass Russland wieder der große Bösewicht und Unheilbringer ist? Da waren wir doch schon viel, viel weiter mit Willy Brandts Werben für einen «Wandel durch Annäherung», das den ersten entspannungspolitischen Schritt der Großen Koalition in den 1960er Jahren während dem Kalten Krieg darstellte. Wie sagte Brandt im Mai 1972 als Bundeskanzler in einer Rede im deutschen Bundestag treffend (siehe auch Zitat oben):
«Russland ist unlösbar in die europäische Geschichte verflochten, nicht nur als Gegner und Gefahr, sondern auch als Partner, historisch, politisch, kulturell und ökonomisch.»
Dass er diesen auf Frieden ausgerichteten Geist in die Welt getragen hat, dafür erhielt Brandt 1971 sogar den Friedensnobelpreis.
Von diesem Geist ist tragischerweise nichts mehr übrig geblieben. Ja, man traut seinen Augen und Ohren nicht und muss jetzt lesen, dass im Ukraine-Krieg eine weitere Eskalationsstufe erreicht worden ist, nachdem die Ukraine ATACMS-Langstreckenraketen von den USA erhalten und diese auf Russland abgefeuert hat.
Parallel dazu würden etwa in Deutschland Vorbereitungen für den Fall eines Krieges beginnen. Wie etwa die Welt unter Berufung auf die FAZ schreibt, «schult die Bundeswehr seit Kurzem Unternehmen auf Grundlage des von der Politik beschlossenen ‹Operationsplan Deutschland›.» Dabei handelt es sich um ein Strategiepapier, das in seiner ersten Fassung satte 1000 Seiten umfasst.
Dabei werden so wohlfeile Ratschläge gegeben wie: «Bilden Sie auf hundert Mitarbeiter mindestens fünf zusätzliche Lkw-Fahrer aus, die Sie nicht benötigen.» Grund der Maßnahme sei, dass «70 Prozent aller Lastwagen auf Deutschlands Straßen von Osteuropäern bewegt werden. Wenn dort Krieg ist, wo werden dann diese Leute sein?»
Doch das ist schon deswegen «sowas von absurd», wie ein gewisser «Charlie» in einem Kommentar zum Welt-Artikel schreibt, weil «ein Krieg zwischen NATO und Russland nicht konventionell geführt», sondern «unweigerlich in atomarer Verwüstung enden würde. Wir können uns zwar Kochtöpfe über den Kopf stülpen, das ändert aber gar nichts.»
Doch selbst wenn man dem nicht folgen mag, so gibt gar keinen Grund, Russland als die große Kriegsgefahr für Europa, geschweige denn für die Welt hinzustellen. Das kann nicht genug betont werden. Damit soll freilich das unglaubliche Leid, das die Kriegsmaschinerie der Russen in der Ukraine erzeugt hat, nicht kleingeredet werden. Doch wie etwa die Berliner Zeitung aktuell zum Thema schreibt (Transition News berichtete), widerspricht das Narrativ, demzufolge Moskau die Ukraine zerstören und weiter nach Europa vordringen wolle, «offensichtlich den Realitäten».
Dies gehe aus einem Beitrag der Moskauer Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta hervor, der Mitte Oktober erschienen war. Damit wird bestätigt, was der US-Politwissenschaftlers John J. Mearsheimer in einem Artikel ausführte, der kürzlich bei Transition News erschien.
So sei, wie Mearsheimer ausführt, die Hauptursache für Ukraine-Krieg der vom Westen angestrebte NATO-Beitritt der Ukraine, was sogar durch die Worte von Jens Stoltenberg, bis zum 1. Oktober NATO-Generalsekretär, bestätigt werde. Und den von Bearbock & Co. behaupteten «russischen Imperialismus», der Europa militärisch bedroht, gebe es schlicht nicht.
Dieser sei vielmehr erfunden worden, um Russland die Schuld geben zu können. Damit werden dann exorbitante Militärbudgets und, aus Schweizer Sicht, eine Annäherung an die NATO gerechtfertigt. Viola Amherd etwa, Schweizer Bundespräsidentin, behauptete Ende 2023 allen Ernstes, es sei möglich, dass Putin, sollte er sich etwa die Ukraine einverleibt haben, «weitergeht in Richtung Europa».
Irgendein Feind, ob nun Russland, Terroristen, CO2 oder sonst etwas, muss es halt immer geben, um ein Mehr an Ausgaben für Kriegsgerät, ein mehr an freiheitlichen Einschränkungen usw. zu rechtfertigten. Komisch nur, dass die Welt dadurch nicht besser wird und oftmals sogar nur schlechter, jedenfalls für die «Masse», nicht aber für die kleine Clique der «Oberen» ...
Willy Brandt, bitte erstehe auf und erlöse uns vor der total irrsinnigen Russlandphobie!
Alles Gute – trotz allem!
Torsten Engelbrecht