Medienberichten zufolge hat US-Präsident Joseph Biden Kiew die Freigabe für gelieferte Waffen wie das Raketensystem ATACMS gegeben, diese gegen Ziele auf russischem Territorium einsetzen zu können. Trotz monatelangem ukrainischem Druck in diese Richtung hatte sich Washington bisher geweigert.
Diese weitere Eskalationsstufe dürfte den Krieg verschärfen und verlängern und nicht, wie Beobachtern zufolge beabsichtigt, der Ukraine eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber Russland sichern. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte im September deutlich davor gewarnt, dass ein solcher Schritt «eine direkte Beteiligung der NATO-Länder, der Vereinigten Staaten und der europäischen Länder am Krieg in der Ukraine» bedeute und entsprechende russische Reaktionen zur Folge habe.
Die Begründung für diesen Schritt Bidens, nämlich die angebliche Anwesenheit nordkoreanischer Soldaten in der russischen Region Kursk, kann nur als absurd bezeichnet werden. Zum einen kann Russland auf seinem Territorium Truppen aus welchem Land und für was auch immer zulassen.
Zum anderen ist der mögliche Einsatz der nordkoreanischen Soldaten aufgrund eines entsprechenden Vertrages beider Länder gegen die eingedrungenen ukrainischen Truppen in der Kursker Region ebenfalls das gute Recht Russlands. Und dann ist da noch die Vielzahl ausländischer Militärs und Söldner auf Seiten Kiews, die massiven Waffenlieferungen und Finanzhilfen des US-geführten Westens, die dessen mediale Aufregung um die mögliche Hilfe Nordkoreas ad absurdum führen.
Russland gehe davon aus, dass die Entscheidung, ATACMS-Raketen tief in Russland abzufeuern, eine qualitativ neue Runde der Eskalation der Spannungen bedeute, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow laut der russischen Nachrichtenagentur TASS.
«Wenn eine solche Entscheidung tatsächlich formuliert und dem Kiewer Regime mitgeteilt wurde, dann ist dies natürlich eine qualitativ neue Runde der Eskalation der Spannungen und eine qualitativ neue Situation in Bezug auf die Beteiligung der Vereinigten Staaten an diesem Konflikt.»
Die Position Moskaus sollte für alle absolut klar sein, betonte der Kreml-Sprecher laut TASS. Am 12. September habe der russische Präsident Wladimir Putin in St. Petersburg darauf hingewiesen, dass eine mögliche Entscheidung, westliche Langstreckenwaffen gegen Russland einzusetzen, nichts weniger als die direkte Beteiligung der Vereinigten Staaten und anderer NATO-Staaten am Krieg in der Ukraine bedeuten würde.
Putin hatte dabei betont, dass die Ukraine ohne westliche Unterstützung nicht in der Lage wäre, tief in russisches Gebiet vorzudringen, da dafür Satelliteninformationen und Flugmissionen erforderlich wären. Außerdem könne nur NATO-Militärpersonal diesen Raketensystemen Flugmissionen zuweisen, weil ukrainische Soldaten das nicht könnten.
«Daher geht es nicht darum, dem ukrainischen Regime zu erlauben, Russland mit diesen Waffen anzugreifen oder nicht. Es geht darum, zu entscheiden, ob NATO-Länder direkt in den militärischen Konflikt verwickelt werden oder nicht.»
Berichten zufolge hat sich der amtierende US-Präsident Biden selbst noch nicht offiziell zu der gemeldeten Entscheidung geäußert, wie auch der Kiewer Präsident Wolodymyr Selenskyj nur indirekt darauf eingegangen sein soll. Letzterer hat am Sonntag in seiner abendlichen Video-Ansprache erklärt:
«Heute wird in den Medien viel darüber geredet, dass wir die Erlaubnis für entsprechende Aktionen erhalten. Aber Angriffe werden nicht mit Worten ausgeführt. Solche Dinge werden nicht angekündigt. Raketen werden für sich selbst sprechen. Das werden sie ganz sicher.»
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gerate durch Bidens Entscheidung unter Druck, heißt es beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Er habe sich bisher gegen die Freigabe solcher Raketen ausgesprochen und ebenso abgelehnt, deutsche Marschflugkörper «Taurus» mit einer entsprechenden Reichweite an Kiew zu liefern.
Der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner erklärte am Montag in Berlin, die US-Entscheidung habe keine Auswirkungen auf die Position der Bundesregierung. Die Bundesregierung sei vorab darüber informiert worden.
Die neue US-Position habe «keine Auswirkungen auf die Entscheidung des Bundeskanzlers, Taurus nicht zu liefern», sagte Büchner den Berichten zufolge. Eine «Taurus»-Lieferung fordern unter anderem CDU, FDP und Grüne.
So begrüßte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ausdrücklich Bidens Entscheidung, meldete Welt online. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte die Außenministerin, wonach die US-Freigabe an Kiew «so wichtig in diesem Moment» sei.
Laut Reuters gibt es in der Europäischen Union (EU) vorrangig positive Reaktionen auf Bidens Entscheidung. Vor Beratungen der EU-Außenminister in Brüssel forderte demnach der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag auch die Mitgliedstaaten der EU dazu auf, der Ukraine den Einsatz von Waffen für Angriffe innerhalb Russlands generell zu gestatten.
Die französische Zeitung Le Figaro hatte bereits gemeldet, dass London und Paris Kiew ebenfalls erlaubt hätten, ihre gelieferten Marschflugkörper vom Typ SCALP beziehungsweise «Storm Shadow» gegen Ziele in Russland einzusetzen. «Die Franzosen und Briten hatten der Ukraine erlaubt, mit ihren SCALP/Storm Shadow-Raketen tief auf russischem Territorium zuzuschlagen», heißt es in einer Video-Meldung vom Sonntag auf der Webseite der Zeitung.
Die britische und die französische Regierung versuchen Berichten zufolge derzeit, einen Krieg mit Russland zu entfesseln, um Friedensinitiativen des wiedergewählten US-Präsidenten Donald Trump zur Ukraine-Krise zu torpedieren. Das schreibt unter anderem Thomas Röper auf Anti-Spiegel, der einen entsprechenden Bericht des russischen Fernsehens übersetzt hat.
Biden hatte bereits im Mai der Ukraine erlaubt, US-Waffen auch gegen Ziele in Russland einzusetzen – «allerdings nur zur Verteidigung der ostukrainischen Großstadt Charkiw», wie unter anderem Spiegel Online damals berichtete. Russische Politiker warnten nun erneut davor, dass die jüngste Entscheidung in einen 3. Weltkrieg führen könne.
Die Regierung von US-Präsident Joe Biden riskiere einen Dritten Weltkrieg, wenn sie der Ukraine erlaube, mit solchen US-Waffen Ziele tief in Russland anzugreifen, sagte die Duma-Abgeordnete Maria Butina laut Reuters. Die Biden-Administration versuche, die Situation zu eskalieren, solange sie noch an der Macht sei.
Donald Trump Jr., der Sohn des designierten US-Präsidenten, hat Medienberichten zufolge die Entscheidung von Biden ebenfalls kritisiert. Auf der Plattform X habe er die Biden-Administration als «Schwachköpfe» bezeichnet, weil sie diese Entscheidung zugelassen habe.
«Der militärisch-industrielle Komplex scheint sicherstellen zu wollen, dass der Dritte Weltkrieg beginnt, bevor mein Vater die Chance hat, Frieden zu schaffen und Leben zu retten.»
Kommentare