Transition News: Herr Wodarg, Sie haben kürzlich einen Vortrag über gesundheitliche Selbstbestimmung gehalten und haben dabei auf das Grundgesetz verwiesen, das vor 75 Jahren verabschiedet wurde. Welche Rolle spielt das Grundgesetz für gesundheitliche Selbstbestimmung?
Wolfgang Wodarg: Das Grundgesetz definiert für uns alle die Menschenwürde als etwas, das man uns nicht nehmen kann. Das bedeutet, dass wir, obwohl wir alle sehr unterschiedlich sind, alle gleiche Rechte haben. Das gibt uns auch Autonomie. Wenn jemand anders zum Beispiel bestimmen kann, wann ich gesund bin, dann ist meine Autonomie weg. Dann greift er meine Würde an. Das Gleiche gilt nicht nur für Einzelpersonen, sondern auch für Gemeinschaften. Auch Gemeinschaften haben ein Recht auf Autonomie und darauf, sich als Gemeinschaft selbst zu bestimmen. Darauf baut unser Gemeinwesen auf. Denn alle Macht geht vom Volke aus. Und wie das Volk sich organisiert, das bestimmt das Volk, das bestimmen die Menschen. So verspricht es unser Grundgesetz. Diese Regel entstand nach langen bitteren Erfahrungen.
Es gibt aber eine Herrschaftsgruppe oder -schicht, die ihre Herrschaft offenbar erhalten hat. Jene Demokratie, die vom Volk ausgeht, in der wir selbst die Regeln festlegen, nach denen wir leben wollen, ist immer wieder begrenzt worden. Sie wurde dadurch kontrollierbar, dass in einer repräsentativen Demokratie Parteien zwischen Volk und seinen Vertretern gesetzt wurden. Und dann wurde den Menschen erklärt: Ihr müsst Parteien bilden und wählen, damit ihr euch durchsetzen könnt.
Die Alternative wäre, in den Regionen deren Vertreter direkt zu wählen. Diese sollten wieder abberufen werden können, wenn sie ihren Auftrag missachten oder krasse Fehler machen. Parteien, die im ganzen Land wirksam werden, lassen sich überhaupt nicht von der Wählerschaft kontrollieren. Sie sind den herrschenden Kreisen nahe, näher als dem Volk, weil man ihre Macht auch von dort beeinflusst. So können sich die Mächtigen leichter untereinander einigen. Das sind die Strukturen, die den Möglichkeiten der Selbstorganisation der Bevölkerung von unten, von der Basis her, im Wege stehen.
Sie haben in den letzten Jahren deutlich kritisiert, was die Pharmaindustrie macht und treibt. Die Corona-Pandemie ist ein prägnantes Beispiel dafür. Ist das nicht auch ein Beispiel dafür, dass der Staat nicht den Bürgern gehört, denen er eigentlich dienen müsste?
Dieser Besitzbegriff «gehört» passt überhaupt nicht. Dass irgendjemand etwas gehört, das hat mit Gewalt zu tun, mit Claims abstecken. Wer viel Geld hat, kann sich das Land kaufen. Das Land gehört ihm dann, da kann er die anderen verjagen lassen. Wir leben alle gemeinsam auf der Welt. Aber immer wieder gibt es Leute, die bringen andere dazu, das zu tun, was sie wollen. Es fing früher mit Gewalt unter Rivalen an. Die haben sich die Köpfe eingeschlagen und sich gegenseitig ausgeraubt. Die Sieger konnten sich dann Söldner leisten und haben Köpfe einschlagen lassen.
Dadurch haben sie ihre parasitäre Macht verstärkt. Dann haben die Mächtigen, die Fürsten, Grafen und Könige bestimmt: Dein Bauernhof, der gehört jetzt mir, du bist mein Leibeigener. Sie haben ihre Beute vererbt und durch Heiratsstrategien vermehrt, haben Lehen an Lehnsherren vergeben, die in Abhängigkeiten blieben und so eine Hierarchie bis ganz unten sichern konnten. Aber alle waren abhängig von denen, die das Gewaltmonopol innehatten.
Der 30-jährige Krieg hat das Gewaltmonopol eine Zeit lang durcheinandergebracht. Die Kirchenfürsten haben da kräftig mitgemischt. Dann hat man mit dem Münsteraner Frieden wieder das staatliche Gewaltmonopol eingeführt und festgelegt, dass nur noch staatliche Gebilde militärische Gewalt ausüben dürfen. Diese haben dann gegeneinander Kriege geführt. Besitz hat immer mit Gewalt zu tun.
Warum war so etwas wie die Corona-Pandemie möglich, trotz Demokratie und demokratischer Strukturen? Sie haben vor dem gewarnt, was da passiert ist. Klaus Hartmann hat in seinem Buch «Impfen, bis der Arzt kommt» 2012 noch gehofft: «Die Menschen sind nicht mehr ganz so leicht mit den bislang gebräuchlichen Methoden zu beeindrucken – ein Professor im weißen Kittel, der im Fernsehen etwas von einer ‹zweiten Welle der Pandemie mit viel mehr Todesfällen› schwadroniert, schafft es heutzutage nicht mehr so einfach, dass die Leute sich sofort alle mit neuen Impfstoffen behandeln lassen. Das hat das Beispiel der Schweinegrippepandemie eindrucksvoll belegt.» Warum hat das doch wieder funktioniert?
Weil so viel Angst vor einem Virus gemacht wurde. Die Medien waren diesmal einhellig dabei und wurden vorher eingestimmt. Es gab schon im Sommer 2019 bei der BBC in London ein großes Treffen der großen Nachrichtenagenturen und Medienvertreter. Man hat sich gegenseitig darauf eingeschworen, dass man «Fehlinformationen» bekämpfen wolle. Da wurde bereits zu dem Zeitpunkt dafür gesorgt, dass gegebenenfalls keine anderslautenden Meinungen veröffentlicht werden. Die Medien sind gekauft, monopolisiert und meist privat. Sie stehen oft auch unter der Kontrolle von Regierungen und Parteien sowie von Leuten, die zum Machtapparat der Politik gehören. Diese Abstimmung war neu, das war vorher noch nicht so einheitlich und noch nicht so koordiniert.
Bei den vorherigen Probeläufen, bei der Vogelgrippe und bei der Schweinegrippe, gab es viel mehr Widerstand. Deshalb sind bei Covid-19 die Menschen so medial bearbeitet worden, unter anderem mit gefälschten und irreführenden Bildern, aus Norditalien oder New York und auch aus England. Da wurden professionelle psychologische Tricks angewandt. Das hat dazu geführt, dass die Leute Angst bekamen. Wenn die Kanzlerin Angela Merkel, die «Mutti», dann sagte «Da hilft nur die die Spritze, sonst werden wir das nicht wieder los. Ihr müsst alle solidarisch sein, denn sonst habt Ihr eure Nachbarn oder Oma auf dem Gewissen.», dann wurde das medial verbreitet.
Das ist massive Propaganda gewesen, die sagte: Wir müssen das tun, das ist was Gutes. Und das hat die Mehrzahl der Leute leider akzeptiert und angenommen. Da waren nur wenige, die dann gesagt haben: Lasst euch nicht vor den Karren spannen, lasst euch nicht belügen, lasst euch nicht täuschen. Das waren viel zu wenig. Und die hatten vor allen Dingen keine Stimme mehr.
Sie haben das ja selber erlebt. Sie haben davor gewarnt. Sie haben frühzeitig auf Ihrer Webseite, auch in Interviews, gesagt: «Bleiben Sie besonnen, die Viren sind kein Problem.» Welche Bilanz dieser Geschichte ziehen Sie, auch hinsichtlich dessen, was Sie selber als Kritiker und Mahner erlebt haben?
Ich habe viele Menschen verloren, mit denen ich vorher zusammengearbeitet habe. Ich habe mit Journalisten und mit Medien früher gut zusammengearbeitet. Als ich bei Transparency war, wurde ich überall eingeladen und habe Vorträge über Korruption im Gesundheitswesen gehalten. Damit war im März 2020 plötzlich Schluss. Transparency habe ich dann aufgegeben. Ich war auch Präsident der Rheuma-Liga in Schleswig-Holstein. Dort haben meine Kollegen mir gesagt: «Wolfgang, wir haben ja toll mit Dir zusammengearbeitet. Aber wenn Du bei uns Präsident bleibst, kriegen wir kein Geld mehr von den Krankenkassen.» Da habe ich gesagt: «Dankeschön, dann kann ich hier wohl nichts Gutes mehr tun.»
Ich habe wirklich tiefe, menschliche Enttäuschungen erlebt. Andererseits habe ich aber Menschen kennengelernt, die unheimlich mutig sind, und wo ich mich sehr gefreut habe, dass ich sie kennenlernen konnte. Viele haben sich offen gezeigt, als sie merkten, sie waren nicht allein. Das hat Spaß gemacht. Deshalb habe ich auch in Mecklenburg-Vorpommern für die Partei dieBasis, das Sammelbecken für die kritische Bewegung, für den Bundestag kandidiert. Ich dachte mir, wenn ich in den Bundestag komme, kann ich kritische Fragen stellen, mal richtig wieder nachhaken und nachbohren, Klartext reden. Da hat man doch mehr Möglichkeiten, etwas zu machen. Das hat aber nicht geklappt. DieBasis hatte da natürlich keine Chance.
Wie kann in so einer vermeintlich aufgeklärten Zeit wie dem 21. Jahrhundert so etwas möglich sein, wie das, was unter dem Label Corona-Pandemie passiert ist, trotz allen Wissens, trotz aller Warnungen, trotz aller Erfahrung mit solchen Dingen? Welche Kräfte haben da die Demokratie ausgehebelt?
Die Pharmaindustrie ist einer der Profiteure. Sie hat sich an der Angstmache beteiligt und behauptet, sie tut etwas für unsere Gesundheit. Das ist wie bei der Rüstungsindustrie, die Kriege anzettelt und uns damit Angst macht, damit sie daran verdient. Das geschieht auch bei der Energiewirtschaft, mit dem Klima. Diese wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche, die ausgesucht werden, um uns Angst zu machen, kriegen dann die Chance, damit viel Geld und Einfluss zu gewinnen. Die Pharmaindustrie ist dafür sehr geeignet, denn Gesundheit betrifft alle.
Es gibt jetzt diese «One Health»-Idee, nach der alles mit Gesundheit zu tun hat. Jeder, der da mitmacht, dem geht es richtig gut, der kriegt Lehr- und Forschungsaufträge, der wird Manager, kann Karriere machen. Die «Young Global Leader» und all die Alumni, die da jetzt großgezogen werden, auf die zählen die Mächtigen dann später. Und wenn diese Machthaber, die Milliardäre, die alles kaufen und diese Korruption des Systems betreiben, dann Posten besetzen, dann können die «Young Global Leader» damit rechnen, Karriere zu machen.
Dr. Wolfgang Wodarg ist dreifacher Facharzt, Epidemiologe, Gesundheitswissenschaftler und Hochschullehrer. Er kämpft seit vielen Jahren gegen Korruption in Wissenschaft, Politik und im Gesundheitswesen. Nach 13 Jahren als Amtsarzt in Schleswig-Holstein war er von 1994 bis 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages und dort Sprecher und Initiator der Enquetekommission «Ethik und Recht der modernen Medizin». Er ist Ehrenmitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, wo er 2009 die Untersuchungen zur Rolle der WHO bei der «Schweinegrippe» initiierte und dann als Experte begleitete. Sein Bestseller «Falsche Pandemien» schildert seine umfangreichen Erfahrungen mit Big Pharma, WHO und korrupten Machenschaften im Gesundheitswesen.
Teil 2 folgt am Sonntag
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