Magnus Drysén erzählt in Malmö seine Geschichte des Friedens. Foto: Sophia-Maria Antonulas
Transition News: Sie leben in der Nähe von Örebro und reisen durch Schweden, um Menschen, die Sie auf der Straße treffen, für Frieden zu gewinnen. Und Sie haben eine Friedenspartei gegründet. Wann sind Sie auf die Idee gekommen, sich für Frieden einzusetzen?
Magnus Drysén: Ich habe die Partei «Pax» vor den jüngsten Wahlen in Schweden gegründet, vor etwa zweieinhalb Jahren, etwa zwei oder drei Wochen vor dem Ausbruch des Ukrainekriegs. Danach war es sehr schwierig, über Frieden zu sprechen – wenn man von Frieden sprach, galt man als Unterstützer von Putin.
Eigentlich hatte ich diese Idee vor etwa 25 Jahren. Aber dann kam das Leben, die Familie und so weiter. Jetzt sind die Kinder erwachsen, meine Frau verstarb vor ein paar Jahren. Und da mich dieser Gedanke im Laufe der Jahre nicht losließ, dachte ich, dass ich noch immer etwas für Frieden tun kann.
Der Grundgedanke ist, dass alle Menschen Frieden wollen. Fast jeder, mit dem ich spreche, will Frieden. Und trotzdem investieren wir so viel Geld in Armeen und Waffen, obwohl das keiner will – Demokratie scheint da nicht zu funktionieren.
Wenn niemand Krieg will, warum bereiten wir uns dann so sehr darauf vor und geben so viel Geld dafür aus? Geld, das für etwas verwendet werden könnte, das der Menschheit nützt. Es wird viel von Umweltproblemen gesprochen. Mit dem ganzen Geld, das man für Militär und Waffen ausgibt, könnte man diese Probleme schnell lösen. Stattdessen stecken wir in der Vorstellung fest, dass es Krieg geben muss, dass Krieg etwas Natürliches wäre. Aber das ist nicht wie mit der Schwerkraft. Krieg ist etwas, das wir verursachen. Und daher können wir Krieg aufhalten.
Krieg ist also eine Wahl?
Ganz genau. Es ist wie eine Geschichte. Wir erzählen die Geschichte des Krieges. Um das zu ändern, müssen wir anfangen, die Geschichte des Friedens zu erzählen. Und da Schweden friedfertig ist – es liegt in einer der friedlichsten Gegenden der Welt – sind wir in einer guten Position, um damit anzufangen. Wir sollten zeigen, dass sich Frieden ausbreiten kann, wenn wir aufhören, uns auf Krieg vorzubereiten und statt Armeen gute Beziehungen zu anderen Ländern aufbauen. Schweden kann den Anfang machen.
Als Kind wurde ich mit der Vorstellung erzogen, dass es immer Kriege geben wird. Also habe ich das auch geglaubt. Aber das ist unlogisch. Daher habe ich angefangen, diese Idee des Friedens zu erzählen.
Wie reagieren die Menschen, wenn Sie mit Ihren Schildern durch die Städte ziehen und Frieden propagieren? Was sagen Sie Ihren Mitbürgern?
Ich beschreibe eine Welt, in der die meisten Menschen in Frieden leben. Krieg ist nur ein Konflikt, den man mit Gewalt zu lösen versucht. Auch im Frieden gibt es immer noch Konflikte, aber man löst diese ohne Gewalt, zum Beispiel durch Diplomatie, indem man miteinander spricht.
Wir haben unterschiedliche Perspektiven und unterschiedliche Erfahrungen. Also sehen wir Dinge unterschiedlich. Aber ein solcher Konflikt muss nicht mit Gewalt gelöst werden. Die meisten Konflikte werden doch auf dem Verhandlungsweg gelöst. Auch vor dem Krieg in der Ukraine fanden diplomatische Gespräche statt und dann wurden diese eingestellt. Der vorherrschende Gedanke ist: Wer am stärksten ist und am besten töten kann, der entscheidet.
Eines Tages, wenn man es leid ist, sich gegenseitig umzubringen, wird man wieder miteinander verhandeln. Es ist also immer das Gespräch, das Probleme löst. Gewalt löst keine Probleme.
Sie sind während des Kalten Krieges aufgewachsen?
Ja, ich werde bald 60 ... Mein Vater war überzeugt, dass – so wie man Kinder nicht dazu bringen kann, sich nicht zu balgen –, es immer Kriege geben wird. Ich habe das auch sehr lange geglaubt.
Wenn ich unterwegs bin und mit Menschen ins Gespräch komme, unterstützen viele Jüngere und Kinder die Idee des Friedens. Wenn ich mit älteren Menschen spreche, bekomme ich zu hören: «Natürlich wollen wir Frieden, aber das ist nicht möglich.» Sie wollen Frieden, aber sie glauben nicht daran.
Die Leute liefern nur Erklärungen dafür, warum es Kriege geben müsse: «So sind wir eben.» «Wir sind Tiere und kämpfen.» «Es wird immer Bösewichte geben.» Es ist, als würden sie die Idee des Krieges unterstützen. Ihre Lösung scheint zu sein, die Bösen zu bekämpfen, indem man noch böser ist und noch mehr Menschen tötet.
Was ist Ihre Antwort auf diese Rechtfertigung von Krieg?
Ich versuche, nicht zu streiten. Für Frieden einzutreten, fühlt sich für mich besser und richtiger an, weil ich eine Geschichte erzähle, an die ich glaube. Aber ich behaupte nicht, dass es richtig ist, ich respektiere andere Anschauungen und erwidere: «Die Vorstellung, dass wir aufhören könnten, uns gegenseitig umzubringen, dass wir all das Geld für etwas Gutes verwenden könnten, inspiriert mich mehr.»
Allerdings scheint in den westlichen Ländern ein großer Prozentsatz der Bevölkerung zu glauben, dass innerhalb der nächsten 50 Jahre eine 70-prozentige Chance für einen Atomkrieg besteht. Das ist beängstigend. Und ich glaube, dass wir diese Geschichte ändern können. Wir können miteinander Frieden schließen.
Was ist Ihre Lösung? Wie schaffen wir Frieden?
Eine Unterscheidung ist für mich sehr wichtig:
Frieden bedeutet nicht, dass es keine Konflikte gibt. Frieden heißt, dass wir Konflikte gewaltfrei lösen. Das ist der entscheidende Punkt.
Heutzutage sagen wir Kindern, wenn sie sich auf dem Schulhof oder wo auch immer streiten, sie sollen damit aufhören und miteinander reden. Dasselbe können wir auch von unseren Politikern verlangen. Gewalt ist keine Option, wenn man mit anderen verhandeln will, man muss die Dinge ausdiskutieren.
Und so ist die Lösung eigentlich sehr einfach. Natürlich ist es nicht einfach, sie zu verwirklichen, das ist mir klar, aber sie ist sehr einfach: Man darf niemals Gewalt anwenden, um ein Problem zu lösen. Denn dabei verlieren alle, es gibt keinen Gewinner, und man bekommt nie eine Lösung, die von Dauer ist.
Aber auch in Schweden gibt es Unternehmen, die mit Waffen und militärischer Ausrüstung Geld verdienen ...
Nehmen Sie zum Beispiel Saab: Es geht nur um Geld. Wenn man mit den Mitarbeitern spricht, sind sie wahrscheinlich nicht für Krieg. Sie wollen Geld verdienen. Das sind kluge Köpfe, die können andere Geschäftsbereiche finden. Schließlich sind es nicht die Leute, die Regenschirme herstellen, die den Regen verursachen. Ich glaube nicht, dass die Waffenindustrie die Kriege verursacht. Die Nachfrage entsteht durch die Menschen, die Politiker wählen, die Waffen kaufen wollen.
Und was halten Sie von Schwedens Kriegsvorbereitungen?
Im Krieg ist derjenige im Recht, der am besten töten kann. Und diese Vorstellung gibt den gewalttätigsten Menschen die Entscheidungsmacht, und ich glaube nicht, dass diese Personen die besten sind, um irgendetwas zu entscheiden. Aber sie sind stark oder gut im Umgang mit Gewalt und gut im Töten. Das ist eine sehr primitive Methode. Aber sich jetzt vorzubereiten und all dieses Geld zu investieren, wie es Schweden tut, weil es in 20 Jahren einen Krieg geben könnte ...
Wir müssen in Frieden investieren. Diplomatie bedeutet, zu reden und zu fragen: Was brauchen Sie? Was brauchen wir? Wie können wir etwas finden, das für beide Seiten funktioniert? So kann man eine gute Lösung finden.
Haben Sie die Partei «Pax» gegründet, um zu zeigen, wie viele Menschen Frieden wollen?
Ja, ich dachte, dass jeder, der Frieden will, einfach für diese Partei stimmen würde. Aber so funktioniert das nicht. Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, eine andere Geschichte zu erzählen und diese Geschichte zu verbreiten:
Wenn alle, die Frieden wollen, das auch sagen und dafür eintreten, akzeptieren wir keine Politiker, die Armeen aufbauen, denn niemand will in den Krieg ziehen. Krieg ist eine überholte Idee, aber es erweist sich als wirklich schwierig, diese Idee loszuwerden.
An den Krieg zu glauben, scheint einfacher, dann kann man Putin, der Regierung und der Rüstungsindustrie die Schuld geben. Die Leute meinen, sie könnten nichts dagegen tun, kriegerische Auseinandersetzungen wären nicht ihre Verantwortung. Aber es liegt alles in unserer Verantwortung. Wir wählen die Politiker. Wir unterstützen so die Idee, all dieses Geld in Waffen und Rüstung zu investieren, mit unseren Entscheidungen, weil wir uns nicht für den Frieden einsetzen.
Ihre Friedenspartei tritt auch bei der EU-Wahl im Juni an. Was erhoffen Sie sich?
Als ich mich für die nationalen Wahlen 2022 registriert habe, galt das automatisch auch für die EU-Wahl. Ich ermutige die Leute, für Frieden zu stimmen. Alles, was sie tun müssen, ist «Pax» auf einen leeren Stimmzettel zu schreiben.
Eine Stimme für meine Friedenspartei ändert nicht direkt etwas. Es geht darum, dem Frieden mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Schweden sollte, anstatt in eine Armee zu investieren, das Geld für etwas anderes verwenden. Das ist das Einzige, wofür «Pax» steht.
Wir müssen damit beginnen, uns für den Frieden einzusetzen. Und wir müssen anfangen, über Frieden zu reden.
Und welche Erfahrungen haben Sie hier in Malmö an den Tagen vor dem Songcontest gemacht?
Das war sehr interessant. Ich war sowohl am Dienstag als auch am Donnerstag vor der Arena und es waren sehr viele Leute da. Ich lief mit meinen Schildern herum und führte Gespräche. Mein Ansatz ist ja ein anderer – es geht oft darum, sich für eine Seite zu entscheiden: Entweder man unterstützt die Palästinenser oder die Israelis. Man zeigt immer mit dem Finger auf andere, es ist ein Spiel mit Schuldzuweisungen. Aber so wird es nie eine Lösung geben.
Am Donnerstag, den 9. Mai, gab es in Malmö eine Demonstration mit 10.000 Menschen. Die Demonstranten denken, dass sie Frieden wollen. Aber irgendwie ist das nicht der Frieden, den ich meine. Sei es in der Ukraine oder in Palästina: Mann muss Probleme lösen, indem man miteinander redet und nicht indem man Soldaten aussendet und sich gegenseitig umbringt. Das wird zu keiner nachhaltigen Lösung führen.
Ist Schweden durch den Beitritt zur NATO weniger friedlich?
Wir waren davor zumindest offiziell neutral. Jetzt haben wir uns für eine Seite entschieden, und das bedeutet, dass wir für das eine und gegen das andere sind. Wir sind dadurch weniger friedlich. Wir sind zur Zielscheibe geworden und haben unsere Fähigkeit verloren, als Mediator aufzutreten.
Aber wir alle können das ändern. Wenn die Leute einfach sagen, wir wollen das nicht, wir wollen keine Armee mehr. Sich auf eine Armee zu verlassen, passt nicht zu einer Demokratie. Das ist genauso widersprüchlich, wie die Idee, für Frieden zu kämpfen.
Die NATO-Mitgliedschaft bedeutet, dass wir zwei Prozent des Bruttonationalprodukts oder etwa zehn Prozent des Staatshaushalts für Waffen und Militär ausgeben müssen. Wenn wir das einfach nicht mehr bezahlen, wird uns die NATO hoffentlich rausschmeißen. Wenn Schweden damit anfängt, wird sich diese Idee möglicherweise verbreiten.
In dieser Welt, in der wir leben, geschehen Veränderungen sehr, sehr schnell. Es sind die Menschen, die die Macht haben.
Das Interview führte Sophia-Maria Antonulas.
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