Über viele Jahrhunderte wurde Seide über die sogenannte Seidenstraße aus China importiert. Mit der Errichtung des Osmanischen Reiches verfiel sie und der Handel zwischen Ost und West kam zum Erliegen. Das war mit ein Grund für Reisen der großen Seefahrer im 15. und 16. Jahrhundert und der Entdeckung des Seeweges nach Indien und der Neuen Welt. Nun wird diese Route unter dem Begriff «Neue Seidenstraße» wiederbelebt.
In den 1970er und 1980er Jahren reisten die Rucksacktouristen mit dem Zug nach Griechenland. Hellas Express hieß die legendäre Bahn. Es handelte sich um einen Zug, der von 1963 bis 1991 zwischen Dortmund und Athen verkehrte. Auf deutschen Fahrplänen befand sich damals der Hinweis: «Dieser Zug ist für Reisende im innerdeutschen Verkehr nicht zu empfehlen. Mit dem gewohnten Komfort und Ausstattung darf nicht gerechnet werden.»
50 Stunden dauerte die Tour. Das erlaubte ein Reisen, bei dem man nicht einfach in zwei Stunden in eine andere Umgebung katapultiert wurde. Der Hellas Express ließ Pausen zu, Begegnungen und die Akklimatisierung an Griechenland. Auch für schmale Portemonnaies: Generationen von Interrail-Touristen verhalf der Hellas Express zum ersten Kontakt mit Hellas. Tempi passati: Die Verwerfungen in Ex-Jugoslawien ließen jeden sinnvollen Bahnverkehr zum Erliegen kommen. Und die «Generation Easyjet» bevorzugt – wie der Name sagt – das schnelle aber wenig abenteuerliche Flugzeug.
Ich gehörte nicht der Hellas-Express-Generation an. Gerade als dieser legendäre Zug 1991 eingestellt wurde, begann ich, nach Griechenland zu reisen. Und nach den Kriegen in Ex-Jugoslawien und der Krise stellte die griechische Bahn die letzten Auslandsverbindungen im Jahr 2011 ein.
Nun gibt es aber noch mehr Hoffnung: Es gibt Pläne, die Linie zwischen Piräus, Belgrad und Budapest komplett zu erneuern und für Geschwindigkeiten von bis zu 200 km/h zu ertüchtigen. Das würde deutlich Reisezeit sparen und der Zug wäre konkurrenzfähig.
Was die Europäische Union mit ihren «transeuropäischen Netzen», von denen längst niemand mehr spricht, nicht schafft, das schaffen unter Umständen die Chinesen in Zusammenarbeit mit Ungarn und Serbien.
Die Linie Belgrad-Novi Sad in Serbien ist bereits in Betrieb, die Strecke Belgrad Budapest befindet sich im Bau. Dieses Projekt muss man im Zusammenhang mit dem chinesischen Plan sehen, den Containerhafen von Piräus zum Umschlagplatz für chinesische Güter in Europa zu machen.
Vor einigen Jahren wollte ich in Griechenland wieder einmal eine Erfolgsgeschichte sehen. Ich fuhr in Piräus die Küste entlang an einigen Fährschiffen vorbei, ich sah alte, still vor sich hin rostende Hafenkräne und Molen, die ihre besten Tage schon gesehen hatten. Kaum ein Schiff verirrte sich hierher. Der Hauptbahnhof von Piräus – längst geschlossen und mit eingeschlagenen Scheiben.
Dann tauchte er am Himmel auf wie eine Fata Morgana – aber es war Realität: Ein nigelnagelneuer Containerhafen mit integriertem Eisenbahnanschluss. Alles neu, alles funktional, und einige Schiffe, die ihre Fracht löschten, obwohl es sich um einen Feiertag handelte. Ich befand mich im Teil des Hafens, für den die chinesische Cosco (Chinese Oversees Shipping Company) eine 35-jährige Konzession hält. Die Schiffe kommen von China nach Griechenland und laden hier die Container auf die Bahn um – und sparen sich den weiten Weg nach Rotterdam oder Hamburg. Piräus besteht nun wieder im Wettbewerb mit Hamburg, Antwerpen und Rotterdam.
In Griechenland ist die Linie an sich bis an die nordmazedonische Grenze ausgebaut, aber der katastrophale Unfall von anfangs 2023 hat Mängel an der Sicherheitsinfrastruktur offenbart. Nordmazedonien steht hingegen noch ganz am Anfang. Die Strecke durch dieses Land ist zwar elektrifiziert, aber verfügt infolge des schlechten Zustandes über viele langsame Fahrstrecken. Über einen Ast von Belgrad Richtung Italien wird zwar gesprochen, aber spruchreif ist er noch nicht.
Der Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Serbien und Ungarn von dieser Woche ist nicht zuletzt vor diesem Hintergrund zu sehen. Er markiert eine wichtige Etappe in den bilateralen Beziehungen zwischen China und diesen beiden Ländern, wovon Ungarn der EU angehört. Xi wurde nicht nur in Belgrad äußerst freundlich empfangen, sondern auch in Budapest mit militärischen Ehren von Staatsoberhaupt Tamás Sulyok begrüßt.
Ministerpräsident Viktor Orbán betonte die enge Freundschaft zwischen den beiden Ländern. Dieser herzliche Empfang für Xi ist nicht zuletzt ein Zeichen der engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und Ungarn. Im vergangenen Jahr war die Volksrepublik der größte Investor in Ungarn, was zeigt, wie stark die wirtschaftlichen Bindungen zwischen den beiden Ländern sind.
In einem Gastbeitrag für die regierungsfreundliche ungarische Zeitung Magyar Nemzet verglich Xi die Freundschaft zwischen China und Ungarn mit dem berühmten Tokajer-Wein, der für seine Weichheit und Reichhaltigkeit bekannt ist. Diese Metapher verdeutliche die Tiefe und Stärke der Beziehungen zwischen den beiden Ländern.
Ein Hauptaugenmerk des Besuchs liegt auf der Intensivierung der wirtschaftlichen Kooperation zwischen China und Ungarn. Die ungarische Regierung plant, mindestens 16 Vereinbarungen zur vertieften Zusammenarbeit in Bereichen wie Schienen- und Straßeninfrastruktur, Atomenergie und Automobilindustrie zu unterzeichnen.
Insbesondere hat Ungarn in den letzten Jahren chinesische Hilfe in Anspruch genommen, um sich als Standort für Fabriken für Batterien und Elektroautos zu etablieren, was einen wichtigen Schritt zur Diversifizierung der Wirtschaft des Landes darstellt.
Trotz der wirtschaftlichen Vorteile dieser Zusammenarbeit gibt es jedoch auch Kritik. Einige EU-Länder sowie ungarische Oppositionspolitiker äußern Bedenken hinsichtlich möglicher Rechtsstaatsdefizite und Umweltschutzverletzungen im Zusammenhang mit chinesischen Investitionen. Diese Kritik zeigt, dass die engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und Ungarn nicht ganz frei von Kontroversen sind – und dass Ungarn möglicherweise vor der Herausforderung steht, einen Ausgleich zwischen seinen wirtschaftlichen Interessen und europäischen Werten zu finden.
In Sache Eisenbahninfrastruktur hätte die EU die Chance gehabt, das Heft in der Hand zu behalten. Allerdings ist auch aus den «transeuropäischen Netzen» nie etwas geworden. Ein Grund war, dass Brüssel Forderungen in anderen Dossiers gestellt hat, die Länder wie Ungarn oder Serbien nicht erfüllen konnten oder wollten. Vielleicht fehlte auch der Wille, mit den Regierungen von Serbien und Ungarn zu kooperieren. Nun haben diese Länder mit ihrem Partner China das Heft selber in die Hand genommen und machen vorwärts.
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