In der Generalversammlung der Vereinten Nationen sollte am Dienstag abschließend über die Konvention zur Cyberkriminalität abgestimmt werden, die seit mehr als zwei Jahren zwischen den Mitgliedstaaten verhandelt wurde. Statt den Entschließungsentwurf im Plenum zu behandeln, wurde die Entscheidung jedoch vertagt, «um dem fünften Ausschuss Zeit für die Prüfung der Auswirkungen des Programms auf den Haushalt zu geben», wie es in der Sitzung hieß.
Das geplante Abkommen soll laut UN die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Cyberkriminalität fördern. Grundlage der Abstimmung sollte der Ausschussbericht mit dem Titel «Bekämpfung der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien zu kriminellen Zwecken» sein. Dieser enthält Empfehlungen, um Verbrechen wie Menschenhandel, terrorismusbezogene Straftaten sowie Drogen- und Waffenhandel wirksamer zu bekämpfen.
Kritiker bemängeln vor allem, dass die Konvention viel zu weit gefasst sei und «schwerwiegende Mängel» aufweise, da sie eine bedeutende rechtliche Unsicherheit einführe. Menschenrechtsorganisationen argumentieren, es gehe mittlerweile fast um alle Arten von Verbrechen, sofern sie nur eine digitale Komponente beinhalten.
Ihrer Ansicht nach ist der Vertrag eine Ausrede für mehr globale Kontrolle. Er sehe weitreichende Befugnisse vor, die es Regierungen ermöglichen könnten, grenzüberschreitende nachrichtendienstliche Erkenntnisse für «innerstaatliche Unterdrückung» zu missbrauchen – zum Beispiel, um gegen politische Dissidenten im Ausland vorzugehen.
Andere «Schutzmaßnahmen» gingen dagegen nicht weit genug, oder vielmehr in die falsche Richtung, argumentieren einige. Speziell neue Regelungen zu Kinderpornografie stoßen auf Unverständnis und Widerstand (wir berichteten). Die Kampagnenorganisation CitizenGo befürchtet, die UN öffne die Tür für Pädophilie.
Es wird erwartet, dass die Schweiz und die meisten EU-Mitgliedstaaten dem Abkommen zustimmen werden. Die Schweizer Verhandlungsdelegation habe sich beim Entwurf der Konvention von Anfang an für den Schutz der Menschenrechte stark gemacht und sei mit dem Ergebnis zufrieden, hört man. Die Schweizer Sektion von Amnesty International sehe das anders und habe zur Ablehnung aufgerufen.
Angesichts der Serie von repressiven Gesetzen und Gesetzesvorschlägen in der EU, aber auch in Großbritannien, den USA und Kanada, die die Privatsphäre und die Bürgerrechte untergraben, hegt Reclaim The Net einen weiteren Verdacht: Möglicherweise diene die Unterstützung des UN-Vertrags über Cyberkriminalität dem Zweck, die eigenen «problematischen» Gesetze besser durchsetzen zu können. Der Schutz der freien Meinungsäußerung habe jedenfalls noch nie ganz oben auf deren Agenda gestanden – ganz im Gegenteil.