Teil 1 der Analyse
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Obwohl nach den Äußerungen von US-Präsident Donald Trump alles dagegen spricht, fordert Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) also immer noch eine aktive Beteiligung der Westeuropäer und der Ukraine an den anstehenden Verhandlungen. Deutschland werde weiter einer der stärksten Unterstützer der Ukraine bleiben, verspricht der deutsche Verteidigungsminister vollmundig, und nichts, was zu verhandeln sei, sollte bereits vorweggenommen werden.
Deutschland werde seine Verteidigungsausgaben weiter steigern, das sei eine langfristige Verpflichtung, «wenn wir auch mal nationale Interessen in den Hintergrund stellen müssen». Denn Russland stelle weiterhin eine Bedrohung dar. Deutschland werde «mehr Verantwortung und Führungsrolle» in Europa übernehmen.
Offensichtlich ist Pistorius der Ansicht, Europa, insbesondere Deutschland, müsse das, was die Biden-Regierung an Ungeheuerlichkeiten hinterlassen hat, nun in eigener Regie übernehmen. Anstatt die Chance zu nutzen, endlich über Frieden zu sprechen, propagiert er Aufrüstung und Aggression. Wie das enden soll und wie seine maßlosen Forderungen und Ansprüche durchzusetzen und zu finanzieren sein sollten, verschweigt Pistorius, aber da ist er nicht der Einzige im Berliner Kabinett.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der schon länger die Realitäten ignoriert, ließ sich in München zu einer unglaublichen Aussage hinreißen: Er sprach sich dafür aus, eine Notlage in Deutschland zu erklären, um der Ukraine weitere Unterstützung zukommen zu lassen:
«Die in der deutschen Verfassung verankerte Schuldenbremse sieht Ausnahmen für Notlagen vor. Ein Krieg mitten in Europa ist eine Notlage.»
Er sei sich sicher, sagte Scholz, dass es nach der Bundestagswahl dafür eine Mehrheit im Deutschen Bundestag geben werde. Die Ukraine müsse auf jeden Fall in die anstehenden Verhandlungen einbezogen werden: «Nichts über die Ukraine ohne die Ukraine!» [5]
Zur AfD erklärte Scholz, sie sei eine Partei, aus deren Reihen heraus der Nationalsozialismus und seine monströsen Verbrechen verharmlost würden. Ein Bekenntnis zum «Nie wieder» sei daher nicht mit der Unterstützung der AfD in Einklang zu bringen.
Deshalb, so Scholz in Bezug auf die Rede von US-Vizepräsident Vance, «werden wir nicht akzeptieren, wenn Außenstehende zugunsten dieser Partei in unsere Demokratie, in unsere Wahlen und in die demokratische Meinungsbildung eingreifen. Das gehört sich nicht, erst recht nicht unter Freunden und Verbündeten. Das weisen wir entschieden zurück. Wie es mit unserer Demokratie weitergeht, das entscheiden wir selbst.»
Auch wenn Scholz zu Recht die Einmischung in innere deutsche Angelegenheiten zurückweist, sind das völlig neue Töne aus Berlin angesichts mangelnder Souveränität. Und auch wieder in München konnte sich Scholz nicht enthalten, Russland – in völliger Verkennung der Situation – verbal anzugreifen. Er behauptete zum wiederholten Mal, der russische Präsident Wladimir Putin habe die zunehmende Eskalation und Globalisierung des Ukraine-Konflikts zu verantworten, und konstatierte:
«Zu dieser Eskalation gehören auch die gefährlichen Aktionen Russlands gegen Staaten der transatlantischen Allianz: Aktive Maßnahmen wie die Sabotage von Unterseekabeln und anderer Infrastruktur, Brandanschläge, Desinformation, Versuche der Manipulation von demokratischen Wahlen.»
Gerade mit diesen unbewiesenen Behauptungen und Zuschreibungen zeigt sich Scholz als Vertreter einer Aggressionspolitik, die er – ebenso wie Pistorius, Merz, Habeck, Baerbock und andere – ohne den US-amerikanischen Rückhalt weiterzuführen gedenkt. Einen «Diktatfrieden» lehne er ab, sagt er, die Ukraine werde weiterhin unterstützt werden, «und zwar solange es nötig ist». Das sei finanziell, materiell und logistisch «eine enorme Herausforderung».
Scholz hat offenbar überhaupt kein Problem mit der Verschleuderung des Geldes der deutschen Bevölkerung, sondern brüstet sich noch damit: Bisher liege die deutsche Unterstützung der Ukraine «in Relation zur Wirtschaftskraft vier Mal so hoch wie die amerikanische». Das sei «effektives Burdensharing unter Bündnispartnern und Freunden», und dabei solle es bleiben.
Die Deutschen seien in der Lage, die Ukraine auf dem «bisherigen hohen Niveau» weiter zu unterstützen. Maßstab müsse die Bedrohung durch Russland sein. Sollte Scholz an der Regierung bleiben, würde also die bisherige ruinöse und hochgefährliche Politik weitergeführt werden.
Allerdings dürfte sich die Lage eher noch verschlechtern, falls der ehemalige BlackRock-Aufsichtsrat Friedrich Merz (CDU), der Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine liefern will, die Regierung übernimmt. Was sich da in Berlin abspielt, ist bei klarem Verstand nicht mehr nachzuvollziehen, und das hat sich während der Münchner Sicherheitskonferenz überdeutlich herauskristallisiert.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), der US-Präsident Trump vor Beginn seiner ersten Amtszeit einen Hassprediger nannte, ging in seiner von englischen Passagen durchsetzten Begrüßungsrede davon aus, dass Wladimir Putin am 22. Februar 2022 «die europäische Sicherheitsordnung in Trümmer riss». Er plädierte für eine starke NATO und für verstärkte Aufrüstung, um «wachsenden Gefahren», die nach seiner Meinung von Russland ausgehen, zu begegnen. [6]
«In jedem Szenario», so Steinmeier, müsse «unsere Unterstützung der Ukraine weitergehen, die der Europäer, aber auch der Amerikaner». Allerdings habe die neue amerikanische Administration «ein anderes Weltbild als wir, eines, das keine Rücksicht nimmt auf etablierte Regeln, auf gewachsene Partnerschaft und Vertrauen». Damit müsse umgegangen werden, aber es sei «nicht im Interesse der Staatengemeinschaft, dass dieses Weltbild das allein dominierende Paradigma wird».
Regellosigkeit dürfe «nicht zum Leitbild für eine neue Ordnung der Welt werden». Steinmeier berief sich auf die Charta der Vereinten Nationen, wobei er geflissentlich übersah, dass der sogenannte Wertewesten diese Charta seit Jahren missachtet hat. Zum Schluss warb er für «die Selbstbehauptung der Demokratie» und für Europa «als global power».
Die Wende
Es sieht danach aus, dass eine echte Politikwende begonnen hat, aber die verantwortlichen westeuropäischen Politiker wie auch die Medienvertreter haben das noch nicht begriffen. Trump erklärte [7] zu seinem Gespräch mit Putin, das sehr «lang und produktiv» gewesen sei:
«Wir sind übereingekommen, sehr eng zusammenzuarbeiten und auch die Nationen des jeweils anderen zu besuchen.»
Nachdem sich die Westeuropäer, allen voran Deutschland, Trump gegenüber feindselig und Russland gegenüber kriegerisch verhalten haben, wird für sie eine solche Kooperation der beiden Supermächte ernste Folgen haben. Will man eine Prognose wagen, werden sie im Schatten einer künftigen Verständigungspolitik ausharren, und die Leidtragenden werden, wie bisher, die betrogenen Menschen sein.
Deutschen Politikern wie Pistorius, Scholz und dem sich ständig einmischenden Frank-Walter Steinmeier ist die Peinlichkeit ihrer Auftritte nicht bewusst. US-Vizepräsident Vance hielt ihnen vor, was im eigenen Land verschleiert und unterdrückt wird, aber das rief lediglich Ausflüchte und hilfloses Gerede hervor. Auch Trotz, und es ist zu hoffen, dass es nicht zu unbedachten aggressiven Handlungen kommt, die in einem europäischen Krieg münden würden.
Jetzt bleibt abzuwarten, wie der Autokrat Trump weiter vorgehen wird. Nicht außer Acht gelassen werden kann, dass er rigorose völkerrechtswidrige Maßnahmen erwägt, zum Beispiel die BRICS-Staaten abstrafen und Kanada, Grönland und Panama annektieren möchte. [8]
Außerdem beabsichtigt er, hohe Einfuhrzölle einzuführen, und er verlangt von den europäischen NATO-Staaten, ihre Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, was ohne erhebliche Einschnitte in die Etats für Soziales, Bildung, Wissenschaft usw. nicht zu leisten wäre. Trotz allem ist jedoch festzustellen, dass insbesondere die außerparlamentarische Opposition in Deutschland, deren Kritik an der Berliner Politik sich in der Rede von Vance wiederfindet, gestärkt worden ist.
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Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner ist Autor zahlreicher Bücher, u.a. «Die Eroberung Europas durch die USA» und «Der neue West-Ost-Konflikt». Kürzlich ist im Verlag zeitgeist sein Buch «Niemand soll hungern, ohne zu frieren» erschienen.