Wer etwas älteren Datums ist, mag sich noch erinnern: an die guten alten Tage der Titanic, in denen sie mit ihren provokanten und gegen den Strich bürstenden Gags und Aktionen noch deutschlandweit für Furore sorgte.
Denken wir zum Beispiel an die Figur Genschman, eine Parodie auf den ehemaligen deutschen Aussenminister Hans-Dietrich Genscher, den das Satiremagazin aus der Taufe gehoben hatte.
Oder nehmen wir die Attacken gegen Heiner Geißler während dessen Zeit als CDU-Generalsekretär. 1984 etwa spottete die Zeitschrift, er enthalte toxische Stoffe wie Lügamid oder Heuchelmonoxid.
Quelle: titanic-magazin.de
Jetzt hingegen steht das Blatt vor dem Aus. Die Zeit schreibt dazu: «Die bekannteste deutsche Satirezeitschrift steht offenbar vor der Insolvenz. Man brauche 5000 neue Abos, sagt ein Herausgeber. Nur so komme man bis Jahresende durch.»
Natürlich ist das Umfeld für Printmedien im Allgemeinen etwa wegen der stärker gewordenen Online- und TV-Konkurrenz schwieriger geworden. Doch es stellt sich die Frage, ob die Titanic nicht auch selbst zumindest eine Teilschuld an ihrer Misere trägt. Mit dem aktuellen Titelbild etwa drischt man auf die AfD ein. Kann man natürlich machen, besonders mutig wirkt es aber nicht. Und so richtig lustig?
Und überhaupt, wenn man sich die Cover der vergangenen Monate anschaut, so vermisst man generell irgendwie den Esprit vergangener Tage. Und auch ist nicht mehr so der Wille erkennbar, wirklich gegen den (politischen) Strich zu bürsten und vielleicht auch mal Themen kritisch (und natürlich faktisch sauber) anzugehen, auch wenn dies vom sogenannt «links-liberalen» Spektrum nicht goutiert werden würde (Corona, 9/11, Geoengineering usw.):
In der Tat, das Blatt scheint «auf Linie» mit den «links-liberalen» Frontmännern der deutschen Comedy-Szene zu sein (wobei der Begriff «links-liberal» mit Vorsicht zu geniessen ist, denn was wirklich links und liberal und links-liberal bedeutet, müsste eigentlich erstmal sauber geklärt werden). Allen voran mit Jan Böhmermann.
Genau von dem wünscht sich das Magazin auch Hilfe. Wie etwa der Spiegel schreibt, «startet das Frankfurter Satiremagazin am kommenden Montag eine Rettungskampagne, auf Social Media und mit Zeitungsanzeigen – mit Fürsprechern wie Komiker Jan Böhmermann».
Doch welche Satiresubstanz hat Böhmermann in Wahrheit? Was würde passieren, wenn er in Gänze auf dem freien Markt aktiv sein müsste und seine Giftpfeile nicht von einem gemütlichen und finanziell üppigen öffentlich-rechtlichen Polster aus abschiessen könnte?
Die Zeitung die Welt hat sich in diesem Zusammenhang aktuell in einem Beitrag über eine Ikone der amerikanischen Comedy-Szene wie folgt geäussert:
«Der US-Comedian Bill Burr gilt als Lehrmeister seiner Zunft. Nun ist er das zweite Mal in Deutschland aufgetreten und witzelte über eine Doppelmoral beim Thema Vergewaltigung und sein deutsches Publikum. Sein Auftritt zeigt, woran Komiker wie Jan Böhmermann scheitern.
Vielleicht ist es das Bedürfnis nach leichtgängigem handwerklich perfektem Humor, der tausende Zuschauer trotz deftiger Eintrittspreise zu den Gigs der amerikanischen Comedy-Ikonen treibt. Denn genau diese Leichtgängigkeit fehlt in Deutschland, wo Vulgärhumor und öffentlich-rechtlich geförderte Diskurs-Prediger sich in Langeweile und Vorhersehbarkeit überbieten. Vor allem Vertreter der zweitgenannten Comedy-Richtung sonnen sich in ihrer Tendenz zur Eindeutigkeit. Böhmermann ist für woke Clara-Sophies da, Dieter Nuhr für Boomer-Väter.
Dagegen ist Bill Burrs rauer, ambivalenter Humor eine wohltuende Abwechslung.»
Zwei Jahre zuvor las man in derselben Zeitung:
«Die Nachfrage nach guter Unterhaltung ist gigantisch, doch die vermeintlichen Spitzenkräfte des deutschen Humors [wie Jan Böhmermann] sind so unlustig wie noch nie.»
Wer da mitgeht, dürfte sich fragen, wieso Otto und Harald Schmidt, in gewisser Weise Altstars der deutschen Comedy-Branche, «von woken Minderheiten zensiert werden», wie etwa der Merkur es ausdrückte.
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