Wie konnte es dazu kommen, dass aus dem Konflikt in und um die Ukraine vor einem Jahr ein Krieg wurde? Das ist eine der Fragen, die die Autoren des Sammelbandes «Ein willkommener Krieg? Nato, Russland und die Ukraine» beschäftigt. Herausgeber sind die Journalistin Christiane Reymann und der langjährige Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke.
Die gefundenen Antworten sind auch ein Jahr nach dem Erscheinen gültig. «Die Lüge verhindert den Frieden», macht der ehemalige SPD- und Linksparteipolitiker Oskar Lafontaine im Vorwort klar. Und er fragt:
«Wann endlich begreifen die Europäer, dass die USA in Europa nur ihre Interessen vertreten und diese den Interessen Europas diametral entgegenstehen?»
Die beiden Herausgeber schreiben in ihrem Beitrag über die «Zeitenwende» in der Bundesrepublik unter anderem: «Dies ist nicht mehr unser Land.» Und:
«Wir leben jetzt in einem Land, das sich in seiner aktuellen Verfasstheit nicht als friedensfördernd erweist, und dass den Kompass zu gemeinsamer Sicherheit verloren hat: Die Interessen des Gegenübers mitzudenken.»
Reymann und Gehrcke stellen fest, dass die «Zeitenwende» aber nicht nur in der Aussenpolitik vollzogen wurde, «sondern auch innenpolitisch im Verhältnis der Klassen und Schichten zueinander». Diese Veränderungen hätten aber anders als offiziell behauptet ihre Ursache nicht im Krieg in der Ukraine.
Und selbst die Rüstungsprogramme in Höhe von 100 Milliarden Euro seien bereits zuvor beschlossen worden, zitieren sie die Linkspartei-Haushaltsexpertin Gesine Lötzsch. Was die beiden Herausgeber beschreiben, zeugt aus ihrer Sicht von einer «Militarisierung des Staates: Über Waffenlieferungen und die Ausbildung ukrainischer Soldaten ist Deutschland Kriegspartei geworden».
Der Konflikt in und um die Ukraine sei «Alibi und erster bewaffneter Schlagabtausch» in der globalen Auseinandersetzung um eine neue Weltordnung «mit Russland und China im Fokus», schreibt der Soziologe John Neelsen in seinem Beitrag. Er sieht als Ursache und Rahmengeschehen, dass die 500-jährige Geschichte des Westens zu Ende geht.
Die Ukraine sei selbst «nur Opfer und Schlachtfeld» des Krieges des Westens gegen Russland, so Neelsen. Zu den insgesamt 17 Beiträgen zu verschiedenen Aspekten des Konfliktes gehört die Analyse des Filmemachers Ekkehard Sieker über den «Kampf um die Köpfe für den Krieg».
Er weiss aus eigenem Erleben, wie schwer es kritischer und aufklärerischer Journalismus hat. Das ist auch eine Folge der immer weiter in die Köpfe eindringenden Propaganda.
«Menschen mit Informationen kriegsbereit stimmen, das kann mit professionell eingesetzter «Strategischer Kommunikation» durch jede Kriegs- und Konfliktpartei angestrebt und oft auch erreicht werden.»
Sieker beschreibt neben der Rolle der Medien dabei auch die der Nichtregierungsorganisationen (NGO), die ebenfalls in das Konzept der «Strategischen Kommunikation» eingebunden seien. Der Autor fordert einen kritischen und aufklärerischen Journalismus ein, um der Kriegspropaganda etwas entgegensetzen zu können.
Buchtipp: Wolfgang Gehrcke / Christiane Reymann (Hg.): «Ein willkommener Krieg?»
PapyRossa Verlag, Köln 2022. 231 Seiten; ISBN 978-3-89438-801-0; 14,90 Euro
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