Deutschland will mehr Munition für die Ukraine produzieren und liefern. Dazu baut der Rüstungskonzern Rheinmetall eine neue Fabrik in Unterlüß in der Lüneburger Heide. Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius, beide SPD, waren Meldungen zufolge am Montag beim Spatenstich dabei.
Demnach will das Unternehmen mit der neuen Munitionsfabrik insbesondere die Produktion von 155-Millimeter-Artilleriegeschossen auf insgesamt 700’000 Stück pro Jahr ausweiten. Unterlüß gilt als der grösste Produktionsstandort des Rüstungskonzerns. Zu dessen grössten Aktionären zählen eigenen Angaben zufolge sogenannte institutionelle Anleger wie BlackRock (USA), Wellington Management Group (USA), The Goldman Sachs Group (USA), The Capital Group (USA) und FMR LLC (USA) mit Anteilen zwischen jeweils um die vier bis fünf Prozent.
Laut dem aussenpolitischen Informationsdienst German Foreign Policy (GFP) schätzen Experten den Munitionsbedarf der Ukraine allein beim NATO-Standardkaliber 155 auf 1,8 Millionen Geschosse pro Jahr. Danach benötigen die ukrainischen Truppen 5000 Standardgeschosse pro Tag im Krieg gegen Russland.
Die westlichen Lieferungen würden bisher nicht ausreichen, um den ukrainischen Bedarf zu decken, was durch eventuell ausfallende US-Lieferungen noch verschärft werde. Die EU hatte Kiew laut GFP im März 2023 eine Million Geschosse innerhalb eines Jahres versprochen. Das wird Medienberichten zufolge aber erst bis Ende 2024 erreicht werden, nachdem bis Ende 2023 nur rund 300’000 Geschosse übergeben worden seien.
«Zum Hochfahren der Munitionsproduktion trägt massgeblich Rheinmetall bei, der grösste Hersteller der Standardgeschosse in Europa», so der Informationsdienst in einem am Montag veröffentlichten Beitrag. Konzernchef Armin Papperger erklärte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dieses Jahr werde der Ausstoss auf insgesamt 450’000 bis 500’000 Geschosse gesteigert, im nächsten Jahr auf 700’000.
Granaten statt Diplomaten
Um den Kiewer Bedarf zu decken, wollen laut GFP Berliner Politiker sämtliche Munitionsexporte in andere Länder stoppen und in die Ukraine umleiten. Zudem sollen Geschosse bei der US-Rüstungsindustrie gekauft werden, wenn der US-Kongress die Gelder dafür nicht freigeben will.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, schlug vor, «Munitionskäufe in den USA und in anderen Nicht-EU-Ländern zu finanzieren», wie unter anderem der Sender n-tv berichtete. Demnach machten Politiker von CDU, Grünen und FDP ähnliche Vorschläge.
Zur Finanzierung schlägt Roth den Berichten zufolge für die EU eine «gemeinsame Schuldenaufnahme nach dem Vorbild des Corona-Wiederaufbaufonds». Damit soll die EU-Rüstungsproduktion noch schneller hochgefahren und die Finanzierung der Ukraine langfristig «gesichert» werden.
Unterdessen hat der Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer kürzlich den neuen ukrainischen Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj besucht und auch über die Waffenlieferungen gesprochen. Die Einladung sei noch vom vorherigen Kiewer Armeechef Walerij Saluschnyj gekommen, der vor wenigen Tagen von Präsident Wolodymyr Selenskyj gegen Syrskyj ausgetauscht wurde, heisst es.
GFP macht darauf aufmerksam, dass der neue Kiewer Oberbefehlshaber Berichten zufolge bei den ukrainischen Truppen unbeliebt sei. «Demnach ist der General dafür berüchtigt, seine Soldaten rücksichtslos in hoher Zahl in den sicheren Tod zu schicken; als Beispiel werden regelmässig die Kämpfe um Bachmut genannt», so der Informationsdienst. Syrskyj habe sich damit den Beinamen «Schlächter» erworben, heisst es unter Verweis auf einen Beitrag im US-Magazin Politico.
«Der neue Oberbefehlshaber liebt Fleisch», zitierte die britische Zeitung The Times einen Offizier des militärischen Nachrichtendienstes der Ukraine. Der habe sich dabei auf die «Fleischwolf»-Schlachten von Bakhmut und Robotyne bezogen, die der in Russland geborene Syrskyj auf ukrainischer Seite befehligte. GFP verwies auf Aussagen ukrainischer Militärs auf Internet-Plattformen zum Personalwechsel wie: «Wir sind erledigt.»
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