Wie gefährlich ist Daniele Ganser mit seinen Angeboten, über Machtverhältnisse und -strukturen aufzuklären? Diese Frage tauchte bei einigen auf, die am Sonntag zu seinem Vortrag in der Stadthalle von Falkensee bei Berlin kamen. Der Grund: Vor der Halle standen mindestens ein Dutzend Einsatzwagen der Bereitschaftspolizei.
Aber die Polizisten schützten die Veranstaltung eher vor der kleinen Gruppe selbsternannter Antifaschisten und einigen SPD-Mitgliedern. Die mühten sich vor der Halle ab, vor «Verschwörungstheorien» und «Rechtsextremen» zu warnen, riefen «Ganser raus!», und hielten ein Transparent hoch mit der Aufschrift: «Falkensee zeigt Haltung!» Wer zum Ganser-Vortrag kam, liess sich davon aber wenig beeindrucken und hatte höchstens ein Kopfschütteln übrig.
Die etwa 800 Menschen, die zur zweiten Veranstaltung am Abend kamen – eine erste gab es zuvor am frühen Nachmittag –, empfingen den Schweizer Historiker und Friedensforscher dafür mit viel Beifall, als er die Bühne betrat. Thema des Abends war: «Kann man den Medien vertrauen?» Und gleich zu Beginn warnte er seine Zuhörer vor blindem Vertrauen in die Medien und in die Politik.
Alles zu glauben, was beispielsweise die Tagesschau der ARD meldet, das führe zu «betreutem Denken», stellte Ganser klar – und empfahl, auch ihm nicht alles blind zu glauben. «DIE Medien, das gibt es nicht» betonte er. «Es gibt ganz verschiedene Journalisten und einige sind gut und andere sind schlecht.» Bei der Frage des Vertrauens müsse auf einzelne Fallbeispiele geschaut werden, darauf, was da stimme und was nicht.
Mediale Täuschung
Der Historiker brachte eine ganze Reihe von Beispielen, die belegen, dass die etablierten Medien ihre Leser, Zuschauer und Zuhörer täuschen. Diese reichten von manipulierten Bildern im Fall von Prinzessin Diana, beim Terroranschlag im ägyptischen Luxor mit über 60 Toten, über gestellte Fotos einer Demonstration mit vielen Regierungschefs nach den Terroranschlägen in Paris 2015, bis hin zum verschwiegenen Einsturz des Gebäudes WTC 7 am 11. September 2001, sowie falschen Bildern in der Corona-Pandemie und nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 22. Februar 2022.
Immer war das Fazit: «Die Zuschauer wurden getäuscht.» Und auch: «Die Rolle der Medien während Corona ist noch nicht aufgearbeitet.» Ganser beschrieb die Methoden und Gründe dafür, aber auch, warum gutgläubige Menschen dennoch den etablierten Medien vertrauen. Das werde gezielt ausgenutzt, um sie im Sinne der Regierungen in die von diesen gewünschte Richtung zu lenken. Ganser beschrieb die Fallbeispiele lakonisch und ironisch und sorgte mit seiner unterhaltsamen Art immer wieder für Lacher im Publikum.
Er ging nicht nur darauf ein, wie mit Bildern getäuscht und manipuliert wird, sondern auch mit Worten. Dies geschehe auch dadurch, dass Informationen aus den Zusammenhängen der Ereignisse gerissen würden. Es werde kein Kontext hergestellt. Als Beispiel nannte er unter anderem den russischen Einmarsch in die Ukraine, bei dessen Beschreibung die etablierten Medien die Vorgeschichte, einschliesslich des US-geförderten Putsches im Februar 2014 in Kiew, wegliessen.
Ebenso warf er einen kritischen Blick auf die Rolle von Plattformen wie Youtube, Facebook, TikTok und anderen. Diese würden mit kurzen Texten und Bildern kaum Informationen liefern, dafür aber Gefühle wecken. Das geschehe aber auch in etablierten Medien. Dass mit Bildern gezielt Gefühle angesprochen werden, zeigte er anhand von Bildern aus Bergamo und New York zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 – «und diese Gefühle werden auch genutzt, um Politik zu machen».
Dauerhafte Angstmache
Es werde von Politik und Medien permanent Angst erzeugt, stellte Ganser fest. Das habe mit dem 11. September 2001 begonnen und werde bis heute mit der Angst vor einem Weltkrieg infolge des Krieges in Palästina fortgesetzt. Von der Terrorangst über die Angst vor Corona und die Angst vor den Russen durch den Ukraine-Konflikt und jetzt die Angst vor dem Dritten Weltkrieg im Nahen Osten. Der Mensch habe keine Pause vor lauter geschürter Angst.
Dr. Daniele Ganser am 22. Oktober bei seinem zweiten Vortrag in Falkensee bei Berlin (Foto: Tilo Gräser)
«Die Ängste wechseln sehr schnell», so der Historiker, der hinzufügte: «Aber es ist für die Menschen nicht gesund.» Das geschehe auch hier durch das Weglassen des Kontextes, machte er an Beispielen aus der Corona-Pandemie deutlich. Und es habe Folgen für die Gesellschaft, die gespalten werde, was er an einem persönlichen Beispiel aus dem eigenen Freundeskreis schilderte.
Ganser nannte auch Beispiele für gute Journalisten, die ihrer gesellschaftlichen Aufgabe gerecht wurden und werden. Dazu zählt er Peter Scholl-Latour, Michael Lüders, Gabriele Krone-Schmalz und Paul Schreyer. Er empfahl in dem Zusammenhang, sich immer genau anzuschauen, wer die Verfasser von Beiträgen in den Medien sind, und ob sie als solche vertrauenswürdig sind.
Überfordernde Informationsgesellschaft
Ebenso empfahl er gleich zu Beginn seines Vortrages:
«Man sollte den Medien nicht blind glauben, sondern man sollte sich etwas anhören und dann die Gegenstimme anhören.»
Jeder habe seine Perspektive – «und da muss man immer wissen, was ist seine Perspektive». Gegen Ende seines Vortrages verwies er auf den «Medien-Navigator» der Gruppe Swiss Policy Research. Dieser helfe, 80 etablierte und alternative Medien in ihren politischen Ausrichtungen einzuordnen.
Eine solche Übersicht sei hilfreich, um das «betreute Denken zu destabilisieren», sagte Ganser, der dazu auch eine «Mediendiät» empfahl: «kein Fernseher, kein Laptop, kein Smartphone» für eine gewisse Zeit. Niemand müsse jeden Tag über alle Katastrophen der Welt Bescheid wissen. Die Menschen würden die Flut an Informationen und Nachrichten gar nicht verarbeiten können.
«Wir sind in einer sehr, sehr hoch und schnell getakteten Informationsgesellschaft. Dafür sind wir nicht trainiert als Mensch.»
Der Historiker warnte vor den Folgen dieser Reizüberflutung und empfahl, bewusst auszuwählen, welche Informationen man aufnehmen wolle. Ausserdem sprach er sich dafür aus, digitale Auszeiten mit Bewegung an der frischen Luft, Sport, reale Gespräche mit Freunden oder die Beschäftigung mit anderen Dingen zu nutzen. Die Sinne bräuchten, ebenso wie die Muskeln, immer wieder auch Entspannung.
Reaktionen im Publikum
Für Ilona, Rentnerin aus Berlin, war die Veranstaltung ein Gewinn, obwohl sie sich zuvor bereits einige Vorträge von Ganser als Video angesehen hatte. Sie sei auf den Schweizer Historiker aufmerksam geworden, als sie sich in Folge des Ukraine-Krieges auf die Suche nach Informationen dazu machte, berichtete sie im Gespräch. Durch Ganser und andere habe sie sich ein anderes Bild von den Ereignissen machen können und auch «wieder ein bisschen Ruhe» gefunden.
«Ich bin ein friedliebender Mensch. Ich bin Oma, ich bin Mutter. Ich möchte, dass meine Enkelkinder genauso in Frieden leben.»
Sie findet Gansers Art gut, die Dinge und Zusammenhänge zu erklären:
«Wenn ich so einen Geschichtslehrer gehabt hätte, wäre ich in Geschichte viel besser gewesen. Aber ich bin dadurch auch viel neugieriger geworden auf Geschichte, auf Zusammenhänge.»
Zu den Zuhörern gehörte auch Falco Hartmann, der mit der «Friedensbrücke Kriegsopferhilfe» seit etwa neun Jahren Hilfstransporte in die Ostukraine organisiert. Für ihn sei wichtig, «dass die Menschen auch mal eine andere Perspektive kriegen, auch mal eine andere Stimme hören», sagte er vor der Veranstaltung, «ob das immer die Wahrheit ist oder nicht. Aber man sollte wirklich sich alle Seiten auch mal anhören und nicht immer nur alles niederschmettern und niederschlagen.»
Sichten von Journalisten
In Falkensee war auch ein Redakteur des Online-Magazins T-online anwesend, das Ganser regelmässig als «Verschwörungstheoretiker» diffamiert und auch als «gefährlich» bezeichnet. Er habe schon mehrmals über den Historiker geschrieben, verriet er im Gespräch, sei aber das erste Mal live bei einem Vortrag dabei. Er widerspreche Ganser inhaltlich in allen Punkten, so der studierte, aber «nicht religiöse» Islam- und Religionswissenschaftler, finde aber dessen Art interessant. Das sei wie eine «Einstiegsdroge in Verschwörungstheorien», meinte er noch.
Anders sehen das zwei ehemalige Mitarbeiter aus dem Fernsehbereich. Einer der beiden, die anonym bleiben wollen, sagte in der Pause:
«Durch das Thema Corona ist mir aufgefallen, dass Medien wirklich teilweise gleichgeschaltet werden und danach habe ich mich gefragt: Okay, wenn es bei Corona so war, wo war es denn noch so?»
Er habe auf der Plattform Youtube Vorträge von Ganser angehört und habe begriffen, wie Kriege mit Lügen begonnen werden und welche Rolle die Medien dabei spielen.
Anfangs habe er als Mitarbeiter eines Senders die Medien und die Journalisten noch bewundert. Doch spätestens mit der Corona-Krise sei ihm klar geworden, dass die Medien nicht berichteten was ist, sondern was sein soll. Das habe er persönlich bei den Demonstrationen gegen die Corona-Politik erlebt, so am 1. August 2020 in Berlin.
«Eine komplett friedliche Veranstaltung wurde so dargestellt, als wären da die Monster unterwegs gewesen, wären randalierend durch die Strassen gegangen. Und die Politiker haben im gleichen Chor mitgesungen.»
Seiner Kollegin wurde am Ende gar gekündigt, weil sie redaktionsintern der offiziellen Darstellung der Corona-Krise widersprach, wie sie im Gespräch berichtete. Beide sind aus dem Medienbetrieb endgültig ausgestiegen, sagten sie in Falkensee, und wollen auch nicht mehr zurück. Sie haben neue Berufe erlernt und versuchen, sich selber treu zu bleiben und sich nicht mehr für andere zu verbiegen.
Anregung zum Nachdenken
Nicht das erste Mal bei einem Vortrag von Ganser war Daniel aus Brandenburg. Der 34-Jährige hatte den Historiker schon in Hannover bei einem Vortrag zum Ukraine-Krieg erlebt. Er finde die Veranstaltungen inspirierend und zum Nachdenken anregend, sagte er danach in Falkensee.
«Durch Daniele Ganser hat man einfach noch mal eine andere Sichtweise, wie man das anders sehen könnte, oder wie man halt einen anderen Blickpunkt einnehmen kann.»
Der junge Mann bedauerte, dass jemand wie Ganser als «Verschwörungstheoretiker» diffamiert wird. Das sei «leider normal geworden, dass man nicht mehr verschiedene Meinungen haben darf». Die Demonstranten gegen solche Veranstaltungen würden keine andere Meinung zulassen. Er habe an dem Abend in der Stadthalle von Falkensee keine «Verschwörungstheorien» gehört. Er vermisse die Freiheit, andere Meinungen und Sichtweisen haben und diese äussern zu können.
Zurück zur Ausgangsfrage: Daniele Ganser scheint den Mächtigen und ihren politischen und medialen Helfershelfern gefährlich geworden zu sein. Deshalb haben sie Kampagnen gegen ihn lanciert und ihn diffamiert. Dabei ruft er die Menschen, die ihm zuhören, nicht zur Revolte auf. Er sagt ihnen stattdessen was ist, während gerade die etablierten Medien das nicht mehr tun. Und er regt die Menschen an, selber zu denken. Das scheint heutzutage schon sehr gefährlich zu sein.
aktualisiert um genaue Teilnehmerzahl am 25.10.23; 11:45
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