Man kann auch einem Nicht-Fake aufsitzen. Das war mir am gestrigen Freitag passiert. Aus zwei verschiedenen Quellen war ich auf ein gar so schlichtes Video-Schnipsel gestoßen. In bester Betroffenheitsmiene lästert eine halbjugendliche Frau über Menschen, die ihren christlichen Glauben bekennen.
«Das glaub ich nicht gleich. Bevor ich das kommentiere und weitertrage, muss ich erst wissen, ob das stimmt.» Kurz darauf war klar: Es stimmt; der Beitrag ist echt, «original Tagesschau», und jene Dame existiert auch in der realen Welt. Hilft nix: Wissen schlägt auch hier Nichtglauben.
Was haben die Dame und ihr Auftritt denn zu bieten, wenn man sich ihnen denn doch rational nähern möchte? Den Hinweis, dass einige Fußballprofis ihren Glauben «ganz offen» mit ihrer Kleidung dokumentieren und auch auf junge Leute zugehen. Was man sich dabei denken soll? Dass die dort ganz böse missionieren und ihr gefährliches «ultrakonservatives Weltbild» verbreiten könnten.
Mädchen, Mädchen, wenn du keine anderen Probleme hast! Trotzdem hast du es nun bis hinein in mein Wort zum Sonntag geschafft. Einfach, weil dein Gebaren viel mehr erhellt als du denkst. Es zeigt mir, wie mediale Ablenkung funktioniert: Man erkennt ein echtes Problem, abstrahiert daraus ein Oberthema und appliziert dieses auf eine unechte, aber leichter handhabbare Ebene:
Gewalt durch Islamisten hat sich zu einem großen Problem entwickelt. Davon handelte zum Beispiel das letzte Wort zum Sonntag. Dieses eigentliche Thema kann man aber galant umschiffen, indem man es allgemein auf öffentlich gezeigten Glauben umleitet. Die Belege dafür liefern dann natürlich nicht jene Untaten nahöstlicher Prägung, sondern weichere Ziele wie christliche Bekenner.
Entlarvend sind hier die Beispiele für das «ultrakonservative Weltbild»: gegen Homosexuelle, für eine Abwertung von Frauen, Angstmache vor der Hölle − alles Bereiche, die heute eher von jener anderer Seite abgedeckt werden. Gewürzt mit je einer Prise Freigeist und Fürsorge und garniert mit süßlicher Betroffenheit und gut einstudierter Mimik, wird daraus ein Aufklärungsvideo, das alles Zeug hat für ein Monument des Zeitgeistes anno 2025.
Der ist recht einfach zu umschreiben: Illusion schlägt Realität, Suggestion schlägt Argumentation, Gefühl schlägt Ratio, Verleumdung trimphiert über Gespräch, Warnung über Einsicht, und so verdrängt der Stolz auf die eigene Gesinnung das Bewusstsein von ehrlicher Verantwortung fürs Ganze.
Drei Dinge erleichtern heutigen Schau-Spielern diese − nein, nicht Selbstverleugung, sondern Selbstdarstellung: wenn man bereits mit gut einstudierten geistigen Reflexen antritt, wenn reichhaltiger Applaus der eigenen Klientel zu erwarten ist und wenn die öffentlich-rechtliche Bezahlung stimmt. Das gilt über jenes Pamphletchen hinaus.
Wer sich an solchem Treiben beteiligt, verrät mehr als sein journalistisches Ethos. Er hilft mit, von den drängenden Problemen der Zeit abzulenken, und leistet ihnen sogar Vorschub. Er zerrüttet die Gesellschaft, wenn er Mitläufer sucht für seine eigene Gesinnung statt Mitträger von allgemeiner Freiheit und Verantwortung.
«Sie wollen die Gesellschaft spalten, und sie wissen: Wenn ihnen das gelingt, fällt sie ganz von allein in sich zusammen», schreibt Zana Ramadani über die Islamisten. Marxisten gehen genauso vor. Beide beherrschen sie «die Methode, Hass zu verbreiten, statt über Differenzen zu sprechen» (Die verschleierte Gefahr, Seiten 137 und 187).
Ideologische Bande gilt es also zu kappen, denn «gerade junge Menschen könnten dadurch beeinflusst werden», warnt jene Frau Weber mit sorgenbeladener Miene. Und unterstreicht damit nur den Rat den Paulus an seinen jugendlichen Mitarbeiter Timotheus:
«Du aber bleibe bei dem, was du gelernt hast und was dir anvertraut ist; du weißt ja, von wem du gelernt hast.» 2. Timotheusbrief 3,14
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Wort zum Sonntag vom 25. Mai 2025: Was ist deine Religion?
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf. Sein Telegram-Kanal lautet StimmeundWort.
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