Machen wir es kurz, aber hören wir umso genauer hin − «was der Geist den Gemeinden sagt» und vielleicht auch uns, seinen heutigen Zuhörern:
Sieben sogenannte Sendschreiben sind es, die Johannes in den ersten drei Kapiteln seiner Offenbarung an die «Engel der Gemeinden» auszurichten hat. Jede von ihnen hat ihre guten Anfänge gehabt, und jede ist inzwischen irgendwo steckengeblieben. Spannungen von außen und Ungeklärtes von innen haben sie müde gemacht, träge, nachlässig, unaufmerksam. Jede Gemeinde hat eine Zurecht-Weisung nötig. Wer also «Ohren hat, der höre».
Der Gemeinde in Sardes beispielsweise, einer damaligen Provinz-Hauptstadt im Westen der heutigen Türkei, wird vorgehalten, sie würde nur dem Schein nach leben, aber eigentlich sei sie bereits ein absterbender Ast.
Es war exakt dieser Aspekt, der mich vor gut einer Woche zu diesen Worten geführt hatte. Soviel Scheinleben um einen herum, Betriebsamkeit aus bösem oder auch gutem Willen − aber unfruchtbar das eine wie das andere. Wer erreicht denn noch eingefleischte Vakzinisten, masochistische Buntjubler oder neugeistig Verstörte in ihrem inneren Warn-Dreieck aus Panik, Kriegslust und Lethargie?
Umso wichtiger sei es, den schmerzlich wachen Rest von echten Zeit-Genossen zu ermutigen und sich von ihnen ermutigen zu lassen, war ein Tenor aus mehreren Gesprächen. Und dieser Tenor findet sich wörtlich in eben jenem Mahnschreiben. In der weitverbreiteten Einheits-Übersetzung klingt das so:
«Werde wach und stärke, was noch übrig ist, was schon im Sterben lag!» Offenbarung 3, Vers 2
Aber wie so oft gibt es bei den Bibelstellen, die einem am vertrautesten klingen, am meisten zu entdecken. Nicht, dass die eben zitierte Version falsch wäre; aber es steckt deutlich mehr drin.
- Wachwerden ist hier kein punktuelles Ereignis, sondern der neue Zustand: «Werde ein Aufgewachter.»
- Das Stärken ist ein Festmachen; keine bloß momentane Kraftzufuhr, sondern eine neue Verankerung.
- «Was noch übrig ist», das ist mehr als ein zufälliger Restbestand. Es ist das «Nochvorhandene» (Luther-Übersetzung), das Noch-nicht-Eingelöste.
- Dieser gute Teil droht weiterhin ganz unterzugehen, völlig «wegzusterben». Die Gefahr ist noch nicht gebannt.
Darum:
«Nachdem du aufgewacht bist, mache fest, was noch vorhanden ist und sonst wegsterben würde.»
Doch warum war es überhaupt so weit gekommen? Weil «deine Werke unerfüllt geblieben sind in den Augen Gottes», wie es im zweiten Teil dieses Verses heißt. Wachwerden ist also − entgegen unserem heutigen Wortgebrauch − mehr als ein bloßes Erkennen von Zusammenhängen; es ist ein Tun dessen, was noch aussteht und jetzt ansteht.
Und was genau steht an? Was man zu Beginn «empfangen und gehört» hat (Offb 3,3). Für den Gläubigen ist es eine konkrete Berufung; allgemein etwas, was und worin man einmal aufgelebt war. Da war Richtung ins Denken und Fühlen und Leben eingezogen. Aber nach und nach ist dann die Luft ausgegangen, und man hat nur noch irgendwie weitergemacht.
Das ist dann jenes «Du hast den Namen, dass du lebst, aber du bist tot». Selber unbefriedigt − und «in den Augen Gottes», von außen betrachtet, so gut wie tot, einfach «nicht mit deinem Leben verbunden» (Offb 3,1).
Was war das, was einmal da war und gebrannt hatte und was wohl wieder brennen würde, wenn man dem erneut Raum gäbe, bei einem selber und bei anderen? Offenbar etwas, was schmerzlich unerfüllt geblieben ist. Die Brache ist das noch unbestellte Feld. Dem nachgehen, wieder daran anknüpfen, den heilsamen Schrecken über die eigene Dürre zulassen, das meint das Wort vom Bußetun:
«So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte es fest und tue Buße!» (Offb 3,4)
Vom müden Scheinleben habe ich am Anfang geschrieben. Wie kann man das hinter sich lassen? Indem man sich darüber Rechenschaft gibt, «wo‘s einem in der Vergangenheit gelebt hatte» sozusagen: über einen direkten Zuspruch von Berufung oder durch eine indirekte Widerfahrnis von Aufleben. Die Alternative dazu kann keiner wollen: dass einem das Leben noch vollends entgleitet, hier und dann.
Das «Buch des Lebens» ist dem Strom des Vergessens und Vergessenwerdens vorzuziehen.
*************
Wort zum Sonntag vom 9. März 2025: Gute dürfen Schlechtes tun?
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf. Sein Telegram-Kanal lautet StimmeundWort.
Kommentare