Wer selber nicht den Mut zur Wahrhaftigkeit hat, den verrät seine Sprache. Je geschmeidiger sie daherkommt, desto skeptischer ist ihrem Sprecher oder Schreiber zu begegnen. Wenn linksextreme Politiker einen «Beratungskompass» propagieren, ist davon auszugehen, dass er nur deren eigene Verwirrtheit unters Volk bringt.
Liebe Menschen in der neueröffneten Beratungsstelle würden, wie es heißt, in einem «vertraulichen Erstgespräch» weiterhelfen, wenn «Verschwörungserzählungen (…) auch Familien, Freunde und Kollegen belasten». Wer sie in Anspruch nimmt, trägt dazu bei, «unsere Gesellschaft vor den wachsenden Gefahren von Verschwörungsdenken zu schützen». Die beiden deutschen Ministerinnen Nancy Fäser und Lisa Paul schwingen ihre maternalistischen Keulen.
Der durchgehende implizite wie explizite Dualismus in ihrer Pressemitteilung entlarvt den Ansatz jedoch als auf primitive Weise gefährlich. Argumentierendes Abwägen war vielleicht vorgestern; heute gilt: Vertrauen contra Hass, Wissenschaft contra Verschwörungstheorien, Staatsgläubigkeit contra Extremismus, Information contra Desinformation, Lüge contra Wahrheit, Zionismus contra Antisemitismus, Konformität contra Radikalisierung.
Kurz gesagt: «Ideologie, das sind immer die anderen, und wir entlarven sie», wie Hans Freyer schon im Jahr 1955 diese totalitäre Denke zusammengefasst hat in seinem Buch «Theorie des gegenwärtigen Zeitalters» (Seite 119). Unter dem Vorwand wohlmeinender Betreuung sollen die Menschen durch «institutionell verankerte Motivationen» (S. 52) letztlich «stärker auf einen Nenner gebracht» werden (S. 48).
Erwünscht ist der folgsame Bürger, der «ohne wesentlichen Widerstand nach einer Regel handelt» (S. 52). Freyers Werk bietet für die modernen Phänomene des technischen und moralischen Überwachungsstaates äußerst hilfreiche Beobachtungen.
Solche Systeme werden, wie er schreibt, «denjenigen Menschen hervorbringen, den sie brauchen», und dank «moralischer Begleitmusik» (S. 171) zu einer «Reduktion seines Menschentums» führen (S. 89). Es ist doch bezeichnend, dass die Verleumdungen in der Familie, unter Freunden und bei Kollegen ansetzen sollen. Denn durch «Bagatellisierung aller der Bindungen und Verbände, die nicht von ihren Gnaden, sondern eigenen Ursprungs sind», wollen «die totalitären Systeme jene tabula rasa verwirklichen, die sie wollen müssen» (186), um ihren religiösen Absolutheitsanspruch durchzusetzen.
Natürlich sind Einrichtungen wie jener «Kompass» zutiefst antidemokratisch; sie weichen dem guten Streit der Argumente aus und betrachten den Menschen als einen unmündigen Betreuungsfall. Aber sie sind mehr als das. In ihrem zersetzenden Treiben zeigt sich ihre unmenschliche und widergöttliche Ausrichtung. Generell gilt: «Ideologien sind vor allem deformierte Religion, viel mehr als deformierte Wissenschaft.» (S. 127)
Wer die Dinge «anders erlebt», analysiert Freyer, der «hat das falsche Bewußtsein» (S. 125). Modern gesprochen: Er ist einem Verschwörungsdenken aufgesessen und innerlich «unzugänglich» geworden, also eine Gefahr für die schöne neue Masse.
Unter all diesen Gesichtspunkten ist ein «Beratungskompass Verschwörungsdenken» alles andere als eine Orientierungshilfe. Er ist institutionalisierte Gewalt, und «Gewalt, durch die Utopie gerechtfertigt: das ist die Definition von Terror», konstatiert Freyer (S. 69).
Wir hingegen, mahnt Paulus,
sollen keine «Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis» pflegen; «deckt sie vielmehr auf». (Epheser 5,11)
Dazu sei hiermit ein kleiner Beitrag geleistet.
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Wort zum Sonntag vom 23. Februar 2025: Konstruktiv bipolar
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf. Sein Telegram-Kanal lautet StimmeundWort.
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