Wie Frieden eben nicht entsteht: Auch davon hatten wir es am vergangenen Mittwoch vor der Paulskirche in München. Es bringt gerade keinen Frieden, wenn die eine Seite ihren Willen proklamiert und durchsetzt; da können die Protagonisten heißen, wie sie wollen.
Frieden entsteht nicht über resolut ausgerufene Tribunale, die jegliches vorangehende Gespräch und Verstehen ersetzen sollen, oder indem eine kollektiv verordnete Pflicht alle «gleich» macht und ärgerliche Diskussionen wegbügelt. Da irrt ein gewisser Herr Wadephul auf internationaler Ebene genauso wie ein fränkischer Kraftmeier namens Söder bei seinem damaligen Anlauf zu einer «Impfpflicht».
Aus Ehen und Beziehungen kennt man noch ein weiteres, ganz ähnliches Manöver, hatte ich dort ausgeführt, nämlich die Erwartung, der andere «solle doch endlich …». Auch hier läuft es darauf hinaus, dass sich der eine Teil bar jeglicher Selbstkritik über die Person des anderen wie auch über die gemeinsame Lage hinwegsetzt. Erfahrungsgemäß scheitert dieser Ansatz denn auch krachend.
Das waren in etwa die Umkreisungen an unserer öffentlichen Besinnung «Was dem Frieden dient». Aber es war nicht das letzte Wort.
Der nächste Schritt schloss sich unmittelbar an: Wenn zwei sich nicht einig sind, braucht es etwas Drittes oder gleich einen Dritten.
Bei Kriegen schauen die «Konfliktparteien» nach einem vertrauenswürdigen Vermittler, der sich im besseren Fall auf internationales Recht stützen könnte. In zerrissenen Beziehungen sind es Beratungsstellen, die sich dann aber weniger an übergeordneten Satzungen orientieren als an vorgelagerten Erfahrungen: «Da muss einmal mehr gewesen sein …!» Aus dem Neben- und Gegeneinander wird zumindest in dieser Zwischen-Zeit des Innehaltens ein Miteinander, das sich um ein Thema oder eine frühere Grundlage herum findet, eine moralisch-rechtliche oder liebend-erfahrungsmäßige.
Der Weg zum Frieden ist ein Weg des Loslassens und Zutrauens, aber weil das im direkten Gegenüber nicht mehr geht, sucht man die Vermittlung. Was also dient dem Frieden? Wenn man merkt, wann und wo man so einen Dritten braucht. Und hier hole ich nun etwas weiter aus als auf dem St.-Pauls-Platz bei unserer Besinnung.
Wer herrschen und eine bloße Friedlichheit erzwingen will, für den ist ein Dritter nur eine störende ungehörige Einmischung. Wer aber mehr sucht, als einen festgefahrenen Status Quo beizubehalten, der doch nur Atmen und Leben schwer macht, der zeigt sich offen für eine wohlgemeinte Störung. Auf Bewährung hin lässt er seinen vermeintlichen Anspruch auf Sieg, seinen Stolz, los und betritt probeweise einen Raum der Freiheit.
Eben dies ist gemeint, wenn Jesus als der «Mittler» bezeichnet wird, der «Mittler zwischen Gott und Mensch». Denn die beiden gehören zwar zusammen, sind es aber nicht. Da hilft kein religiöses Wunschdenken drüber hinweg, das einen selber als per se göttlich erklärt, jede Rede von eigener Schuld nur kirchlichem Machtdenken zuschreibt oder eine vorchristliche Unmittelbarkeit mit den Elementen und dem ganzen Sein als paradiesisch verklärt.
Das im Neuen Testament verwendete griechische Wort für die Funktion «Mittler» ist abgeleitet von «mesos» − «mittig, neutral, vermittelnd» bzw. von «to meson» − «die Mitte». Und hier wird es spannend. Denn dieses Wort hat ein überraschend breites Spektrum. Es bedeutet sowohl «Mittelpunkt» als auch «Zwischenraum» oder «Abstand» und kann zugleich für «Öffentlichkeit» stehen: also das allen Zugängliche, von keiner Seite her Beschränkte.
Das angedeutete Pauluswort lautet als Ganzes:
«Einer ist Gott, Einer ist auch Mittler zwischen Gott und Menschen: der Mensch Christus Jesus.» 1. Timotheus 2,5
Einer, der den Zwischenraum ausfüllt, den Abstand, den keine innere Versenkung und keine äußere Guttat überbrückt; einer, der nun im öffentlichen freimütigen Wort der Mittelpunkt sein darf.
Mein Schlussvotum in München war denn auch: Wenn wir uns mit Ihm, an Ihm, extern festgemacht haben, dann haben wir eine Quelle vom Frieden gefunden, einem Frieden, dank dem wir nicht nur durchhalten und überleben − was allein schon sehr viel ist; sondern wir fassen dann auch Mut, uns nach außen einzusetzen, Machtmenschen zu ermahnen und Zeitgeistgeschändeten Hoffnung zu geben.
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Wort zum Sonntag vom 11. Mai 2025: Vom Gedenken
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf. Sein Telegram-Kanal lautet StimmeundWort.
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