Das Deutsche Rote Kreuz will dabei sein, wenn es darum geht, Deutschland, wie von Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) gefordert, wieder «kriegstüchtig» zu machen. Das zeigt ein am 26. August veröffentlichtes DRK-Papier unter dem Titel «Das deutsche Gesundheitssystem auf bewaffnete Konflikte vorbereiten».
Dabei werden die Folgen von Privatisierung und Kommerzialisierung des Gesundheitswesens genutzt, um nun mehr Geld zu fordern, damit man sich auf den Kriegsfall vorbereiten kann. Das DRK-Papier geht aber nicht von einer konkreten Bedrohung Deutschlands aus, sondern erwähnt wiederholt nur einen möglichen «bewaffneten Konflikt» auch im Inland.
Die Hilfsorganisation beruft sich auf die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufene «sicherheitspolitische Zeitenwende». Diese schließe den Zivil- und Katastrophenschutz «noch unzureichend» ein und müsse im bestehenden Gesundheitssystem «mitgedacht» werden.
«Es braucht Krankenhaus-, Versorgungs- und Rettungsdienststrukturen, die auch dann noch funktionsfähig sind, wenn sie doppelt gefordert sind: Bei der Versorgung der Zivilbevölkerung und bei der Versorgung verwundeter Soldatinnen und Soldaten sowie aus Kriegsgebieten flüchtender Menschen.»
Das Papier macht darauf aufmerksam, dass das DRK im Kriegsfall per Gesetz verpflichtet ist, die Bundeswehr zu unterstützen. Das habe zur Folge, dass dann Fachpersonal fehle, um die Zivilbevölkerung zu versorgen. Und: Das DRK müsse im NATO-«Bündnisfall» auch ausländische Streitkräfte unterstützen.
Die im Kriegsfall notwendigen medizinischen Ressourcen seien nicht vorhanden, wird festgestellt, wofür auch die Krankenhausreform des Bundesgesundheitsministeriums unter Karl Lauterbach (SPD) sorge. Der will das Gesundheitswesen aber «kriegstüchtig» machen, wie er im März dieses Jahres verkündete.
In dem Papier wird beschrieben, welche massiven Folgen die seit Jahrzehnten betriebene Kommerzialisierung und Privatisierung des Gesundheitswesens hat, einschließlich des «Kaputtsparens». Dadurch sei die ausreichende Gesundheitsversorgung schon heute «grundsätzlich nicht gewährleistet».
Nun soll es also die Aufrüstung für den Kriegsfall richten, wenn schon die Interessen der Zivilbevölkerung in Friedenszeiten kein Grund für eine ausreichende Ausstattung sind. Das DRK macht auch auf den massiven und anhaltenden Fachkräftemangel aufmerksam, der den medizinischen Einrichtungen zu schaffen macht und die Versorgung der Bevölkerung schon jetzt bedroht. Die Schlussfolgerung ist aber ganz im Sinne von Pistorius und den anderen Kriegstreibern:
«Es bräuchte folglich ein ganzes beschäftigungspolitisches Maßnahmenpaket, um auch im bewaffneten Konflikt ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung zu haben.»
Die Rettungsorganisation fordert, kritische Infrastruktur im Krankenhausbereich für den Kriegsfall ausreichend auszustatten. Dazu würden auch die Einrichtungen gemeinnütziger Träger wie des DRK gehören.
Der Krieg in der Ukraine zeige, «dass noch viel zu tun ist, um ein größeres militärisches Szenario und seine Folgen für die Versorgung von physisch und psychisch Traumatisierten in Deutschland bewältigen zu können». Dafür müssten Organisationen wie das DRK auch mit ausreichend Transportkapazitäten ausgestattet werden, wird gefordert.
Der Rettungsdienst in den Bundesländern und Kommunen sei bereits heute «an seinen Kapazitätsgrenzen oder sogar darüber hinaus belastet», heißt es. Es wird außerdem eine zentrale Koordination im Kriegsfall gefordert:
«Das sollte im Alltag ansetzen und erprobt werden, damit es dann im Krisenfall funktionieren kann. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.»
Das Papier beschäftigt sich ebenso mit der Versorgung Pflegebedürftiger und von Menschen mit Behinderungen im Kriegsfall sowie mit der ausreichenden Versorgung mit Blutkonserven. Bei Letzteren wird aufgrund der hohen Spendebereitschaft im Konflikt- und Katastrophenfall nicht mit einem akuten Mangel gerechnet.
Das DRK fordert ebenfalls dazu auf, die Bevölkerung auf den Krieg vorzubereiten. Das könne nur gelingen, «wenn eindringliche Appelle seitens der Bundesregierung erfolgen und diese mit Kompetenzaufbau und Übungen hinterlegt werden». Das wird sich die regierende und kriegstreibende Politik nicht zweimal sagen lassen.
Die Menschen sollen wieder vor allem in der sogenannten Ersten Hilfe ausgebildet werden, ebenso in Grundkenntnissen der Pflege. Aber auch die Nachbarschaftshilfe will das DRK gestärkt sehen, ebenso wie das sogenannte Ehrenamt. Für all diese Aufgaben in der Vorbereitung auf einen Krieg bietet sich die Organisation an:
«Das DRK bereitet sich mit allen ehren- und hauptamtlichen Kräften darauf vor, sein gesamtes Hilfeleistungspotenzial in der Bundesrepublik Deutschland und über die Grenzen hinaus bei Katastrophen, Krisen und bewaffneten Konflikten einsetzen zu können und stets ein fundiertes Krisenmanagement zu gewährleisten.»
So will das DRK die verkündete «Zeitenwende» umsetzen und zur «gesamten Neuausrichtung der zivilmilitärischen Fähigkeiten der Bundesrepublik» beitragen. Die politischen Vorgaben werden dabei nicht hinterfragt.
Auf der Webseite des DRK wird daran erinnert, dass 1901 der erste Friedensnobelpreis unter anderem an den Gründer des Roten Kreuzes Henry Dunant ging. Doch diesen Preis erhielten ja inzwischen auch Kriegstreiber wie Ex-US-Präsident Barack Obama und die Europäische Union (EU).
Zu den ehernen Grundsätzen des Internationalen Roten Kreuzes gehören Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit. «Ihnen verdankt die humanitäre Organisation ihre Glaubwürdigkeit, ihre weltweite Anerkennung und ihre Durchsetzungskraft», war 1995 in NZZ Folio zu lesen.
Der Grundsatz der Menschlichkeit verlange von der Rotkreuzbewegung, dass sie sich bemüht, «menschliches Leiden überall und jederzeit zu verhüten und zu lindern», und dass sie bestrebt ist, «Leben und Gesundheit zu schützen und der Würde des Menschen Achtung zu verschaffen». Der Artikel machte auf historische Fälle aufmerksam, bei denen das Rote Kreuz nur geschwiegen hat.
Das tut es auch heute wieder angesichts einer zunehmenden Kriegshysterie und Kriegstreiberei. Dabei müsste gerade diese Hilfsorganisation ihre Stimme erheben, wenn die Politik anfängt, die Gesellschaft «kriegstüchtig» machen zu wollen, und sich für eine aktive Friedenspolitik einsetzen – eben um nicht immer wieder nur unzureichend Menschen helfen zu müssen, die Opfer von Kriegen werden.
Doch vor lauter Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit macht sich das Rote Kreuz in Deutschland lieber Gedanken darüber, wie es sich am besten auf den von der regierenden Politik herbeigeredeten Krieg vorbereitet.
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