«Scramble for Africa» («Wettlauf um Afrika») nannte man die Kolonialisierung des Kontinentes ab dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlangten die Länder Afrikas nach und nach offiziell die Unabhängigkeit. Der Einfluss europäischer Mächte blieb allerdings weitgehend bestehen, was zur neokolonialen Phase führte.
Nun scheint eine Neuauflage des Wettlaufs um den mit natürlichen Ressourcen reichlich ausgestatteten Kontinent stattzufinden, an dem auch die USA teilhaben. Besonders betroffen ist dabei das frankophone Afrika. Oberflächlich betrachtet sieht es allerdings nach nationalen Angelegenheiten dieser afrikanischen Staaten aus.
Der jüngste Umsturz einer afrikanischen Regierung fand am letzten Mittwoch in Gabun statt. Wenige Tage nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl, an welcher der vorherige Amtsinhaber Ali Bongo bestätigt wurde, putschte das Militär und ernannte den General Brice Oligui Nguema zum vorübergehenden Leader des Landes. Ein versuchter Staatsstreich im Jahre 2019 wurde noch vereitelt.
Das italienische Nachrichtenportal l’AntiDiplomatico macht nun mit Bezug auf den russischen Sender Rybar darauf aufmerksam, dass Nguema enge Beziehungen zu den USA unterhält. Die US-Behörden hätten den General mehrere Jahre lang unterstützt und ihn auf die nächsten Wahlen vorbereitet, aus denen er als Sieger hervorgehen und die Nachfolge von Ali Bongo antreten sollte.
Laut der US-amerikanischen Antikorruptionsorganisation Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP ) hat Nguema ausserdem zwischen 2015 und 2018 drei Immobilien in den Vororten von Washington für insgesamt über eine Million Dollar in bar und ohne Hypothek gekauft. Allein die Immobilie in Silver Spring in Maryland hätte 447’000 Dollar gekostet. Gemäss Rybar untersuchte dies sogar die CIA.
L’AntiDiplomatico zufolge ist die US-Regierung offenbar der Ansicht, dass Frankreich nicht mehr in der Lage ist, die Interessen des gesamten Westens, einschliesslich der USA, in dem von ihnen kontrollierten Gebiet wirksam zu schützen. Washington habe daher beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und den Franzosen die Initiative zu entziehen.
Das Portal weist auch darauf hin, dass französische Unternehmen merkwürdigerweise Gabun nach dem Staatsstreich verlassen haben, was zum Beispiel in Niger, wo das Uranunternehmen Orano weiterhin tätig ist, nicht der Fall war.
Wikipedia schreibt, dass die Beziehungen zwischen den USA und Gabun nach der offiziellen Unabhängigkeit Gabuns von Frankreich im Jahr 1960 begannen. Schon 1964 kam es dann zu einem versuchten Staatsstreich, der mit Hilfe von französischen Truppen niedergeschlagen wurde. Französische Bürger verbreiteten damals Gerüchte über eine US-amerikanische Beteiligung an dem Putsch, was zu den Bombenanschlägen auf die US-Botschaft in Libreville führte.
Gemäss der Online-Enzyklopädie setzten die USA die diplomatischen Beziehungen nach der Machtübernahme durch Omar Bongo im Jahr 1967 fort, trotz dessen autokratischen Tendenzen. Im Jahr 1987 besuchte Präsident Bongo offiziell Washington, DC.
Wikipedia merkt zudem an, dass der damalige US-Aussenminister Colin Powell im September 2002 dem Land einen «kurzen, aber historischen Besuch» abstattete. Angeblich war das Ziel, den Umwelt- und Naturschutz in der zentralafrikanischen Region zu fördern. 2004 besuchte Präsident Bongo nochmals das Weisse Haus. Sein Sohn Ali Bongo übernahm 2009 das Zepter.
Ausserdem bilden die USA laut Wikipedia jedes Jahr Mitglieder der gabunischen Streitkräfte militärisch aus.
Vor Gabun war Niger an der Reihe. Ende Juli hatten dort Angehörige der Präsidentengarde einen Militärputsch durchgeführt und den Präsidenten Mohamed Bazoum gestürzt. Die dadurch an die Macht gekommene Militärjunta des Conseil National pour la sauvegarde de la Patrie (CNSP) wird laut Berichten von einer spontanen «antiimperialistischen Volksbewegung» unterstützt.
Der kanadische Ökonom Professor Michel Chossudovsky meint auf seinem Nachtichtenportal GlobalResearch hingegen, dass der CNSP indirekt vom Pentagon kontrolliert werde (wir berichteten). Laut Chossudovsky wurden wichtige Mitglieder des CNSP in den USA ausgebildet, darunter der selbsternannte Staatschef General Abdourahamane Tiani und Brigadegeneral Moussa Salaou Barmou, ein weiterer Leader des Putsches. Laut der US-Vizeaussenministerin Victoria Nuland hat Barmou sogar «während vieler, vieler Jahre sehr eng mit US-Spezialeinheiten zusammengearbeitet».
Gemäss dem Autor spielt Nuland eine zentrale Rolle im verstärkten Einfluss der USA auf afrikanische Länder. So weist er darauf hin, dass sich Nuland mit der Junta in Niger und anderen Militärs in der Region getroffen hat. Die Verwicklung des Pentagons in Niger zeigt sich anhand dessen Militärbasis im Land und dessen Zusammenarbeit mit den Putschisten.
Chossudovsky macht auf Parallelen des Staatsstreichs in Niger zu früheren Fällen aufmerksam, wie etwa zu der Protestbewegung in Ägypten 2013. Dort hatten führende Militärs mit Verbindungen zu den USA die Macht ergriffen und gleichzeitig den Anschein erweckt, sie würden die Volksbewegung unterstützen.
Das unausgesprochene Ziel der USA ist laut dem Ökonomen, den Einfluss Frankreichs in Afrika zu beseitigen und denjenigen der USA zu fördern. So widerspiegle die Situation in Niger die Entwicklungen in Mali und Burkina Faso. Auch dort sei nach Militärputsche ein Abbruch der Beziehungen zu Frankreich gefordert worden. Er erinnert zudem an Ruanda, das ab Ende der 1990er Jahre unter Paul Kagame zu einem englischsprachigen «US-Protektorat» geworden ist.
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