Die ukrainischen und russischen Streitkräfte setzen inzwischen immer ausgefeiltere KI-gesteuerte Drohnen ein, die in der Lage sind, Ziele ohne direkte menschliche Kontrolle zu identifizieren und zu bekämpfen. Wie der Guardian berichtet, gehört zu den bemerkenswertesten Systemen die ukrainische «Mutterschiff»-Drohne Gogol-M, die 200 km weit nach Russland hineinflog, bevor sie zwei an ihren Flügeln hängende Angriffsdrohnen freisetzte. Die kleineren Drohnen seien in der Lage gewesen, dem Radar zu entgehen, indem sie in geringer Höhe flogen.
Diese Drohnen würden die an Bord befindliche Künstliche Intelligenz (KI) nutzen, um Ziele zu identifizieren und Angriffe auszuführen. Die menschlichen Bediener würden dabei nur die Missionsparameter festlegen, nicht aber die endgültige Ausführung der Angriffe.
Laut dem Guardian sind diese Drohnen bemerkenswert kostengünstig: Etwa 10.000 Dollar für das wiederverwendbare Mutterschiff und seine Killer-Drohne. Raketen würden hingegen Millionen kosten. Das ermögliche es der Ukraine, die Produktion schnell hochzufahren. Diese Effizienz habe die Operation Spiderweb ermöglicht, bei der 117 Drohnen mehrere russische Luftwaffenstützpunkte angriffen. Dies sei jedoch nicht einmal die Spitze dessen, was Ukrainer und Russen im Kampf einsetzen, geschweige denn sich ausdenken.
Der Krieg in der Ukraine beschleunige die Entwicklung von autonomen Waffen, so die Zeitung. Die Ukraine teste KI-gesteuerte Drohnen, die mit minimaler menschlicher Aufsicht operieren können. Der stellvertretende Ministerpräsident Mykhailo Fedorov habe diesen Krieg als «technischen Krieg» bezeichnet und auf die Bemühungen zur Entwicklung von Drohnen verwiesen, die Ziele erkennen und priorisieren und sogar in koordinierten Schwärmen operieren können. Diese Systeme sollen Russlands Einsatz kleiner, mobiler Einheiten in erweiterten Konfliktgebieten entgegenwirken. Auch die Russen seien bei diesen Technologien nicht «untätig», so Fedorov.
Serhii «Flash» Beskrestnov, ein bekannter ukrainischer Analyst für Kriegstechnik, berichtet, dass Russland jetzt täglich etwa 50 autonome V2U-Drohnen in der Nähe der Frontlinien einsetzt. Diese Drohnen mit einer Reichweite von bis zu 100 km würden visuelle Navigation verwenden, um Ziele ohne Echtzeitsteuerung durch den Bediener zu identifizieren und zu treffen – und schwärmen dabei sogar wie Vögel. Die Ukrainer hätten Mühe, sie abzuwehren, da sich Störsender als unwirksam erweisen würden. Laut Beskrestnov machen zwar sowohl Russland als auch die Ukraine rasche Fortschritte bei der Autonomie von Drohnen, doch eine vollständig KI-gesteuerte Entscheidungsfindung, bei der die Drohnen selbstständig lernen und sich anpassen, bleibe ein zukünftiges Ziel.
Glasfaserdrohnen, die über ein Kabel mit ihren Piloten verbunden sind, seien «die Technologie der Stunde», weil sie unempfindlich gegen Störungen sind, erklärte Olexii, Leiter der zukünftigen Kampfpläne in der Khartia, einer Kampfbrigade der ukrainischen Nationalgarde, die an der Nordostfront in der Region Charkiw kämpft.
«Der Wettlauf um die Perfektionierung des ferngesteuerten Tötens wird jedoch mit rasantem Tempo geführt», kommentiert der Guardian.
Oleg Fedoryshyn vom ukrainischen Unternehmen räumt ein, dass die Gefahr des Beschusses durch KI-Systeme besteht, die in der Lage sind, Gesichter zu erkennen und autonom zu töten. Er vergleicht die Bedrohung mit dem fiktiven Terminator und deutet an, dass die Realität vielleicht noch schlimmer ist, vor allem wenn man bedenkt, wie zugänglich und einfach der Einsatz solcher Waffen durch den Krieg geworden ist.
Anton Skrypnyk, Mitarbeiter der Firma Roboneers warnt davor, dass die derzeitigen globalen Sicherheitsmaßnahmen, wie zum Beispiel Flughafenkontrollen, angesichts autonomer Drohnen obsolet sind. Er verweist auf die Gefahr von Terroranschlägen mit Schwärmen von bewaffneten Drohnen, die die herkömmlichen Verteidigungsmaßnahmen umgehen könnten. Skrypnyk fordert eine proaktive Überwachung mit Hilfe von KI, um Einkäufe, Bewegungen und Verhaltensmuster zu überwachen. Seine Hauptsorge ist, dass die Welt gefährlich selbstgefällig bleibt, bis die Katastrophe eintritt.
Dem Guardian zufolge werden die fortschrittlichsten Systeme der Welt zweifellos in Labors in den USA und China entwickelt. Ein als Replicator 1 bekanntes Programm des Pentagon soll bis August 2025 «mehrere tausend» autonome Systeme für alle Bereiche liefern. Berichten zufolge stehe der erste Einsatz der Jiu Tian bevor, einer chinesischen Mutterschiffdrohne, die angeblich in einer Höhe von 15.240 Metern fliegen kann und eine Reichweite von mehr als 6400 km haben soll. Sie könne dabei sechs Tonnen Munition und bis zu 100 autonome Drohnen mitführen.
Als Reaktion auf diese neuen Technologien finden derzeit UN-Gespräche zur Regulierung tödlicher autonomer Waffen statt, doch die Fortschritte sind ins Stocken geraten. Großmächte wie Russland und die USA lehnen gemäß dem Guardian eine Regulierung weiterhin ab. Die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten und der UN-Generalsekretär würden jedoch einen verbindlichen Vertrag bis 2026 unterstützen, um zu verhindern, dass Maschinen unkontrolliert Menschenleben töten.
Auf einer zweitägigen UN-Konsultationssitzung über tödliche autonome Waffen im Mai in New York habe der Außenminister von Sierra Leone, Musa Kabba, erklärt:
«Die Verbreitung von autonomen Waffensystemen zwingt die internationale Gemeinschaft, sich mit einem grundlegenden moralischen und rechtlichen Dilemma auseinanderzusetzen. Sollte es Algorithmen jemals erlaubt sein, zu entscheiden, wer lebt und wer stirbt?»
Auf dem NATO-Gipfel in Den Haag hat die Allianz jedenfalls gerade beschlossen, KI in die «Verteidigung» zu integrieren. Wie wir berichteten, befasst sich auch das italienische Portal «Byoblu» mit den Risiken, die das birgt, und zwar anhand Israels Einsatz der KI im Gaza-Krieg.
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