Die 19.00 Uhr-Nachrichten von Radio SRF 1 von gestern begannen mit der Besorgnis des Departements des Äusseren (EDA) über das Schicksal der Oppositionellen in Weissrussland. Die Demonstrationen dürften nicht mehr behindert werden, hiess es.
Dann folgte nahtlos der Übergang zu der Behinderung der Corona-Demonstrationen direkt vor der Haustür durch den Vorwurf des Rechtsextremismus und der Judenfeindlichkeit.
In der Tat: Der deutsche «Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V.» veröffentlichte ein Papier mit dem Titel «Antisemitismus im Kontext der Covid-19-Pandemie». Gemäss diesem Bericht wurden in den drei Monaten zwischen Mitte März und Mitte Juni an Kundgebungen in Deutschland 123 Fälle von antisemitischen Äusserungen gemeldet.
Die Nachricht wurde umgehend von praktisch allen Leitmedien übernommen, allerdings ohne diese Fälle in ein quantitatives Verhältnis zu stellen. Man kann davon ausgehen, dass sich in diesem Zeitraum mindestens eine halbe Millionen Menschen an Kundgebungen gegen die Corona-Massnahmen beteiligten. Die 123 Fälle entsprechen damit einem Anteil von 0,000246 Prozent.
Im Bericht des RIAS steht auf Seite 8:
Im Zeitraum von 17. März bis 17. Juni 2020 wurden dem Bundesverband RIAS 123 Kundgebungen und Demonstrationen mit Bezug zur Covid-19-Pandemie bekannt,
bei denen es zu antisemitischen Äußerungen kam. RIAS erfasst diese als Fälle „verletzenden Verhaltens“. In 91 Fällen wurden hierbei Stereotype des Post-Schoa- Antisemitismus, also antisemitische Bezugnahmen auf den Nationalsozialismus und die Schoa, in 28 Fällen Stereotype des modernen Antisemitismus, also beispielsweise antisemitische Verschwörungsmythen, verwendet. Israelbezogener Antisemitismus (in drei Vorfällen) und Antijudaismus (in einem) spielten bei diesem Demonstrations- geschehen hingegen fast keine Rolle.
Selbst unter Annahme einer zehnmal höheren Dunkelziffer machen die judenfeindlichen und rechtsextremen Äusserungen einen verschwindend kleinen Anteil der an den Demonstrationen vorgelegten Botschaften und Forderungen aus.
Die prominente Darstellung dieser äusserst seltenen Vorfälle in den Medien entspricht einem Trend, die Kritik an den Corona-Massnahmen in eine rechtsextreme Ecke zu stellen. Dazu werden sogar Ereignisse wie die Besetzung der Treppe vor dem Reichstag durch Reichsdeutsche regelrecht inszeniert. Es sind solche Bilder, die dann weltweit verbreitet werden und einen irreführenden Kurzschluss in der öffentlichen Meinung herstellen. Man kann davon ausgehen, dass dies nicht nur erwünscht, sondern auch geplant wird.
Genauso wie die Demonstrationen von vereinzelten Splittergruppen und Extremisten als unerwünschte Trittbrettfahrer missbraucht werden, werden diese Gruppierungen auch von den Leitmedien auch für gezieltes Framing missbraucht. Die Organisatoren tun gut daran, sich dagegen vorzusehen.