Wer die Wahrheit nicht weiß,
der ist bloß ein Dummkopf.
Aber wer sie weiß und
sie eine Lüge nennt,
der ist ein Verbrecher.
Bertolt Brecht in «Leben des Galilei»
Liebe Leserinnen und Leser
Am Montag gab es eine schier unerhörte Meldung aus dem Krieg in der Ukraine: Eine russische Rakete soll eine Kinderklinik in Kiew getroffen haben. Dutzende Menschen seien dabei in dem Gebäude und einem nahen Wohnhaus ums Leben gekommen, wurde gemeldet.
Ganz schnell war laut westlichen Medien und westlichen Politikdarstellern, aber auch laut UN-Vertretern klar: Russland war’s und hat das Krankenhaus gezielt angegriffen. Doch eine gründliche Untersuchung des Geschehens einschließlich der Auswertung der eventuell gefunden Raketenreste kann jdenfalls nicht so schnell abgeschlossen worden sein.
In der emotionsgeladenen Hysterie nach dem Angriff wurden wichtige Fragen nicht gestellt, so die alte nach dem Nutzen: Cui bono? Dazu gehört die, warum Russland Kiew und der Nato kurz vor deren Gipfel einen Vorwand liefern sollte, die Auseinandersetzung ein weiteres Mal zu eskalieren.
Dazu gehört auch die Frage, warum gerade jetzt, ein solches schreckliches Ereignis geschieht, wo sich die Forderungen nach einem Waffenstillstand und Verhandlungen für Frieden häufen und Russlands Präsident Wladimir Putin Vorschläge dafür vorlegte. Es erinnert an die «Massaker-Strategie», die schon in vielen Konflikten und Kriegen zum Einsatz kam. Der ehemalige Nato-Mitarbeiter und DDR-Kundschafter Rainer Rupp hat das 2022 in einem Beitrag für das russische Portal RT DE einmal so beschrieben:
«Um der eigenen Bevölkerung einen Krieg zu verkaufen, braucht man vor allem etwas, was die Emotionen stark aufwühlt und den Gegner als unberechenbare, grausame Bestie erscheinen lässt. Dieses Ziel wird am besten durch ein sorgsam orchestriertes ‹Massaker› an unschuldigen Menschen erreicht.»
Solche Ereignisse geschehen immer wieder auch kurz vor einem möglichen Wendepunkt in Konflikten und Kriegen, wenn sich abzeichnet, dass Verhandlungen zwischen beiden ein Ende ermöglichen könnten. Damit soll genau das verhindert werden. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Beispielen, auch aus dem Krieg in Syrien.
Im konkreten Fall stellt sich auch die Frage, warum Russland gezielt für zivile Opfer sorgen sollte, wo es doch erklärtermaßen nur militärische und militärische nutzbare Objekte und Infrastruktur in der Ukraine angreift. Der Schweizer Militär- und Geheimdienstexperte Jacques Baud hat mehrfach (so hier und hier) darauf hingewiesen, dass das russische Vorgehen in der Ukraine darauf abzielt, so weitgehend wie möglich zivile Opfer zu vermeiden. Die Behauptung, dass die Russen absichtlich gegen die Zivilbevölkerung vorgehen, sei «völlig falsch» und «reine Propaganda», so Baud im März 2023.
Schon im Oktober 2022 hatte der scheidende Präsident des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK), Peter Maurer, erklärt, der zum Krieg gewordene Konflikt in der Ukraine gehöre zu den Konflikten mit den wenigsten zivilen Opfern. Er sagte gegenüber der Schweizer Zeitung Die Weltwoche unter anderem:
«Wir stellen fest, dass es auf beiden Seiten echte Bemühungen gibt, diesen Konflikt nicht völlig eskalieren zu lassen. Es gibt Vorsichtsmaßnahmen gegenüber der Zivilbevölkerung.»
Nun zeigen inzwischen die zahlreichen gezielten Angriffe der ukrainischen Truppen auf zivile Ziele auf russischem Gebiet sowie das Platzieren von Waffen und Truppen in zivilen Gebieten, dass die Kiewer Verantwortlichen den von Maurer beschriebenen Weg verlassen haben. Und auch etwas anderes zeigt sich, nachlesbar in der aktuellen Ausgabe der Weltwoche.
Darin berichtet Herausgeber Roger Köppel vom Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán in Kiew und seinen eigenen Beobachtungen in der ukrainischen Hauptstadt. Dabei wundert er sich, dass dort nichts vom Krieg zu spüren ist. Und wenn es Luftalarm gebe, würden die Menschen nicht mehr darauf reagieren, erklärt ihm demnach sein ukrainischer Begleiter. Und weiter im Text:
«Wie das? ‹Weil die Leute keine Angst haben.› Warum haben sie keine Angst? ‹Weil sie wissen, dass die Russen keine zivilen Ziele angreifen, sondern, schlimm genug, kriegswichtige Infrastrukturen, Kraftwerke oder Militäranlagen. › Aber bei uns schreiben die Zeitungen das Gegenteil. ‹Ich weiss.›»
Ich finde diese Aussage im wahrsten Wortsinn unerhört, ungelesen und unglaublich, dennoch scheint sie wahr, soweit dem Weltwoche-Herausgeber zu vertrauen ist. Lassen Sie diese Worte auf sich wirken, auch vor dem Hintergrund der Berichte über den angeblich absichtlichen russischen Angriff auf die Kinderklinik in Kiew.
Ich wünsche Ihnen außerdem wie immer ein gutes und friedvolles Wochenende mit Wissensgewinn sowie Lesespaß durch die Beiträge auf Transition News.
Herzliche Grüße
Tilo Gräser
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