Der US-Friedensaktivist und ehemalige CIA-Analytiker Ray McGovern warnt vor der anhaltenden Russophobie und sieht den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama als Verantwortlichen für «Russiagate». Bei dieser Affäre wurde 2026 vor der ersten Wahl von Donald Trump behauptet, dieser sei von Russland unterstützt worden, um einen Sieg seiner Konkurrentin Hillary Clinton zu verhindern. Diese Vorwürfe haben sich frühzeitig als falsch erwiesen, wie McGovern seit Jahren erklärt und nun die neue US-Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard mit Dokumenten belegte.
Der 85-Jährige machte darauf in einem am Sonntag veröffentlichten Video-Gespräch des norwegischen Politikwissenschaftlers Glenn Diesen mit ihm aufmerksam. Die beiden sprachen vor allem über «Europas Irrsinn und die Rückkehr des Krieges». McGovern war kürzlich gemeinsam mit der ehemaligen CIA-Analytikerin Elizabeth Murray rund zwei Wochen auf Vortrags- und Gesprächstour in Europa, vor allem in Deutschland.
Der ehemalige CIA-Analytiker, einst zuständig für die Sowjetunion und Russland, der US-Präsidenten direkt informierte, wundert sich in dem Gespräch mit Diesen, was aus Europa und Deutschland geworden ist.
«Ich kenne mich also ziemlich gut in Europa aus, aber dennoch war ich sehr beunruhigt von dem, was ich in Deutschland hörte, wo die Medien noch schlimmer sind als die Medien in den Vereinigten Staaten. Sie verteufeln Russland, setzen Putin Teufelshörner auf und machen wenig Sinn darin, wie sie weiter vorgehen wollen.»
Für ihn ist das Dreiergespann aus dem deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz, dem britischen Premier Keir Starmer und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron eine «Koalition der Hirntoten». Die derzeit führenden europäischen Politiker seien «Blender, die an die politische Spitze gespült wurden und jetzt in diesen Ländern das Sagen haben». Sie würden freiwillig den Platz im Ukraine-Krieg einnehmen, den die USA, die ihn provozierte, nun räumen wolle. Dabei würden sie noch von den USA die Waffen kaufen, die nötig seien, um den Krieg fortzusetzen.
McGovern sieht eine Hauptverantwortung bei den Medien, die er auch als das «Kernproblem» bezeichnet. In Berlin hatte er unter anderem erklärt, dass es im Westen keine freien Medien mehr gebe und dass die bundesdeutschen noch schlimmer seien als die US-amerikanischen. Zudem mangelt es aus einer Sicht an «der Fähigkeit von Menschen mit gesundem Menschenverstand, sich in diesen politischen Strukturen durchzusetzen», wie er gegenüber Diesen sagte.
«Man sehe sich nur die Clowns an, die in den drei genannten Ländern an der Spitze stehen.»
Aber auch die Menschen seien mit Hilfe der etablierten Medien einer «Gehirnwäsche» unterzogen worden, stellte McGovern fest. Sein Gesprächspartner Diesen beschreibt, wie in Europa an die Stelle von Vernunft und interessengeleiteter Politik einschließlich der Diplomatie die pure Russophobie und eine feindliche Mentalität schlimmer als die des Kalten Krieges getreten ist. Im Kalten Krieg habe es noch mehr gesunden Menschenverstand gegeben, stellt der norwegische Politologe fest.
«Man durfte die Sicherheitsbedenken und Argumente Moskaus diskutieren. Es war nicht nötig, alle Nachrichten aus Russland zu zensieren. Nicht jeder russische Journalist war ein Propagandist und wer hierzulande russischer Anliegen ansprach, war nicht automatisch ein Agent Russlands.»
Dagegen sieht er die russlandfeindliche Rhetorik von Merz und der anderen europäischen Politiker auf Kriegskurs. «Merz ist das perfekte Beispiel für jemanden, der aus dem militärisch-industriellen Komplex kommt», ergänzt McGovern. Er verweist auf die deutschen Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall und Krauss Maffei (heute KNDS), an denen das US-Finanzunternehmen BlackRock, für das Merz gearbeitet hat, entscheidende Anteile hält. Von den nun geplanten Aufrüstungswellen in Deutschland profitiere damit auch die USA, so der Ex-CIA-Analytiker.
Er widerspricht im Austausch mit Diesen wie bereits bei seinen Gesprächen und Vorträgen in Berlin den Behauptungen, dass Russland die Ukraine «unprovoziert», «umfassend» und «illegal» angegriffen habe. Das belegt er erneut mit Fakten und Tatsachen, darunter der Bereitschaft Moskaus, den Einmarsch im Frühjahr 2022 wieder zu beenden. Doch das mögliche Friedensabkommen mit Kiew habe der Westen hintertrieben. Über diese Tatsachen würden aber die westlichen Medien nicht informieren, kritisiert er.
McGovern hofft immer noch, dass Trump und Putin «trotz aller Verrätereien und trotz all der Täuschungen, die in den USA und im NATO-Lager stattgefunden haben, sich dennoch auf eine Vereinbarung einlassen werden, die Russlands Kerninteressen anerkennt, die Ukraine nicht in die NATO aufnimmt und eine Art Cordon Sanitaire oder Pufferzone schafft, die die Russen davon überzeugt, dass sie ein angemessenes Maß an Sicherheit haben, ohne dass die USA, die NATO oder sonst jemand sie so bedrohen, wie es in den vergangenen Jahren der Fall war». Zugleich weiß er, dass er mit dieser Meinung «eher allein» dasteht. Die jüngste Aussage des US-Präsidenten, das Ultimatum an den russischen Präsidenten von 50 auf «zehn Tage» zu verkürzen, widerspricht seiner Hoffnung.
Sein norwegischer Gesprächspartner stellt fest, dass in der EU nicht mehr über eine europäische Sicherheitsarchitektur mit Russland gesprochen werde:
«Jetzt heißt es nur noch, Putin ist ein böser Mann, die Russen sind Imperialisten, und es gibt überhaupt keinen Widerspruch mehr. Es wird kein anderes Argument mehr akzeptiert.»
Dabei würden sich nicht nur die Deutschen als «ziemlich verrückt» erweisen, sondern auch die Skandinavier. Aber Deutschland steche dabei hervor, nachdem sie als «das Wunderkind der Nachkriegszeit» aus der Geschichte gelernt zu haben schienen. Sie hätten sich auf Wirtschaft und Diplomatie konzentriert und Militarismus vermieden. Das sei die historische Lehre, die sie gezogen hätten, so Diesen, der hinzufügt: «Und jetzt ist Deutschland natürlich ein ganz anderes Land.»
McGovern bezeichnet das als «wirklich beunruhigend» und sieht als eine der Ursachen den deutschen Untertanengeist mit der «schafsmäßigen Ergebenheit», wie ihn Sebastian Haffner beschrieben habe. Das sei heute nicht anders als 1933, so der ehemalige CIA-Analytiker.
Zugleich sagt er, dass er eine wachsende Zahl von Deutschen beobachte, die die «schafsmäßige Ergebenheit» inzwischen ablehne. Der Widerspruch werde zunehmen, wenn die westlichen Politiker weiterhin die eigenen Volkswirtschaften ruinieren, wie es sich bei der Deindustrialisierung Deutschlands zeige. Er gibt Merz ebenso wie dem britischen Premier Starmer keine lange Amtszeit, «weil die Menschen leiden». Aus seiner Sicht gibt es einen «revolutionären Moment» ähnlich der Lage von 1848.
«Also, der militärisch-industrielle Komplex verdient mal wieder eine Menge Geld. Wie lange das deutsche Volk das ertragen, hinnehmen oder zulassen wird? Nun, die Wahrheit wird sich zeigen. Sie werden diese schafsmäßige Ergebenheit überwinden müssen.»
Der norwegische Politologe Diesen meint, dass angesichts der Entwicklung und der Rolle der Medien dabei diese das Vertrauen der Menschen weiter verlieren. Das gelte auch für die Politik, was dazu führe, dass es in ganz Europa eine Legitimationskrise gebe. Das etablierte politische System destabilisiere und schädige sich selbst, so in Deutschland durch den Umgang mit der Oppositionspartei AfD. Er warnt in dem etwa einstündigen hochinteressanten Gespräch vor den Folgen des Stellvertreterkrieges des Westens gegen Russland auf ukrainischem Territorium:
«Die ukrainische Nation wird zerstört. Wir werden jahrzehntelang Chaos in Europa haben. Das wird Misstrauen und Hass zwischen Europäern und Russen schüren. Das ist eine Katastrophe.»
Beide kommen im Lauf ihres Gespräches auf die unlängst von der US-Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard freigegebenen Dokumente zum «Russiagate»-Skandal von 2016. Mit den damals erhobenen Vorwürfen an Moskau, sich in die US-Wahlen eingemischt und Trump unterstützt zu haben, sei die russlandfeindliche Atmosphäre im Westen zugespitzt worden. Das wirke bis heute, so McGovern und Diesen.
Der ehemalige CIA-Analytiker stellt mit Blick auf die Dokumente fest, dass diese belegen, dass die Vorwürfe an Russland falsch waren. Der damalige Präsident Barack Obama habe «Russiagate» erfunden, unterstützt von John Brennan, Chef der CIA, James Comey, Chef des FBI, sowie James Clapper, der Direktor des Nationalen Geheimdienstes war. Der US-Sicherheitsapparat habe das mitgetragen und die nationalen Sicherheitsgeneräle und Admiräle, die das mitgetragen haben.
«Es war völlig aus der Luft gegriffen. Es gab kein russisches Hacking, es gab keine russische Einmischung in die Wahl 2016. Das wissen wir aus den empirischen Beweisen, die wir beobachten, und unserer Expertise in Bezug auf die Beziehungen zwischen Russland und den USA. Jetzt ist es bewiesen.»
McGovern geht in dem Gespräch mit Diesen ausführlich auf die damaligen Vorgänge ein, mit denen Obama und seine Mannschaft versuchten, Trumps erste Amtszeit zu verhindern und Clinton als Nachfolgerin zu etablieren. Er verweist darauf, dass für die «ehrlichen» CIA-Analytiker immer klar war, dass Russlands Präsident Putin keinen der beiden Kandidaten bevorzugte und eher auf Clinton hoffte, da diese als berechenbarer als Trump eingeschätzt wurde.
«Was ein russischer Präsident bei einem amerikanischen Präsidenten sucht, ist Berechenbarkeit. Ich meine, das ergibt Sinn. Dieser Präsident hat seinen Finger auf den Codes, den Atomcodes.»
Trump sei ein «Paradebeispiel für Unberechenbarkeit», so der Ex-CIA-Mann. Er berichtete, dass die Unterlagen, die frühzeitig bestätigten, dass Russland nicht hinter dem Datendiebstahl aus dem Hauptquartier der Demokratischen Partei stand, unter Verschluss gehalten wurden. Obama habe seine Mitarbeiter angehalten, bewusst zu lügen, und diese hätten wie auch die Medien bereitwillig mitgespielt.
Die dadurch angestiftete «völlige Verwirrung unter der US-amerikanischen Bevölkerung» halte bis heute an. Das führe dazu, dass die aktuellen Aussagen von Gabbard zu «Russiagate» in Zweifel gezogen werden. Daran seien die US-Medien wieder beteiligt, anstatt die Vorgänge mit Hilfe der vorhandenen Dokumente aufzudecken.
McGovern fordert nicht nur, dass die damals Beteiligten zur Verantwortung gezogen werden, sondern auch, dass die etablierten Medien zur Rechenschaft gezogen werden. Die Folge von «Russiagate» sei heute die steigende Gefahr eines Krieges mit Russland. Dass Geheimdiensterkenntnisse manipuliert und in die politische gewünschte Richtung umgedreht werden, habe er in seiner aktiven Zeit auch erlebt, berichtet er. Das sei auch später vor dem Irak-Krieg 2003 geschehen, erinnert er:
«Mit anderen Worten, eine Million Iraker sind tot aufgrund von fragwürdigen, verfälschten Beweisen.»
Gabbard, die nun versuche, aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, einschließlich Ex-Präsident Obama, habe damit «Deep State den Fehdehandschuh hingeworfen». Sie müsse nun einen «Spießrutenlauf zwischen der etablierten Presse, den Mainstream-Medien und dem Deep State bestehen». McGovern befürchtet, dass ihre Chancen schlecht stehen. Er sagt auf Diesens Frage dazu:
«Also mein Fazit: Es gibt immer noch einige ehrliche Leute, die Analysen in der CIA machen. Mein Bedauern? Nicht einer von ihnen hatte den Mut zu kündigen, an die Presse zu gehen, als Whistleblower aufzutreten und zu sagen: Schaut mal Leute, das ist es, was hier passiert. Und das kann man ihnen verzeihen, denn an wen hätten sie sich wenden sollen? Welcher Teil der Presse hätte ihre Geschichte ehrlich erzählt um Himmels Willen?»