Transition News: Wann und warum hat sich die Freie Linke gegründet?
Karel Svoboda: Warum ist einfach zu beantworten: Weil es weder eine Partei noch Organisation, nicht mal eine Publikation von irgendeiner linken politischen Gruppe gegeben hat – in dem ganzen Spektrum gab es einfach nichts, das sich kritisch von links mit dem weltweiten «Corona»-Coup auseinandergesetzt und sich dagegen gewehrt hat. Es gab gewiss auch innerhalb dieser Organisationen einzelne kritische Stimmen, aber die wurden abgewürgt und haben sich gefügt oder sie sind ausgetreten und haben sich entweder bei uns oder anderweitig betätigt.
Auch die Freie Linke hat viele von den Kinderkrankheiten des «Corona»-Widerstands, die du auch in deinem Kommentar genannt hast. Entstanden ist die Freie Linke über einen Telegram-Kanal, in dem Nachrichten und Artikel von linken Stimmen, wie beispielsweise Uli Gellermann, gepostet und diskutiert wurden. Die Mitglieder der Chatgruppe haben alle mehr oder weniger dieselbe Situation vorgefunden, dass eben ihre linken, kommunistischen, anarchistischen oder auch linksliberalen Organisationen auf diesen Coup nicht als solchen reagierten und dass viele alleingelassen waren. Und so war der Drang groß, sich mit anderen Linken zu vernetzen. Wir waren rund 200 Leute, die am 1. Januar 2021 einen Aufruf lancierten, in dem wir uns aus linker Sicht gegen die Maßnahmen aussprachen und die Verbindung zum Kapitalismus herstellten. Dieser Aufruf wurde von Norbert Häring aufgegriffen, und daraufhin sind relativ viele Leute in die Chatgruppen gekommen.
Was hat Euch zusammengeschweißt?
Natürlich die Abwehr dieser Terrormaßnahmen, wie Masken und Einsperrungen, und all der wirklich brutalen Maßnahmen, die sich gegen die Bevölkerung richten. Das hat uns geeint. Im Rahmen dieses Abwehrkampfes war das, was sonst so schwer ist, nicht so kompliziert: unterschiedliche linke Richtungen zu versammeln, von Anarchisten bis zu denen, die Stalin und Mao schätzen, und alles dazwischen – auch Antifa-Leute und Autonome.
Ich würde sagen, die Menschen, die sich in der Freien Linken zusammengefunden haben, sind ihren Idealen einfach treu geblieben. Und wenn man die klassischen Gesellschafts- und Geschichtsauffassungen von den Kämpfen gegen die herrschende Klasse hat, dann war «Corona» als Angriff auf die breite Bevölkerung relativ leicht zu erkennen. Wir sind den linken Prinzipien treu geblieben.
Worin siehst Du den Unterschied zu den «alten» Linken?
Das Phänomen, dass die klassische Linke so versagt, ist nicht in wenigen Worten zu entschlüsseln. Manche, die sich heute als «links» bezeichnen, haben vielleicht diesen Prinzipien und Grundsätzen nie ganz ernsthaft zugestimmt. Oder sie haben sich verführen lassen – und dafür gibt es gute Gründe: Denn der Angriff lief über die Schiene der Solidarität, auf die viele Linke reflexhaft anspringen. Aber so was wie «Solidarität» gab es auch im Hitler-Faschismus – zwischen den Volks- oder Rassenangehörigen – dazu kam ebenfalls die «Volksgesundheit». Weitere Gründe waren die hohe Wertschätzung der Wissenschaft und die Haltung, dass man als Linker eben Materialist ist, rational denkt und auf empirische Beweise Wert legt.
Das war vielleicht der zentrale Punkt, warum Linke bei «Corona» mitgemacht haben. Man wollte ja nicht unwissenschaftlich sein oder – noch schlimmer – mit irgendwelchen esoterischen Sachen in Berührung kommen. Dabei war früher auch unter Linken bekannt, dass es die «bürgerliche Wissenschaft» gibt. Das bedeutet, dass auch der Kapitalismus Auswirkungen auf die Wissenschaft hat, also die herrschende Ideologie über die vermeintlich neutrale Wissenschaft transportiert wird. Dass das, was die Herrschenden als Wissenschaft bezeichnen, unhinterfragbar sein soll, ist letztendlich eine extrem große Abweichung gegenüber den eigentlichen linken Prinzipien. Bediente man sich wissenschaftlicher Prinzipien, musste man relativ schnell und zwangsläufig daraufkommen, dass es keine Pandemie gab. Die Fakten gaben das einfach nicht her. So viel zur Wissenschaftlichkeit dieser Kreise.
Du hast eben Solidarität und Wissenschaft erwähnt, in welche anderen Fallen sind Linke getappt?
Die Linke in Europa, aber auch weltweit, hat schon seit längerem einen Prozess der Entradikalisierung hinter sich. 1956 hat der damalige Regierungschef der Sowjetunion, Nikita Chruschtschow, Nachfolger von Josef Stalin, seine sogenannte Geheimrede lanciert und sehr viele Unwahrheiten über Stalin ausgebreitet, die heute noch zirkulieren und die zu einem großen Bruch in der kommunistischen Bewegung geführt haben. Die einen sind dem Sozialismus und Stalin, also der Sache, treu geblieben, die anderen nicht. Damals hat sich schon eine gewisse Orientierung in Richtung Westen beziehungsweise in Richtung eines Kompromisses mit den eigenen herrschenden Klassen abgezeichnet.
Dieser Klassenkompromiss hat womöglich zu einer Abschwächung der revolutionären Linken geführt, gleichzeitig führte er zum Erfolg im Klassenkampf, der viele Freiheiten und Leistungen nicht nur für Arbeiter erstritten hat. Kleine und mittlere Unternehmer oder auch Künstler und Wissenschaftler, die auch im «Corona»-Protest vertreten waren, haben der Arbeiterklasse viel zu verdanken und der Tatsache, dass es mit der Sowjetunion, China oder der DDR sozialistische Staaten gab, die den westlichen Herrschern einen Kompromiss aufzwangen, wenn es um Freiheit und Wohlstand ging: die Sozialdemokratie.
Die Linke hat sich von wirklich revolutionären Auffassungen getrennt und sich gerade nach dem Fall der Sowjetunion und der Niederlage des sozialistischen China, das sich auch zum Kapitalismus hingewandt hat, teilweise geradezu ergeben. Viele haben sich angepasst und die Karriere dem Kampf vorgezogen. Seit dem 11. September 2001, aber spätestens seit 2020, oder auch bei Klima und anderen Themen sehen wir, dass viele «Linke» angekommen sind und sich als ideologische Propagandisten der Herrschenden verdingen. Ihre Allergie gegen Verschwörungstheorien ist eine der größten antimaterialistischen Abweichungen. Als ob die Herrschenden sich nicht gegen die Mehrheit, die von ihnen ausgebeutet und unterdrückt wird, verschwören müsste, um sie zu belügen und zu betrügen.
Also ein vielschichtiges Versagen der klassischen Linken?
Außerdem haben wir eine gewisse Ausschaltung des Marktes beim Corona-Impfstoffprogramm und das Herunterfahren mancher Wirtschaftssektoren gesehen. Es hieß, «die Arbeiter müssten geschützt werden», da haben manche der Linken gedacht, dass es auf einmal nicht um Profit gehen würde. Wie durch ein Wunder würde irgendwie mal das Richtige getan. So meinten manche, doch über ihren Schatten springen zu müssen, um mal die bösen Kapitalisten zu unterstützen. Anscheinend haben diese Linken in wirtschaftlicher Analyse keine Übung mehr, denn es gab ja durchaus Sektoren, die sehr viel Profit gemacht haben.
In Deutschland gab es noch richtig was zu holen, und zwar die deutsche Mittelschicht sowie die mittelständischen Unternehmen – dank ihnen war der «Corona»-Widerstand so stark. Viele Branchen konnten durch das «Corona»-Programm umstrukturiert werden. Aber die Kapitalisten konnten die Wirtschaft nicht nur aufkaufen und weiter monopolisieren, sondern man hat diese relativ unabhängige Schicht auch unterdrücken und als Gefahr schwächen können.
Auf diese Tendenz zur Ausschaltung des Marktes für Impfstoffe und einer Form der geplanten Wirtschaftslenkung sind Linke ebenfalls angesprungen. Nach dem Motto: Das sind zwar nicht die Richtigen, die das machen, aber der Prozess geht in die richtige Richtung. Es werden überflüssige Zwischenunternehmen in größere Komponenten integriert. Linke ließen sich vormachen, dass dies doch irgendwie zum Sozialismus führen würde.
Führen Monopole etwa nicht zum Sozialismus?
In der rechtsdominierten Alternativpresse sehen wir durchaus die Kritik, dass das, worauf es hinausläuft, sozialistische Tendenzen habe. Und zu einem gewissen Grad stimmt das, auch wenn es völlig verkehrt ist. Denn das, was hier vollzogen wird, führt nicht zu einem richtigen Sozialismus, nicht mal zu einem pervertierten. Damit soll einfach die Herrschaftssicherung der Mächtigen garantiert werden. Denn die systemischen Widersprüche des Kapitalismus hat Karl Marx erwiesenermaßen korrekt analysiert – diese typischen Krisenerscheinungen wie Überproduktion, Unterproduktion, Massenarbeitslosigkeit. Letztendlich macht das System zu wenig Profit, und es muss in immer größeren Einheiten organisiert und produziert werden, um die Profitrate aufrechtzuerhalten. Diese stößt aber, wie Marx schon gesagt hat, an ihre Grenzen.
Der Kapitalismus und das ihm eigene Chaos ist ein zu großes Risiko für die Herrschenden. Ein System das Elemente der Sklaverei oder des Feudalismus aufgreift, gepaart mit moderner Überwachungstechnologie und Bewusstseinsmanipulation, erscheint denen wohl als sicherer.
Warum handelt es sich um keinen «wahren» Sozialismus?
Die Herrschenden schalten nur das Risiko aus. Die Produktionsmittel bleiben in der Hand der wenigen mächtigen Reichen, gehen nicht ins Volkseigentum über und werden auch nicht durch das Volk kontrolliert. Es gibt keinen Plan, der sich an den Bedürfnissen der Mehrheit – der Arbeiterklasse, aber auch der anderen Klassen – orientiert und nach deren Bedarf produziert. Sondern die ganze Wirtschaft, das heißt jede Tätigkeit, die in diesem System agiert, ist letztendlich eine Verausgabung von unserer Kraft, die aber nicht uns zugutekommt, sondern den Reichen; sie erlangen Profit, aber auch Kontrolle über uns. Sie nutzen unsere Tätigkeit aus, um uns unten zu halten, zu überwachen, zu Tode zu spritzen, in Kriegen aufeinanderzuhetzen und unser Leben so unfrei und mühselig zu machen.
Der wahre Sozialismus umfasst zentrale Planwirtschaft, die aber demokratisch kontrolliert wird. Es wird demokratisch entschieden, welche Prioritäten zu setzen sind. Und natürlich wäre alles im Besitz aller. Das ist ein gravierender Unterschied – wie Tag und Nacht. Denn der Pseudo-Sozialismus, den die Rechten den jetzigen Herstellern unterstellen, führt − und da haben die Kritiker durchaus Recht − in absolute Unfreiheit, Unterdrückung, Entvölkerung.
Ein Sozialismus, der die demokratische Verfügungsgewalt darüber hat, was wir in Unternehmen produzieren und erschaffen, wie wir unser Leben gestalten, der wäre in unserer Kontrolle. Wir hätten eine unbekannte Form von Freiheit beziehungsweise Gestaltungsmöglichkeit in unserem Leben. Und diese Freiheit ist eben nur möglich, wenn wir die Rahmenbedingungen radikal ändern, also sozialistische Rahmenbedingungen einführen.
Die Freiheitsvorstellungen, die es auch im «Corona»-Widerstand gibt und die zum Teil in Ansätzen sehr gut sind, werden nur realisiert werden können, wenn die wichtigen Stellschrauben, die Sichtachsen und Handlungsachsen, umgepolt werden. Sonst bleibt alles eine Illusion, die zu Enttäuschung und Zynismus führt, da immer nur falsche Hoffnungen verbreitet werden, die ohne realistische Realisierungsmöglichkeiten Ohnmachtsgefühle und Passivität weiter steigern.
Da schwingt Kritik mit. Was wirfst Du dem «Corona»-Widerstand vor?
Wenn wir sehen, dass der Widerstand hauptsächlich von kleinen Unternehmern und Selbstständigen angeführt wurde, dann ist deren Ideal natürlich der freie Kapitalismus. Sie leben ja schließlich davon, dass sie ihre Geschäfte machen und Arbeiter haben, die ihren Profit erwirtschaften. In dem Sinne wurden sie von der herrschenden Ideologie geprägt.
Sie sind sehr individualistisch und glauben die bösen Geschichten über den Sozialismus. Das wollen sie kaum hinterfragen. Sie hinterfragen sonst alles, das ist sehr gut und hat auch stark in die Freie Linke hineingewirkt – dieser radikale Skeptizismus und Antidogmatismus, dieser Wille zur Aufklärung. Aber die Vorstellung, dass wir uns nur selber ändern müssen, damit sich alles ändert, ist ein wesentliches Propagandaelement der herrschenden Ideologie.
Das wird uns von Kindheit an beigebracht: Jeder wäre seines Glückes Schmied. Und wenn wir versuchen, uns gemeinsam zu organisieren, eine Gegenmacht aufzustellen, dann heißt es aber auch in linken Gruppen, wir dürften keine Machtstrukturen etablieren, da diese nur zum Totalitarismus oder Missbrauch führen würden. Natürlich kann Macht missbraucht werden, aber dann muss man eben Wege finden, sie zu kontrollieren.
Dieser anarchistische und liberale Individualismus ist auch in der Linken sehr verbreitet und gleichzeitig auch in der «Corona»-Bewegung. All das schwächt eine Bewegung. Sie bleibt dezentral – was sicher auch gewisse Vorteile haben kann. Aber sie hat es nicht geschafft, sich wirklich im nationalen Maßstab oder auch nur länderweit einigermaßen kohärent aufzustellen und Strukturen hervorzubringen, die auf Dauer angelegt und belastbar sind, mit denen man arbeiten kann und die auch homogene Strategien ausführen. Sie haben uns eingesperrt, die Luft weggenommen, unsere Bekannten, Verwandten, Familienmitglieder totgespritzt. Sie führen Kriege, haben viele Millionen Palästinenser, Jemeniten, Ukrainer, Russen, Iraker, Syrer und andere auf dem Gewissen. Es tut mir leid, aber ganz alleine kann man sich dagegen nicht wehren. Wir müssen uns organisieren, und wir müssen auch Macht ausüben.
Es gibt eine große Anzahl von Individuen, die locker organisiert sind, die das alles ähnlich sehen und nicht über sich ergehen lassen wollen. Aber alleine sind wir uns unserer Stärke nicht mehr bewusst. Diese Stärke, die wir hatten, als Hunderttausende in den deutschen Städten und bei den Montagsspaziergängen auf der Straße waren. Es hatten sich zwar verschiedene Organisationen gebildet, aber die wirkliche Machtfrage wurde noch nicht gestellt. Das wäre dann revolutionär.
Was ist denn mit Hinblick auf die Entwicklungen seit 2020 unter «herrschender Klasse» zu verstehen?
Die klassische Definition meint mit «herrschender Klasse» die Bourgeoisie, also das Bürgertum, das davon lebt, dass sie die Arbeitskraft der anderen durch die Ausbeutung des Mehrwerts aufsaugt. Im Lohnarbeitsverhältnis bekommt der Angestellte mit dem Gehalt nicht den gesamten Wert. Er bekommt minimal so viel, um seine eigene Arbeitskraft zu reproduzieren, also um sich seinen Lebensunterhalt leisten zu können. Den Rest eignet sich der Kapitalist an. Die Bourgeoisie hat aber natürlich noch andere Einnahmen wie Renteneinkommen, Grundbesitz und dergleichen. Das ist das, was die Kommunisten traditionell die herrschende Klasse nennen: Die Bourgeoisie, die davon lebt, dass sie die Arbeitskraft der Arbeiterklasse ausbeutet.
Zur Logik des Kapitalismus gehört aber auch, dass sich die Kapitalisten gegenseitig auffressen. Dass die einen ihre Geschäfte, weil sie unrentabel sind, aufgeben müssen, die anderen bilden dann immer größere Fabriken und Monopole. Wer sich darüber verständlicherweise grämt und beschwert, sollte sich doch dann nicht trotzdem den Kapitalismus wünschen. Denn dessen Gesetze führen genau zu diesen Konzentrationsprozessen und den Superoligarchen, die nun sein Unternehmen plattmachten. Das ist kaum mehr rational. Auch kleine und mittelständische Unternehmer sollten echte Ursachenforschung betreiben.
Diese Unternehmer scheinen eher mit libertären Ideen zu liebäugeln.
Es ist ein Mythos, dass es im Kapitalismus immer freie Konkurrenz gibt. Diese libertären Tendenzen könnte man auch als reaktionär bezeichnen, da sie zu etwas zurück möchten, das es – wenn überhaupt – mal ganz kurz gab. Aber das musste innerhalb der Logik des Kapitalismus überwunden werden.
Wir sehen einen stetigen Konzentrationsprozess, einige Individuen sind viel mächtiger geworden. Derjenige, der ein mittelständisches Unternehmen hat und auch seine Arbeiter ausbeutet, gehört nicht zu diesen Superoligarchen. Vielleicht macht es mehr Sinn, von einer Kaste zu sprechen, wenn diese Superoligarchen gemeinsam handeln und eine organisierte Einheit bilden. Hier müsste die klassische marxistische Definition wirklich mal aktualisiert werden.
Auch Unternehmer sollten sich also für die Freie Linke interessieren?
Diese Prozesse der Konzentration von Reichtum sind über den deutschen Mittelstand hinweggefegt. Von da kamen die schärfsten Opponenten dieses Terrorprogramms und auch die fähigsten Redner und Mitgestalter, weil sie ja konkret etwas zu verlieren haben.
Plötzlich finden mittelständische Unternehmer sich auf der Seite der Lohnabhängigen. Sie schwanken noch und sind unsicher, ob sie sich wirklich auf die Seite der Arbeiter stellen sollen, um konsequent die Oligarchen zu bekämpfen. Oder sie machen sich Illusionen, dass sie da irgendwie noch so eine Zwischenposition halten könnten. Aber eigentlich werden die kleinen und mittleren Unternehmer von diesen ökonomischen Prozessen überrollt. Und das hatte Marx tatsächlich auch gesagt, die Mittelschicht, die Mittelklasse, wird am Ende, wenn der Kapitalismus seine finalen Krisen erreicht, zerrieben. Und das sehen wir jetzt.
Die Mittelschicht hat Schwierigkeiten sich zu orientieren – weder links noch rechts – das kommt ja nicht von ungefähr. Es droht die Proletarisierung. Aber gleichzeitig haben viele Angst davor, die letzten Konsequenzen durchzudenken und zu ziehen, um sich auf die Seite derjenigen zu stellen, die gegen den Kapitalismus sind, der eben diese Oligarchen hervorbringen muss. Die Oligarchen sind so mächtig, dass sie nun den Kapitalismus selbst zu etwas anderem transformieren, um so mit uns allen umspringen zu können, wie wir es die letzten Jahre erleben mussten und weiter erleben werden.
Deswegen erweist sich oberflächlich antikapitalistische Rhetorik, wie etwa im «Ökosozialismus», als so gefährlich, weil dabei die Attraktivität und Rationalität des Sozialismus ausgenutzt wird, um bei den Massen für das angedeutete Programm der Herrschenden zu werben, bei dem es um die totale Versklavung und Demütigung der Menschheit geht. Allerdings wird so einer echten sozialistischen Bewegung das Wasser abgegraben.
In einigen alternativen Medien geht man eher den entgegengesetzten Weg, und es werden Ideen des Ökonomen Friedrich von Hayek vertreten.
Echte Linke wollen den Herrschenden die Machtbasis wegnehmen, davor haben sie Angst. Deshalb diese ständigen antikommunistischen Lügen, die leider auch von vielen Alternativmedien unkritisch übernommen werden. Warum eigentlich? Sonst ist man dort doch so geübt im Entlarven von Lügen und Verschwörungen.
Viele alternative Medien leisten sehr gute Arbeit. Aber auf die Idee, dass man denjenigen, die offen zugeben, dass sie den «Corona»-Coup mit angeschoben haben, eigentlich ihre Macht wegnehmen müsste, kommt im alternativen Blätterwald kaum jemand.
Auch Hayeks radikaler Markt-Liberalismus ist nur eine Utopie – eine brutale noch dazu. In Chile hat man das versucht und es nur geschafft, weil man die Menschen mit Maschinengewehren niedergeschossen hat. Und Javier Milei mag in Argentinien vielleicht den Staatssektor verkleinern, aber den Polizei- und Justizapparat und alles, was dazu dient, um die Leute in Unfreiheit zu halten, hat er meines Wissens noch nicht reduziert.
Trump und andere Populisten greifen Themen auf, mit denen sie sehr einfach punkten können – von den Corona-Maßnahmen, über die Klimadiskussion und Energiewende bis zu den völligen Übertreibungen bei LGBT. Aber bei wesentlichen Dingen – wie NATO, Aufrüstung oder wirklichen Maßnahmen zur Demokratisierung der Wirtschaft und der Verfügungsgewalt über unser Land – sind sie natürlich eindeutig auf Seite der Herrscher. Es entsteht der Eindruck, dass diese Politiker stark gemacht werden sollen – sozusagen als Ersatzmannschaft, die nur eine etwas andere Trikotfarbe hat.
Was sagst Du denn dem Mittelständler, der sich vom Staat gegängelt fühlt?
Wenn er wirklich, was ich auch nicht abstreiten will, diesen echten Freiheitsimpuls, -willen und dieses demokratische Selbstverständnis hat, dann sollte er sich eigentlich mit den Ursachen und echten Alternativen beschäftigen.
Unternehmer haben viele hervorragende Fähigkeiten, die sie in größerer Freiheit einsetzen könnten, wenn wir wirklich eine sozialistische Gesellschaft aufbauen, in der es dann eben nicht mehr darum geht, nur sich selbst zu bereichern. Da wäre dann auch Platz, diese intellektuellen und Ingenieurskünste in den Dienst der Gesellschaft zu stellen.
Aber dieses Zurück oder dieses Vorwärts zu einem Kapitalismus des freien Marktes, das wird es nicht geben. Deswegen sind viele verunsichert und scheinbar für wirklich alles offen. Dogmen werden hinterfragt, das ist die große Stärke des «Corona»-Widerstands. Aber dieser Geist wird auch hin und wieder von den Gatekeepern gebremst und abgelenkt, die dann sagen: «Naja, das ist aber jetzt nicht mehr vernünftig. Das geht zu weit, wir dürfen nicht alles in Frage stellen.» Dabei bietet diese radikale Offenheit die Möglichkeit, sich auch geistig freizuschwimmen.
Und wenn der libertäre Mittelständler merkt, dass er seine Fabrik irgendwann vergessen kann, aber noch in Freiheit leben will, dann muss er sich mit denen da unten gegen die da oben verbinden.
Was muss passieren?
Wir brauchen natürlich diese geistigen Freiheiten und diesen Willen der Aufklärung, alle Autoritäten und Geschichtsbilder zu hinterfragen. Und dieses Moment, denke ich, gilt es unbedingt weiter zu kultivieren, zu konservieren oder zu verstärken, weil wir nie wissen können, wie lange wir in vorrevolutionären Zeiten leben.
Aber wir sollten verstehen, dass es nicht nur im Reich der Ideen bleiben darf. Sondern, dass wir uns organisieren müssen, weil uns vielleicht die Zeit davonläuft. Denn diese Transformation des Kapitalismus hin zu einer Ausformung der digitalen Sklaverei würde mit dem digitalen Zentralbankgeld ein mächtiges Werkzeug in die Hand bekommen. Und sie könnten uns wieder an die Scholle oder an die Fabrik binden. Und wenn wir ausbrechen, dann ist unser Bankkonto weg – was heute auch schon passiert.
Die Vervollkommnung des Käfigs um uns herum, scheint voranzuschreiten. Und das heißt, wir müssen uns wirklich dagegen organisieren, aber auch mit dem Willen und dem Ziel, erst mal eine Gegenmacht zu schaffen. Damit diese Machenschaften schwächer werden, aufhören und eventuell in Richtung einer wirklich freien Gesellschaft umgewandelt werden. Es muss mehr Realismus einkehren, sonst bleibt das hier bei bloßem Utopismus – wie das früher hieß.
Freie Linke bei einer Demonstration in Kassel im März 2021; Foto: Sokratiker.de
Wie sieht eine lebenswerte Zukunft aus, wenn es nach der Freien Linken geht?
Wir nehmen das Leben selber in die Hand, nicht nur das Leben des Individuums, der Person, sondern das Leben von uns als Gesellschaft – auch nicht nur Gemeinschaft, nicht Stammesgemeinschaft – sondern Gesellschaft. Denn eine rationale Wirtschaft, die nicht auf Profit, sondern auf unsere Bedürfnisse orientiert ist, bedarf der zentralen Planung. Wozu sollen wir unsere Arbeitszeit wegwerfen, wenn wir alles, was wir brauchen, auch mit weniger Aufwand besser und in größeren Mengen herstellen können, sodass alle versorgt sind. Anstatt, wie im Kapitalismus von Hayek oder den Libertären, einfach wild ins Grau zu produzieren und dann zuzusehen, wie zehn von zwölf Firmen pleitegehen, die Arbeiter verzweifeln und wir das zu viel produzierte Zeug wieder wegwerfen. Dieser ganze Irrationalismus bringt uns einfach nicht weiter.
Was soll das für eine Demokratie sein, wenn nicht wir alle, sondern nur die Bourgeoisie – oder die herrschende Kaste oder die Oligarchen – über das Wesentliche bestimmen können? Wir brauchen eine wirkliche Demokratie, in der die Bevölkerung die Prioritäten setzt. Ob dann das Wichtigste erst mal Wohnungsbau oder dies oder jenes ist, das bleibt dann den Leuten überlassen.
Aber das Paradies will ich an dieser Stelle nicht ausmalen, weil es kein Paradies geben wird. Man muss sich ja nur unser Land und die ganze Welt anschauen. Es gibt sehr viel zu tun, sehr viel aufzubauen. Man müsste sich wieder mit Ingenieurskunst, mit Straßenbau, mit Technik beschäftigen, mit wirklich nützlichen Sachen, vielleicht die ganze Medizin nochmal umwerfen und sehen, was man da noch brauchen kann. Aber auch die Künste und Wissenschaften müssen – wie so vieles – endlich rational und im Dienste der Menschheit ausgerichtet werden.
Wie kann man sich der Freien Linken anschließen?
Über die Website der Freien Linken Zukunft kann man den Kontakt aufnehmen und wird zuverlässig an alle existierenden Gruppen im Land vermittelt. Auch über Telegram findet man nach wie vor zu uns. Die Freie Linke hat eine wichtige Aufgabe. Und sie braucht Verstärkung.
Der «Corona-Widerstand» hat sich jetzt wirklich alles angeguckt, was es rechts gibt. Es gilt, auch mal linksoffen zu werden und zu fragen, ob denn der Kapitalismus, die Geschichte der bisherigen Klassenkämpfe, etwas mit unserer derzeitigen Situation zu tun hat und wie es weitergehen könnte.
Wenn wir verhindern wollen, dass so ein «Corona»-Coup noch mal passiert, dann müssen wir die Machtfrage stellen, und die Machtfrage hängt eben mit den Besitzverhältnissen zusammen. Und da muss man hinsehen. Wenn wir den Oligarchen, den Herrschenden, nicht die Macht nehmen, können sie das jederzeit wieder machen. Da muss dringend etwas geschehen, sonst bleibt vom ganzen Protest seit 2020 nicht anderes übrig als ein Aufschrei von einer kleinen Gruppe, die in 20 Jahren nicht mehr da sein wird – auch weil die Unternehmen und Läden nicht mehr existieren.
Als Freie Linke versuchen wir, in die linken Zusammenhänge zu wirken, die dieses «Corona»-Manöver aktiv mitgemacht haben. Zu denken, dass es keine Verschwörungen gibt, ist eine absolut groteske Abweichung vom materialistischen Denken. Wir wollen auch darauf aufmerksam machen, dass die klassischen Linken die Klassenkämpfe nicht mehr erkennen und alles, was die Herrschenden sagen, sei es in der Medizin, in der Virologie oder zum Klima, nicht mehr hinterfragen.
Außerdem sind wir auch auf Friedensdemonstrationen anzutreffen. Und haben uns gegen die NATO-Politik des Krieges gegen Russland ausgesprochen – dazu hat man die Ukraine instrumentalisiert. Man verteidigt die Ukraine ja nicht, man macht sie kaputt. Ein Land, das beim «Corona»-Coup sehr widerspenstig war. Leider gehen da auch «Corona»-Widerständler in den Schützengräben vor die Hunde.
Wie steht die Freie Linke zu Russland?
Ganz klar, die NATO ist auch für uns ein rotes Tuch. Aber die Freie Linke ist ein sehr debattierfreudiges Häuflein und keine Sekte mit homogenen Meinungen. Kritik an Russland gibt es, weil sie genauso Lockdowns hatten und Kritiker in den Kerker geworfen wurden. Außerdem stellt Russland immer noch Impfstoffe her und macht bei der biometrischen Überwachung sowie bei digitalen Währungen mit. Die russischen Eliten und auch die Funktionäre und Technokraten scheinen doch relativ stark in dieses Weltbild der UNO oder der Institutionen, die das «Corona»-Programm durchführen, eingebettet zu sein. Sie fahren ein ähnliches Programm.
Andererseits wird Russland angegriffen. Das heißt, man darf sich nicht in die Gefahr begeben, Russland auf eine Art und Weise zu kritisieren, die den Unabhängigkeitsbestrebungen des russischen Volkes schadet. Russland hätte auch viele Mittel, dem Jemen oder Gaza zu helfen, oder denjenigen, die wirklich Widerstand gegen die NATO oder all diejenigen leisten, die dieses Programm der Oligarchen ausführen. Aus einer linken kommunistischen Sicht, ist es nur legitim, das aufzuzeigen und Russland oder China auch zu kritisieren.
In Deutschland wird die humanitäre Organisation Friedensbrücke, Kriegsopferhilfe e.V. kriminalisiert. Was sagst Du dazu?
Es herrscht ein starkes Interesse, Kritiker mundtot zu machen. Wenn die Art und Weise, wie sie auf Kritik reagieren und mit welcher Härte sie dagegen vorgehen, ein Hinweis darauf ist, wie instabil sie ihre Macht und die Machtbalance gerade empfinden, dann ist das vielleicht ein kleiner Hoffnungsschimmer.
Aber wenn wir nicht aufpassen, uns dagegen wehren und uns organisieren, dann kann das auch die Fortsetzung der bleiernen Zeit sein, wo wir hier gar nichts mehr organisiert bekommen und machen dürfen. Wenn ihnen das auch noch durchgeht, dann wird es für uns alle verdammt schwer.
Das Interview führte Sophia-Maria Antonulas.
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