Offenbar gebe es Einigkeit über die Einführung eines Veteranentags, meldete die deutsche Tagesschau am vergangenen Sonntag. Im Deutschen Bundestag zeichne sich eine breite Mehrheit für die Einführung eines Gedenktags für die Ehemaligen der Deutschen Bundeswehr ab.
Bundesverteidigungsminister Pistorius wolle «mehr öffentliches Bewusstsein für die Opfer derjenigen erzeugen, die in Uniform dienen», wird gemeldet. Dagegen ist nichts einzuwenden. Auch andere Länder haben einen solchen Gedenktag, darunter Frankreich und Grossbritannien.
In den USA heisst dieser Tag «Veterans Day» und wird am 11. November begangen. Kelly Denton-Borhaug, Professorin und Programmdirektorin für Friedens- und Gerechtigkeitsstudien an der Moravian University, nahm den Feiertag zum Anlass für einige Reflexionen, wie Global Research berichtet.
Denton-Borhaug betrachtet den Veteranentag «einmal anders», nämlich aus der Perspektive von Zeugen der verheerenden Auswirkungen von Kriegshandlungen. Zu den Menschen, die «selbst solche Schreckensszenarien durchlebt haben», zählt sie neben den zivilen Opfern auch eben solche Militärveteranen. Sie hat mit einigen gesprochen.
Wut, Trauer, Verwirrung und Verzweiflung seien gängige Empfindungen nach derartigen Erlebnissen, egal auf welcher Seite. Ebenso versuchten viele, gegebenenfalls ihr Leben lang, die Gründe für ein solches Mass an Unmenschlichkeit und Gewalt zu verstehen.
Das entscheidende Element bei der Frage nach dem «Warum» sei die Entmenschlichung:
«Wenn Menschen sich die Entmenschlichung anderer zu eigen machen, setzen wir unser hässlichstes, zerstörerischstes Selbst frei. Die Entmenschlichung ist eine perverse Kraft, die Gewalt propagiert und die Lust am Krieg und seine Gräueltaten rechtfertigt.»
Fast 80 Jahre nach den ersten Atombombenexplosionen hätten die US-Amerikaner immer noch nicht ernsthaft darüber nachgedacht, wie leicht man gelernt habe, strukturelle Gewalt zu rationalisieren, so Denton-Borhaug. Der Psychiater Robert Jay Lifton habe eine tiefe «psychische Betäubung» diagnostiziert. Die Menschen hätten sich von der realen Gefahr eines sogar nuklearen Krieges distanziert und moralisch abgekoppelt.
Zwei «Wahrheiten» über Gewalt, Krieg und Entmenschlichung stellt die Autorin heraus:
- Erstens gehe Entmenschlichung den Schrecken des Krieges immer voraus und ebne den Weg dafür. Menschen würden andere Menschen nicht töten, wenn sie wirklich glaubten, dass deren Leben genauso viel wert ist wie ihr eigenes. Das ebne den Weg für verheerende Gewalt als einzig mögliche Lösung.
- Zweitens erzeuge Entmenschlichung auch eine ganz eigene Vernichtungsenergie, durch die sich die grausame Zerstörung des Krieges exponentiell vervielfache. Dabei könne es auf beiden Seiten zu einem regelrechten «Gewaltrausch» kommen.
Auch heute wieder werde unbeschreibliche zerstörerische Gewalt als notwendig rationalisiert. Die «Trommelschläge der Entmenschlichung» kämen zum Beispiel aus der Ukraine, Israel und dem Gazastreifen. Wieder einmal würden Menschen als «Tiere» bezeichnet und die jeweils andere Seite sei das pure «Böse». Die einzige Lösung für einen solchen Konflikt bestehe in der Vorstellung der Menschen darin, den Feind auszulöschen und den «vollständigen Sieg» zu erringen.
Letztendlich zerstöre aber die Entmenschlichung auch uns, auch wenn wir es nicht merkten. Die immerwährende Frage, vor der die Welt stehe, sei die folgende: Gibt es einen Weg, wie wir zu einer grösseren Wiederherstellung der Menschlichkeit gelangen können?
In Wirklichkeit müssten wir uns nicht abfinden mit psychischer Betäubung oder endloser Entmenschlichung und Gewalt als den einzig möglichen Antworten auf unsere «kaputte Welt», ermuntert uns Denton-Borhaug. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf Menschen richteten, deren Erfahrungen mit schrecklicher Gewalt sie erstaunlicherweise nicht zerstört haben, könnten wir einen anderen Weg nach vorne erkennen.
Die Antwort sei klar: Die Gräuel eines Krieges sind unter keinen Umständen zu rechtfertigen. Wenn wir in diesem «verheerenden Moment» auf diesem Planeten menschlich bleiben wollten, gebe es keinen anderen Weg.
Kommentar Transition News:
Die aktuelle Forderung des Herrn Pistorius, dass «wir kriegstüchtig werden müssen», kann vor dem Hintergrund dieser Überlegungen entsprechend eingeordnet werden. Und in Sachen «Veteranentag» sei auch die Frage erlaubt, ob nicht der bestehende Volkstrauertag ausreichen würde. Dieser erinnert nämlich an die «Opfer von Gewalt und Krieg aller Nationen».
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