Ein neuer politischer Sturm fegt über Athen hinweg. Im Zentrum: eine private Firma, politische Netzwerke – und der Vorwurf, mit öffentlichen Mitteln eine orchestrierte Kampagne zur Manipulation der öffentlichen Meinung zu betreiben. Die Enthüllungsplattform Inside Story brachte Licht ins Dunkel über die Agentur Blue Skies, deren Eigentümer enge familiäre und politische Bande zur Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) unterhält.
Die Recherchen zeigen: Die «Oμάδα Aλήθειας» («Wahrheitsgruppe»), ein medial äußerst aktiver, regierungsfreundlicher Kommunikationsapparat, wird seit Jahren von Blue Skies bezahlt – darunter Personen, die auch für die ND und das Regierungspresseamt arbeiten oder gearbeitet haben. Dies meldete zum Beispiel diese Woche die Plattform in.gr (hier und hier).
Die Reaktionen auf die Enthüllungen sind heftig. Oppositionsführer Nikos Androulakis (PASOK) stellte in der Parlamentsdebatte die rhetorische Frage: «Wer finanziert eigentlich die digitalen Schlägertrupps, die sich hinter anonymen Profilen verstecken und Desinformation streuen?» Und weiter: «Handelt es sich hier um eine von der ND direkt finanzierte Einheit oder um eine Konstruktion im Dienste privater Interessen?» Androulakis, selbst Ziel illegaler Überwachungsmaßnahmen durch das umstrittene Predator-Spähsystem, kennt das Spiel der gezielten Charakterzerstörung aus eigener Erfahrung.
Auch die linke SYRIZA spricht von einem «dunklen Netzwerk», das mit öffentlichen Geldern und politischem Auftrag operiere. Die Wahrheitsgruppe habe sich laut Partei nicht nur auf politische Gegner eingeschossen, sondern auch auf Journalisten und gar Angehörige von Opfern der nationalen Tragödie von Tempi (wir haben letztmals hier darüber berichtet, weitere Links im Beitrag) – ein schockierender Tiefpunkt im politischen Diskurs.
Die Enthüllung wirft ein grelles Licht auf die bislang informellen Verbindungen zwischen Partei, Staat und PR-Agenturen. Der mediale Kampfbegriff Wahrheit, den die Wahrheitsgruppe für sich reklamiert, erscheint in neuem Licht. Ist es wirklich Wahrheit – oder doch nur politische Instrumentalisierung?
Im Zentrum der Kritik steht Premier Kyriakos Mitsotakis. Er hatte noch vor kurzem im Parlament der Opposition vorgeworfen, Armeen von «Bots» zur politischen Manipulation einzusetzen. Nun zeigt sich: Die regierungsnahe Seite scheint selbst ein professionell organisiertes Netzwerk zu betreiben – mit klaren politischen Zielvorgaben, hoher Finanzierung und technischer Raffinesse.
Regierungssprecher Pavlos Marinakis: «Die Mitglieder der Wahrheitsgruppe stehen mit ihrem Gesicht für ihre Arbeit ein. Sie kämpfen gegen Desinformation.» Auch Gesundheitsminister Adonis Georgiadis lobte den «historischen Beitrag» der Gruppe zur politischen Debatte.
Doch die Debatte um Transparenz ist damit nicht beendet. Wer beauftragte die PR-Firma? Wurden staatliche Mittel eingesetzt? Wie steht es um die Vergabe öffentlicher Aufträge an Kommunikationsunternehmen, die mit Parteimitgliedern personell verflochten sind? Laut der oppositionellen Neuen Linken handelt es sich hierbei um eine moderne Form des Parastaats – ein Schattenapparat, der weit über die klassischen Mechanismen von Partei und Regierung hinausreicht.
Ein weiteres pikantes Detail: Mehrere Social-Media-Accounts, die für gezielte Diffamierungen bekannt sind, sollen laut Inside Story Verbindungen zur Blue Skies aufweisen. Insbesondere ein Account mit dem Pseudonym Lexotanil, ein in Griechenland sehr beliebtes starkes Beruhigungsmittel, steht im Fokus, da laut Recherche ein Mitarbeiter von Blue Skies dahinterstecken soll.
Die Enthüllungen kommen für die Regierung zur Unzeit. Bereits das Drama um die Abhörskandale, das Management der Tempi-Katastrophe und die anhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben das Vertrauen in die ND erschüttert. Laut Umfragen verliert die Partei weiter an Zustimmung – und hält sich nur dank mangelnder Alternativen auf Seiten der Opposition.
Ein Ende der Affäre ist nicht in Sicht. Während sich das Premierministerbüro in Schweigen hüllt, kündigen SYRIZA, PASOK und die Neue Linke parlamentarische Initiativen an, um Licht in die finanziellen und organisatorischen Verstrickungen zwischen Regierung und Propagandaapparat zu bringen. Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, dass öffentliche Gelder in eine private «Wahrheitsfabrik» geflossen sind, droht ein handfester Skandal.