«Die Bedrohungslandschaft des 21. Jahrhunderts erfordert eine globale Allianz, die zur gegenseitigen Verteidigung fähig ist.» Das behauptet die Politikanalystin Jessica Berlin im Online-Journal des Center for European Policy Analysis. Sie schlägt deshalb eine NATO ohne Grenzen vor – eine Ausweitung des Nordatlantik-Bündnisses auf alle demokratischen Nationen.
In ihrem Beitrag, über den Francis P. Sempa in RealClear Wire berichtet, fordert Berlin, die NATO müsse «ihre Türen öffnen für neue Mitglieder ausserhalb Europas und Nordamerikas». Sempa findet ihren Vorschlag «von atemberaubender Tragweite», denn er bedeute, dass ein Angriff auf irgendeine Demokratie ein Angriff auf alle Demokratien darstelle. Sempa erläutert:
«Es ist ein Rezept für endlose Kriege auf allen Kontinenten und eine rücksichtslose Ausweitung der amerikanischen Atomgarantie auf alle Demokratien der Welt. Es stellt den umsichtigen Rat von John Quincy Adams auf den Kopf: Amerika begibt sich ins Ausland auf der Suche nach Monstern, die es zu zerstören gilt, und ist der Verfechter und Verteidiger der Freiheit und Unabhängigkeit aller Demokratien.»
Sempa zufolge erfüllt die von Berlin vorgeschlagene «Organisation des Neuen Bündnisvertrags» die Visionen und Doktrinen mehrerer US-Präsidenten, von Woodrow Wilson über Harry S. Truman und John F. Kennedy bis hin zu George W. Bush. So wollte Wilson beispielsweise die Macht, die Schätze und das Blut der USA nutzen, um die Welt «sicher für die Demokratie» zu machen. Der Journalist stellt fest:
«Berlin ist einfach die jüngste Vertreterin des Demokratismus, einer Ideologie, von der Patrick Buchanan argumentierte, dass sie ‹diese Republik ausbluten, bankrott machen und in endlosen Kreuzzügen und endlosen Kriegen zerstören würde›. Es ist eine Tragödie der Geschichte, dass die Ideologie des Demokratismus mit der Machtübernahme dessen zusammenfiel, was Präsident Eisenhower den ‹militärisch-industriellen Komplex› nannte. Diese Tragödie ist in Südostasien, im Irak, in Afghanistan und in kleineren Konflikten mit Blut geschrieben.
Und Berlin stellt sich die neue NATO nicht nur als die Armee der Demokratien der Welt vor, sondern auch als die Streitmacht, die eingesetzt wird, um Völkermord zu verhindern oder zu stoppen, wo immer er auftritt. Hier ahmt Berlin die Vorstellung von Samantha Power nach, dass die Vereinigten Staaten und ihre europäischen Verbündeten eine ‹Verantwortung zum Schutz› (R2P) der übrigen Weltbevölkerung haben.»
Sempa zitiert Otto von Bismarck, der bemerkte, es sei eines grossen Staates unwürdig, über etwas zu streiten, das seine Interessen nicht betrifft. Bismarck bezog sich allerdings auf tatsächliche, konkrete Interessen, nicht auf ideologisch definierte.
Der britische geopolitische Denker Sir Halford Mackinder verstand Sempa zufolge, dass demokratische Ideale den geopolitischen Realitäten weichen müssen.
Der Journalist erinnert ausserdem an den ersten US-Präsidenten George Washington, der seinen Landsleuten riet, Aussenpolitik ohne Sentimentalität oder Emotionen zu betreiben, «sich von dauerhaften Bündnissen mit irgendeinem Teil der fremden Welt fernzuhalten» und «für aussergewöhnliche Notfälle ungefährdet auf vorübergehende Bündnisse zu vertrauen». Sampa Schliesst:
«Jessica Berlin möchte nicht nur die NATO dauerhaft machen; Sie möchte sie auf geografische und ideologische Ausmasse ausdehnen, vor denen selbst seine glühendsten Unterstützer und Bewunderer zurückschrecken sollten. Kreuzfahrer und Ideologen sind gefährliche Staatsmänner.»
Dem ist noch hinzuzufügen, dass die tatsächliche Macht auch in formalen Demokratien meistens nicht vom Volk ausgeht. Insbesondere, wenn die Macht der Mainstream-Medien und die zunehmende Unterdrückung der Meinungsfreiheit berücksichtigt werden. Denn ohne ausgewogen informierte Bürger bleibt die Demokratie eine Illusion. Doch sie eignet sich eben bestens als ideologischer Vorwand, um in andere Länder einzugreifen.
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