Mindestens 260 Raver wurden am 8. Oktober 2023 bei einer Trance-Party nahe des Gazastreifens von Hamas-Kämpfern umgebracht, andere wurden entführt (wir berichteten hier und hier). Inzwischen haben weitere Überlebende über ihre schrecklichen Erlebnisse gesprochen.
Alle Interviewten betonten, dass sie noch nicht besorgt gewesen seien, als sie die Raketen sahen und hörten. Sie seien solche Angriffe gewöhnt gewesen und hätten dem «Iron Dome» vertraut, der diese üblicherweise abwehre.
Sahar Ben-Sela will im Gespräch mit CNN zuerst klarmachen, dass die Feiernden nichts getan hätten, um die Palästinenser zu provozieren. Sie hätten nur getanzt und Spass gehabt. Nach den ersten Raketen hätte einer der Organisatoren des Festivals geschrien, dass die Terroristen zu Fuss kommen würden. Dann sei Panik ausgebrochen, alle seien über den Zaun gesprungen und zu ihren Autos gerannt.
Ben-Sala erinnert sich an die vielen Geschosse, auch von Panzerabwehrhandwaffen (RPGs). Weder in Filmen noch im Krieg habe der Soldat je so etwas gesehen. Ein Polizist habe ihm und den anderen gesagt, man könne nirgends hinrennen, die Hamas-Kämpfer seien überall. Die Raver sollten sich deswegen in einen kleinen Schutzraum begeben, was zwischen 30 und 60 von ihnen getan hätten.
Während die Terroristen in den Schutzraum schossen, habe ein anwesender israelischer Polizist versucht, die Leute zu beruhigen. Die Schüsse hätten sie nicht erreichen können, weil die Schutzsuchenden hinter einer Ecke gewesen seien. Dem Polizist sei es gelungen, einen Terroristen zu erschiessen, wobei er jedoch selbst getroffen worden und dann davongerannt sei. Er habe jedoch überlebt. Gegen Tränen kämpfend erzählt Ben-Sala:
«Dann warfen sie die erste Granate hinein. Sie explodierte am Eingang. (...) Ungefähr 45 Sekunden nach der ersten Granate warfen sie die zweite Granate, die die Wand und meinen Kopf traf und zu den hinteren Reihen der Leute flog und dort explodierte. Dann gab es drinnen eine Menge Rauch. Meine Freundin fing an zu würgen. Sie wollte rausgehen und vom Schutzraum weglaufen. (...) Ich war in der zweiten Reihe und habe versucht, sie mit meiner Hand zurückzuhalten, aber sie ist mir weggerutscht. Ich glaube, sie hat den Terroristen angegriffen und er hat sie aus nächster Nähe erschossen.»
Der Terrorist sei dann hereigekommen, so Ben-Sala weiter. Sein Gesicht werde er nie vergessen. Er habe sie alle angelächelt und wie der Teufel ausgesehen:
«Er richtete das Maschinengewehr auf das Gesicht eines Mädchens und begann, rundherum zu schiessen. Alle, die in der ersten oder zweiten Reihe waren, wurden erschossen. Ich öffnete nur meine Augen und meinen Mund und begann, die Wand hinunterzugleiten. Ich verstand, dass ich getroffen worden war, aber noch nicht wo, denn es war alles voller Blut und alle schrien. (...) Ich glaube, seine Waffe war kaputt, deshalb hat er aufgehört zu schiessen. Es gab eine dritte Granate im Gebäude, aber sie explodierte nicht.»
Ben-Sala habe Jugendliche voller Geschosse gesehen. Ein Mädchen, deren Körperteile am Boden gelegen haben, habe ihren toten Freund gerufen und ihn geküsst bis sie selbst gestorben sei. Abschliessend machte er klar:
«Es war kein Krieg. Es war ein grosses Gemetzel. Es war ihnen gleichgültig, ob es Tiere oder Menschen waren. Sie kümmerten sich nicht darum, ob man Jude, Amerikaner oder Christ ist. (...) Sie töteten sogar Moslems.»
In einem anderen Interview erklärte Ben-Sala, es sei eine Hölle auf Erden gewesen. Die Körper seien überall gewesen.
Auch der 19-jährige Noam Cohen wähnte sich in einem Schutzbunker in Sicherheit. Dieser sei jedoch ebenfalls zur Todesfalle geworden, wie der Blick berichtete. Cohen sagte, es seien mehrere Granaten in den randvollen Bunker geworfen worden. Er sprach von Schüssen, Blut und Leichenteilen:
«Ich sah, wie Menschen neben mir explodierten, immer und immer wieder, Leichenteile überall.»
Ein kurzes Video dokumentiert den Schrecken. Gerettet habe Cohen, dass er ganz hinten gestanden habe. Und weiter:
«Unter Leichen habe ich mich verstecken können, sie wurden zu einem menschlichen Schutzschild.»
Zehn Stunden lang sei er in dem Bunker gewesen, bis er ins Spital gebracht worden sei. Höchstens drei oder vier der mehr als 20 Festivalbesucher im Bunker seien lebend rausgekommen.
Rafael Zimerman erzählte gegenüber 11 Alive ebenfalls von seinem Erlebnis in einem Schutzraum. Er sei einer der ersten gewesen, die diesen erreicht hätten. Dann seien etwa 40 bis 50 Leute in den kleinen Raum gekommen:
«Zwei Polizeibeamte waren ausserhalb des Bunkers, um uns zu schützen. Nach fünf Minuten begann ein grosses Schussgefecht. (...) Sie fingen an, ‹allah u akbar› zu schreien und warfen Gas in den Bunker. Durch das Gas ist es nach 30 Sekunden unmöglich, zu atmen. (...) Viele Menschen starben deswegen. (...) Mitten im Gas wurden die Leute wahnsinnig. Stellen Sie sich vor, Sie können nicht atmen und nicht nach draussen gehen, weil sie Sie wahrscheinlich mitnehmen oder erschiessen werden. Wir hatten also keine Wahl.
Nachdem sie reingekommen waren, begannen sie zu schiessen. Sie fingen an, viele Blendgranaten zu werfen, (...) die mich schwer verletzt haben. Also habe ich mich geschützt und nach Stunden habe ich mich mit vielen toten Menschen zugedeckt. Ich blieb stundenlang drinnen und wartete darauf zu sterben. Ich erinnere mich daran, dass ich anfing daran zu denken, wie es im Holocaust mit den Juden war: In 30 Sekunden bist du tot und du hast keine Wahl, du kannst nicht atmen. Ich bin durch die Hölle gegangen. Ich weiss nicht, wie ich noch am Leben bin.»
Millet Ben Haim hat sich nach eigenen Angaben zusammen mit drei Freundinnen sechs Stunden lang in Büschen versteckt, bis sie von einem Unbekannten mit dem Auto gerettet wurden. Gegenüber CNN sagte sie:
«Wir haben geschwiegen, wir haben uns an den Händen gehalten, wir haben gebetet.»
Amit Ganish berichtet, wie sie und ihre Freunde sich neun Stunden lang zwischen Bäumen versteckt haben.
Elad Hakim sagte, er wünsche sich, von diesem Albtraum aufzuwachen und zu vergessen, dass das alles geschehen sei. Er ergänzte:
«Alles war so toll, die beste Party, auf der ich je war, bis sie in einer Sekunde vom Paradies zur Hölle wurde.»
Keiner der Interviewten ging auf die Gründe des Hamas-Angriffs und auf die Lebensbedingungen der Palästinenser in Gaza ein.
Kommentare