Mehrere EU-Mitgliedstaaten, darunter Italien, Frankreich, Spanien, Dänemark und Griechenland, haben angekündigt, einen von der EU-Kommission entwickelten Prototyp für eine App zur Online-Altersüberprüfung zu testen. Ziel ist es laut Kommission, «unangemessene und schädliche Online-Inhalte» für Minderjährige einzuschränken und einheitliche EU-weite Standards zu etablieren. Die App sei Teil eines umfassenderen Plans zum digitalen Kinderschutz innerhalb der Europäischen Union – doch Datenschützer und Kritiker warnen vor einer zunehmenden Kontrolle der Internetnutzung für alle Bürger.
«Der Schutz von Minderjährigen ist für uns eine sehr wichtige Priorität, und wir werden hier mehr tun», erklärte EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen in der Financial Times.
Mitgliedstaaten können gewisse nationale Anpassungen vornehmen, die fundamentalen Datenschutzfunktionen sind jedoch nichtveränderbar , da diese durch EU‑weit einheitliche Durchführungsrechtsakte festgelegt sind. Dies wird von Gegnern des Projekts kritisch gesehen: Sie befürchten, dass die Altersverifikation ein Vorwand ist, um eine digitale Identitätsinfrastruktur (EUDI) einzuführen – ein System, das langfristig die anonyme Internetnutzung unmöglich machen könnte.
Parallel zur App veröffentlichte die EU-Kommission neue Leitlinien zum Schutz von Minderjährigen im Internet, die im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste (DSA) erarbeitet wurden. Diese zielen auf den Umgang mit «süchtig machendem Design», Cybermobbing und unerwünschten Kontakten ab (DSA-Leitlinien – PDF).
Während Befürworter wie die französische Politikerin Valérie Hayer (Renew Europe) den Schritt feiern – sie kündigte auf X sogar ein mögliches Verbot sozialer Medien für unter 15-Jährige an –, wächst europaweit die Sorge über zunehmende digitale Eingriffe unter dem Label «Kinderschutz».
Besonders brisant: Kritiker stellen die Glaubwürdigkeit des Kinderschutz-Narrativs in Frage. In sozialen Netzwerken wird auf neue WHO- und UN-Richtlinien zur Sexualerziehung verwiesen, die bereits in einigen EU-Staaten diskutiert werden – darunter auch umstrittene Empfehlungen wie das Aufklären über kindliche Masturbation im Vorschulalter (WHO-Standards zur Sexualaufklärung).
Auch außerhalb Europas scheint sich der Trend zu digitaler Kontrolle durchzusetzen. Australien etwa hat 2024 ein Verbot sozialer Netzwerke für unter 16-Jährige beschlossen – ein Land, das wegen rigider Maßnahmen während der Corona-Pandemie bereits international in der Kritik stand.
Die Diskussion um die neue EU-App wirft grundlegende Fragen auf: Wie weit darf Kinderschutz gehen? Und wo endet legitime Fürsorge und beginnt digitale Massenüberwachung? Die kommenden Monate dürften zeigen, ob die europäische Öffentlichkeit bereit ist, diesen Spagat zwischen Sicherheit und Freiheit zuzulassen – oder nicht.
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