In der öffentlichen Debatte um den möglichen Verzicht Griechenlands auf Rechte zugunsten des Katharinenklosters auf dem Sinai – im Austausch für eine geplante Stromverbindung mit günstigem Strom aus Ägypten – wurde ein heikles außenpolitisches Thema mit erstaunlicher Leichtfertigkeit behandelt (wir berichteten). Regierungssprecher Pavlos Marinakis konterte die Vorwürfe in ungewöhnlich polemischem Ton – und wich konkreten Fragen dabei auffällig aus.
Der Hintergrund: Die renommierte italienische Zeitung Corriere della Sera hatte über eine Vereinbarung zwischen Griechenland und Ägypten berichtet, die angeblich auch Auswirkungen auf die Autonomie des jahrhundertealten griechisch-orthodoxen Klosters haben könnte. Die griechische Zeitung Estía griff die Meldung auf – und löste damit innenpolitische Schockwellen aus (hier und hier).
Doch anstatt sich mit dem Inhalt der Enthüllungen auseinanderzusetzen, attackierte Marinakis in seinen öffentlichen Äußerungen die Opposition. Er sprach nicht ein einziges Mal die Corriere della Sera oder deren Bericht an. Vielmehr machte er sich mit billigen Anspielungen rund um das Tempi-Zugunglück – über die Debatte lustig. Eine Form der Kommunikation, die nicht nur als unangemessen empfunden wurde, sondern auch als respektlos gegenüber den Opfern des erwähnten Unglücks.
Der Regierungssprecher erklärte weiter, dass es sich beim Thema Sinai-Kloster um eine Angelegenheit handle, die «ernsthaft und langfristig» vom Premierminister persönlich betreut werde. Gleichzeitig behauptete er, es gäbe «keine gegenteiligen Hinweise» zur Position Griechenlands. Dies steht jedoch im Widerspruch zu einer bereits bekannten gerichtlichen Entscheidung, die den Interessen Griechenlands und der orthodoxen Kirche nicht entspricht.
Marinakis betonte mehrfach, dass die offizielle Haltung des Landes im Rahmen des bilateralen Obersten Kooperationsrats mit Ägypten klar fixiert sei: Der Status des Klosters solle vollständig gewahrt bleiben, inklusive seiner religiösen und rechtlichen Sonderstellung. Die Äußerungen aus Kairo deuteten laut ihm ebenfalls in diese Richtung. Doch wenn «alles in Ordnung» sei – warum dann die geplante Reise von Außenminister Giorgos Gerapetritis nach Ägypten?
Statt Transparenz bot Marinakis einen rhetorischen Nebel. Er beschwichtigte: «Das ist nicht das, was manche behaupten, dass die Entscheidung bedeute.» Man arbeite bereits seit Langem an einer «institutionellen, dauerhaften Lösung». Diese sei nicht etwa durch die Opposition angestoßen worden, sondern von der Regierung selbst lange vor der Medienberichterstattung ins Auge gefasst worden.
Diese Darstellung konterkarieren jedoch die öffentlichen Stellungnahmen führender Bischöfe der griechischen und zyprischen Kirche sowie der Vertreter des Klosters der Heiligen Katharina selbst. Sie hatten sich in den vergangenen Tagen klar und deutlich besorgt geäußert – ohne dass die Regierung auf ihre Warnungen bislang eingegangen wäre.
Anstatt mit Fakten und Transparenz zu antworten, wählte Regierungssprecher Marinakis einen Stil, der der Schwere des Themas nicht gerecht wurde. Die diplomatische und kirchenpolitische Dimension des Falles rund um das Sinai-Kloster verlangt nach einer nüchternen, respektvollen Behandlung. Stattdessen wurde der Fokus verschoben, Kritik ins Lächerliche gezogen und der Dialog mit den real betroffenen kirchlichen Akteuren vermieden.
Wenn es tatsächlich keine «gegenteiligen Hinweise» zur Wahrung des Status quo gibt – also dass die griechische Regierung versucht, eine heilige Stätte der Christenheit gegen Strom zu tauschen - warum dann so viel Nebel um die Wahrheit? In einer Demokratie ist es Aufgabe der Regierung, klare Antworten zu geben – besonders wenn heilige Stätten, außenpolitische Verhandlungen und die Glaubwürdigkeit staatlicher Institutionen auf dem Spiel stehen.
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