Die Ukraine hat zu Beginn dieser Woche die Kertschbrücke angegriffen. Die Brücke verbindet die Krim mit der russischen Halbinsel Taman. Zwei Menschen seien bei dem Angriff getötet worden, teilte das Gesundheitsministerium der russischen Region Krasnodar mit.
Betroffen sei die Strassenbrücke, diese sei beschädigt worden. Die Eisenbahnbrücke sei unversehrt geblieben. NZZ-Journalist Andreas Rüesch feierte die jüngsten Angriffe der Ukraine auf die Kertschbrücke.
«Nach der spektakulären Attacke auf die Strassenbrücke bei Kertsch ist eine Lebensader der Halbinsel Krim vorläufig unterbrochen. Ein Wendepunkt ist das zwar nicht. Aber im Abnützungskrieg mit Russland hat die Ukraine einmal mehr gepunktet», schrieb Rüesch am Dienstag in einem Kommentar für das Leibblatt der Zürcher FDP.
Aus ukrainischer Sicht, die sich Rüesch zu eigen macht, sei der Angriff gleich in dreifacher Hinsicht ein Erfolg. «Erstens demonstrieren sie ihre ungebrochene Fähigkeit, weit hinter den feindlichen Linien zuzuschlagen. Staunen hatten sie schon im Mai mit Drohnenattacken auf den Moskauer Kreml ausgelöst, doch jener Coup traf Russland vor allem in psychologischer Hinsicht.»
Aus rechtlicher Perspektive sei der Angriff nicht weiter problematisch. Die Krim-Brücke sei «ein legitimes Ziel», so Rüesch. Weiter meint er: «Zweitens beweist die Ukraine ihre Fähigkeit, mitten im Krieg neue Waffen zu entwickeln. Allem Anschein nach erfolgte der Anschlag mit unbemannten, mit Sprengstoff beladenen Kleinbooten, sogenannten Marinedrohnen. Über solche Mittel verfügten die ukrainischen Streitkräfte vor der russischen Invasion noch nicht.»
Laut Rüesch illustriere der Angriff drittens die «Verletzlichkeit der russischen Herrschaft über die 2014 annektierte Halbinsel». Dies, weil die «Machthaber auf der Krim» ohne eine gesicherte Versorgung in eine prekäre Lage geraten könnten. «Vertreiben lassen sich die Besatzer mit einem einzigen Nadelstich nicht, aber der Preis der Okkupation wird dadurch in die Höhe getrieben.»
Die Reparatur der Brücke dürfte Wochen, wenn nicht Monate dauern. «Dadurch erleidet Russland herbe wirtschaftliche Verluste», so der Journalist. Gemäss russischen Regierungsangaben ist der Autoverkehr über die Brücke mit Einschränkungen inzwischen wieder aufgenommen worden.
NZZ-Journalist Andreas Rüesch ist bekannt für seine antirussischen Standpunkte. Über Wladimir Putin berichtet er regelmässig äusserst kritisch. Umgekehrt findet man bei ihm kaum Kritik an der ukrainischen Führung. Von Anfang an war Russland in den Augen von Rüesch hauptverantwortlich für den Krieg in der Ukraine.
Schon am 6. Februar 2015 schrieb er: «Die Militärintervention in der Ukraine hat jedoch endgültig klargemacht, dass Russland nicht ein Partner des freien Europas ist, sondern ein Gegner. Mit der Annexion fremden Territoriums und der Anwendung brutaler Gewalt gegen ein Nachbarland hat sich Moskau über konstitutive Regeln des ‹gemeinsamen Hauses› hinweggesetzt.»
Die Angriffe der ukrainischen Streitkräfte auf die Bewohner der Ostukraine, die nach dem Sturz der Janukowitsch-Regierung und dem Krim-Referendum im Frühjahr 2014 begannen, kritisierte Rüesch hingegen nicht.
Deeskalation und eine Politik der Entspannung sind Rüesch ein Dorn im Auge. Wer sich für einen Waffenstillstand ausspreche, leide an einem «gehörigen Mass an Blindheit», meinte Rüesch beispielsweise am 21. Januar 2023.
Damals kritisierte der NZZ-Journalist unter anderem Mark Milley, Vorsitzender des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte, «Strategie-Altmeister Henry Kissinger», den französischen Präsidenten Emmanuel Macron sowie mehrere pensionierte Generäle.
Der Grund: Sie alle hatten zum damaligen Zeitpunkt die «Aufnahme von Friedensgesprächen mit Russland empfohlen». Für Rüesch ein No-Go. Denn aus seiner Sicht ist Russland kein «vertrauenswürdiger Verhandlungspartner».
Auch liebäugelt Rüesch offenbar mit einer Rückeroberung der Krim und Teilen des Donbass. Der «Einstieg in Friedensverhandlungen», so Rüesch, bedeute für die ukrainische Führung, die «russischen Eroberungen weitgehend zu akzeptieren». Deshalb würden diejenigen Stimmen, die sich für Friedensverhandlungen stark machten, die «Realität verkennen».
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