Die Europäische Union (EU) kämpft verzweifelt gegen ihren eigenen Untergang an und versucht mit dem angekündigten massiven Aufrüstungsprogramm den unaufhaltsamen Abstieg aufzuhalten. So beschreiben es die beiden US-Ökonomen Michael Hudson und Richard Wolff in einem Anfang März veröffentlichten Videogespräch mit Nima Alkhorshid vom Onlineportal Dialogue Works. Das Transkript hat Hudson kürzlich auf seiner Webseite veröffentlicht.
Der renommierte US-Ökonom erklärt in dem Gespräch, dass die führenden Kräfte in der EU, vor allem Deutschland und Frankreich, gemeinsam mit Großbritannien die Euro-Zone aufrüsten wollen. Die verkündeten Aufrüstungspläne würden zu einer militarisierten Wirtschaft in den beteiligten Ländern führen.
Hudson widerspricht den Aussagen der Regierenden in den EU-Staaten, sie müssten die Sozialleistungen nicht für mehr Aufrüstung kürzen. Diese solle aus ihrer Sicht stattdessen die Wirtschaft wieder ankurbeln und damit auch die Sozialsysteme weiter absichern. Doch dem stünden nicht nur die bereits steigenden Zinssätze infolge der angekündigten Kreditaufnahme für mehr Rüstung entgegen.
«Wenn Deutschland ankündigt, seine Militärausgaben von unter zwei Prozent auf 3,5 Prozent zu erhöhen, wird die Wirtschaft selbst um ein Prozent pro Jahr schrumpfen. Das bedeutet, dass der nichtmilitärische Teil der Wirtschaft sehr schnell um etwa fünf Prozent schrumpfen wird. Das bedeutet Arbeitslosigkeit. Das bedeutet Kürzungen.»
Den führenden EU-Kräfte gehe es auch darum, mit der weiteren militärischen Hilfe für die Ukraine die möglichen Abkommen zwischen den USA und Russland für ein Kriegsende zu unterlaufen und wirkungslos zu machen. Hudson erinnert daran, dass in den letzten 200 Jahren drei kriegerische europäische Länder Russland angegriffen haben:
«1812 war es Napoleon, der in der Schlacht von Borodino verlor. 1853 war es England im Krimkrieg. Es verlor. Die 500er ritten in die Geschütze und starben glorreich für ihr Land. Und dann kam 1945 Hitler in Deutschland. Das ist bekanntlich gescheitert.»
Diese Länder hätten nun zusammen mit der EU-Chefin Ursula von der Leyen und der «verrückten Estin» [Kaja Kallas] erklärt, sie könnten nun gemeinsam gegen Russland gewinnen. Und, dass sie das auch ohne die Vereinigten Staaten könnten.
Die Frage sei, wie sie das Geld dafür aufbringen wollen, auch angesichts der Tatsache, dass Länder wie Ungarn die angekündigten erhöhten EU-Ausgaben blockieren wollen. Die angekündigten Gelder für die Ukraine würden in Wirklichkeit an den militärisch-industriellen Komplex in den USA und in der EU gehen.
Scheitert Trump?
«Das Dumme daran ist, dass es lange dauern wird, diese Waffen herzustellen, die man der Ukraine geben will», stellt der US-Ökonom fest. Es gehe um einen Zeitraum von drei bis vier Jahren, «um dieses Geld tatsächlich in echte Waffen umzuwandeln», was offensichtlich nicht machbar sei.
Hudson macht darauf aufmerksam, dass Russland, anders als US-Präsident Donald Trump, keine Eile habe, wenn es um das Kriegsende gehe. Und er widerspricht der Auffassung, dass es den USA vor allem um das mit Kiew vereinbarte Abkommen zum Abbau der «Seltenen Erden» in der Ukraine gehe. Stattdessen wollten die USA die ukrainischen Häfen, vor allem Odessa, sowie die Gaspipelines und die Infrastruktur übernehmen. Doch das werde Russland nicht zulassen, schätzt er ein, wodurch es nicht den von Trump gewünschten Deal geben werde.
Der US-Präsident werde dann versuchen, anderen die Schuld zuzuweisen, entweder der EU oder Putin, «aber Tatsache ist, dass sein ganzes Hirngespinst nicht umsetzbar ist». Alle Militärexperten seien der Auffassung, dass sich die Kämpfe in der Ukraine in der allerletzten Phase befänden und die ukrainischen Truppen zusammenbrechen werden. Das gebe Russland die Chance, einen Waffenstillstand zu den eigenen Bedingungen zu erreichen.
Hudson meint zu den Ankündigungen aus Paris und London, eigenes Militär in die Ukraine entsenden zu wollen:
«Macron will Truppen schicken. Starmer will Truppen und Waffen schicken, die sie eigentlich gar nicht haben. An diesem Punkt löst sich die Diskussion in Luft auf.»
Der Ökonom Wolff sieht die Staats- und Regierungschefs Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens in sehr großen Schwierigkeiten stecken, wie er in dem Videogespräch erklärte. Diese Politiker hätten ihre gesamte politische Karriere als Juniorpartner beziehungsweise «Lakai der Vereinigten Staaten» verbracht. Und nun müssten sie feststellen, dass die USA, ihr Geldgeber, ihre Verbindung, ihr Unterstützer, sie im Stich lassen. Deshalb stehe ihnen ein politischer Zusammenbruch bevor.
Verzweifelte EU-Politiker
Wolff erkennt in den Vorschlägen aus London, Paris oder Berlin das Verhalten von verzweifelten Politikern. Dazu gehöre auch der Plan, 300 Milliarden Dollar eingefrorener russischer Vermögenswerte für die eigene Aufrüstung und die der Ukraine einzusetzen. Die Folge: Keine Regierung der Welt werde jemals wieder ihr Geld in Europa lassen.
«Dies ist ein größerer Schlag für die Bedeutung Europas als alles, was mit der Ukraine zu tun hat. Warum sollte man einen verlorenen Krieg weiterführen? Man muss schon verzweifelt sein, um das zu tun.»
Der Ökonom weist außerdem darauf hin, dass die US-Demokraten unter Kamala Harris mit den europäischen Regierungen zusammen gegen Trump arbeiten wollen. Das mache diese für die Trump-Administration zu «Verrätern», mit denen man nicht mehr zusammenarbeiten muss.
«Wenn sie den Vereinigten Staaten den Krieg erklären, werden sie ihnen den Krieg erklären. Und damit meine ich keinen militärischen Krieg.»
Die EU sei wie Europa insgesamt «ein uneiniger Ort» mit vielen Ländern, großen und kleinen, und jeweils eigenen Interessen. Trump werde diese Uneinigkeit auszunutzen wissen und Geschäfte mit einzelnen Ländern machen.
Zu der Behauptung der Briten und der EU, sie seien jetzt vereint, sagt Wolff: «Ja, aber das Russland, dem Sie sich entgegenstellen wollen, ist jetzt als Verbündeter Chinas Teil der BRICS.» Die Europäer seien «verrückt», wenn sie aufrüsten wollen angesichts der feindlich eingestellten USA auf der einen und den BRICS-Staaten Russland und China auf der anderen Seite.
Während die Industriellen und die Finanziers das begrüßen, würden sie einen hohen Preis dafür zahlen. Infolge der Kürzungen im Sozialbereich werde es zu gesellschaftlichen Unruhen kommen, sagt der US-Ökonom voraus. In der Folge gebe es eine gesellschaftliche und politische «Verschiebung nach ganz rechts und ganz links», stärker als bisher.
Wolff sieht Angst und Verzweiflung als Motiv der führenden europäischen Politiker, während es sich für Hudson vor allem um «entschlossenen Hass» gegen Russland handelt. Er verweist unter anderem auf die Bundestagswahl in Deutschland, die der BlackRock-Kandidat Friedrich Merz gewonnen hat. Zudem hätten Länder wie Deutschland den Import von russischem Gas und Öl bereits vor den Sanktionen eingestellt.
Tote Zone
Merz’ Programm stehe für den Abschied von der Theorie des internationalen Handels der letzten 100 Jahre, wonach es um Austausch zum gegenseitigen Vorteil bei zunehmender Arbeitsteilung gehe. So hätten Länder von einer internationalen Spezialisierung der Arbeit profitiert, um viel mehr Waren zu produzieren und zu konsumieren, als wenn sie alle unabhängig, autonom und eigenständig wären.
Die Kreise um Merz in Deutschland würden den Außenhandel nur noch als Abhängigkeit von anderen sehen. Importe wie die von Rohstoffen würden nur noch als Gefahr für eine mögliche Erpressung durch den Lieferanten gesehen. Dabei stehe vor allem Russland im Fokus, dass angeblich «durch Weißrussland nach Polen und von dort nach Deutschland und weiter nach Frankreich marschieren» wolle, weshalb es in der Ukraine bekämpft werden müsse. Der Ökonom erklärt dazu:
«Nun, Russland hat offensichtlich keinerlei Interesse daran, zehn Millionen Soldaten oder wie viele auch immer nötig sind, zu verlieren, um durchmarschieren zu können.»
Russland habe außerdem erkannt, dass sich Europa inzwischen «wirtschaftlich in eine tote Zone verwandelt hat». Eine solche werde es auch so lange bleiben, «bis es eine Wiederbelebung der Linken» gebe, wofür aber keine Anzeichen zu sehen seien.
Aus Sicht von Hudson wird Russland nicht darauf vertrauen, «dass Europa eine realistische Politik verfolgen wird, die seinen materiellen Interessen, den Lebensstandard zu erhöhen und die Reindustrialisierung voranzutreiben, gerecht wird. Es scheint, als hätte es einen Todeswunsch, wirtschaftlich gesehen.»
Deshalb wende sich Russland nach Osten sowie China, Asien, Zentralasien, dem Nahen Osten, Afrika und dem globalen Süden zu. Die Behauptungen europäischer Politiker wie Macron und Merz über einen drohenden Einmarsch Russlands seien «unglaubwürdig».
Angst und Hass
Sie würden nur das alte Goebbels-Argument anführen: Man kann immer eine Bevölkerung hinter sich bringen, wenn man sagt, dass man bedroht sei. Doch während die Menschen sich nicht bedroht fühlen, würden die Medien versuchen, sie aufzuhetzen.
Von der Leyen und Kallas hätten Angst und seien «so sehr von Hass motiviert». Es handele sich um «Leute mit einem Nazi-Hintergrund» und einem tiefen Hass auf alles Linke. «Das sind Leute, die wirklich, wirklich jeden Gedanken an den linken Flügel hassen.»
Wolff sagt dazu, dass die Kriegsangst die letzte Möglichkeit der Regierungen in London, Paris und Berlin sei, die Menschen hinter sich zu versammeln, «die einzige Karte, die sie ausspielen können». Doch das sei «verrückt», da sie zwei großen alternativen Mächten gegenüber stehen, den USA sowie China und Russland, die sie in Bezug auf das Niveau der Militärtechnologie und das Niveau der militärischen Produktion nicht einholen könnten.
«Das ist nicht durchdacht. Das ist verzweifelt.»
Die Vorstellung, dass die Sozialleistungen gestrichen werden müssen, um ein Militär aufzubauen, in einer Welt, in der die beiden potenziellen Gegner Lichtjahre voraus sind, «ist also Unsinn», stellt Wolff fest. Und während Europa die anderen als Feind betrachte, setzen sich gleichzeitig Washington, Moskau und Peking zusammen, um sich darauf zu einigen zusammenzuleben. Der EU und Europa drohe, dass sie zwischen die Räder kommen:
«Und wenn man dann die laute Maus ist, die brüllt, wird man zertrampelt. Sehr, sehr gefährlich. Man sieht verzweifelte Staats- und Regierungschefs, die bei dem, was sie tun, alles riskieren. Und das wird auf sie zurückfallen und sie für eine lange, lange Zeit verfolgen.»
Die führenden Politiker in der EU hätten ihre gesamte Karriere an die Vereinigten Staaten geknüpft und geglaubt, dass sie Partner seien. Damit hätten sie auch die eigene Bevölkerung überzeugt. Doch jetzt sage «ihr Beschützer ihnen, dass er sie nicht mehr beschützen wird».
«Sie stecken fest. Sie haben einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, der sie nun verraten hat. Sie können politisch nirgendwo hingehen. Also müssen sie entweder wieder das alte libertäre Lied anstimmen oder den Antisowjetismus in einer Antirussland-Hysterie wiederbeleben.»
Das werde eine Weile funktionieren, aber löse die Probleme nicht. Europa falle jedes Jahr weiter und weiter zurück. In den letzten zehn oder 15 Jahren sei kein größerer technischer Durchbruch aus Europa gekommen. Die EU habe keine eigene Telekommunikation und keine eigene neue Militärtechnologie. Sie könne die USA «in der Ukraine unmöglich ersetzen. Das ist ein schlechter Scherz.»
Fortgesetzter Niedergang
Hudson beschreibt die Entwicklung grundsätzlicher und sieht eine Machtübernahme im Westen durch die libertären Milliardäre. Für die sei der Feind die Regierung und die Sozialdemokratie, «denn es ist nicht Russland als solches, aber die Neokonservativen und Neoliberalen brauchen einen bequemen Feind, um den herum sie die libertäre Machtübernahme durchführen können».
«Und die libertären Milliardäre wollen mit Europa und den Vereinigten Staaten genau das machen, was die Neoliberalen in den 1990er Jahren mit Russland gemacht haben. Sie wollen das gesamte riesige Staatseigentum, die Nationalparks, die staatlichen Immobilien, die Regierungsbehörden, all das übernehmen.»
Es geht lauft Hudson nicht so sehr um geopolitische Gegensätze gegenüber Russland. Das sei nur eine oberflächliche Verpackung: «Es geht um eine politische, regierungsfeindliche, faschistische Ideologie. Damit haben wir es meiner Meinung nach zu tun.»
Aus Sicht des Ökonomen Wolff wird die Strategie der EU, entweder zu den Vereinigten Staaten oder zu Russland und China aufzuschließen, nicht funktionieren. Der dafür notwendige Aufwand werde der Gesellschaft wichtige Ressourcen entziehen, was zu massiven Schwierigkeiten und Unruhen führen werde.
«Der Niedergang Europas ist 100 Jahre alt. Ich sehe nicht, dass dies etwas anderes bewirkt, als ihn noch weiter zu beschleunigen.»
Und Hudson fügt hinzu: «Die Euro-Zone ist eine tote Zone.» Wolff ergänzt dazu: «Sie schießt sich selbst ins Knie. Sie ist sehr damit beschäftigt, sich selbst ins Knie zu schießen.»
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