«Untertanengeist, Nationalismus, Militarismus, sogar erste Vorboten des Faschismus sind nach Berlin zurückgekehrt.» Das stellt der frühere SPD- und Linkspartei-Vorsitzende Oskar Lafontaine in einem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Schweizer Wochenzeitung Die Weltwoche fest.
Es sei das Gegenteil dessen eingetreten, was der frühere SPD-Politiker Erhard Eppler erhofft hatte, als er in den 1990er Jahren für dem Umzug der bundesdeutschen Hauptstadt nach Berlin stimmte. Eppler habe damals gesagt:
«In Berlin, da reden die Steine, und manche Steine schreien. Ich möchte, dass die, die Deutschland künftig regieren, mit diesen schreienden Steinen konfrontiert werden, jeden Tag.»
«Er hat sich gründlich geirrt», stellt Lafontaine nun fest und verweist auf eine Reihe von Anzeichen der Rückkehr des Faschismus. Dazu gehört für ihn, dass der Friedenspreis des deutschen Buchhandels 2022 «an den faschistischen ukrainischen Schriftsteller Zhadan verliehen wurde, der die Russen als Unrat, Tiere und Schweine bezeichnete». «Bei der Preisverleihung applaudierten die Ampelpolitikerinnen Saskia Esken, Claudia Roth und Katrin Göring-Eckardt.»
Die Aussage der grünen Aussenministerin Annalena Baerbock, Russland «ruinieren» zu wollen, sei «faschistoide Sprache, weil es ein Kennzeichen des Faschismus ist, den Menschen und seine Leiden auszuklammern». Lafontaine zählt zu den Anzeichen des neuen Faschismus ausserdem die «im vermeintlich linksliberalen Milieu so beliebte Cancel-Culture».
Diese führe dazu, dass Menschen mit kritischen und alternativen Positionen zur herrschenden Meinung ausgeladen und mit einem Shitstorm überzogen würden oder im schlimmsten Fall ihre berufliche Existenz verlören. Das sei zwar nicht mit der Bücherverbrennung gleichzusetzen, «aber unendlich weit davon entfernt ist es nicht», so der Ex-SPD-Politiker.
Für die Wiederkehr des wilhelminischen Untertanengeistes steht für ihn das derzeitige Verhältnis zu den USA, welche «die deutsche Aussenpolitik bestimmen, mit Nordstream eine zentrale deutsche Energieversorgungsleitung zerstörten oder zerstören liessen und mit den Grünen ihren verlängerten Arm im Deutschen Bundestag haben».
Lafontaine zählt weitere Kennzeichen der deutschen Spielart des Faschismus auf, den er leider mit dem in herrschenden Kreisen benutzten falschen Etikett «Nationalsozialismus» versieht. Dazu gehörten der Antisemitismus und der Antislawismus.
«Heute unterstützt die Bundesregierung das korrupte Regime in Kiew, das die tausendfachen Judenmörder Stepan Bandera und Roman Schuchewytsch zu Nationalheiligen erhoben hat. Und der Antislawismus spiegelt sich in der täglichen Hetze der deutschen Medien gegen Russland und in der Lieferung von Waffen wider, mit denen erneut Russen getötet werden.»
Er fragt, ob die 27 Millionen Opfer der Sowjetunion durch den deutschen faschistischen Vernichtungskrieg 1941 bis 1945 «wirklich zu nichts» verpflichteten. Deutsche Regierungspolitiker hätten 2022 nicht einmal dem verstorbenen Michail Gorbatschow die Ehre erwiesen, obwohl er den Deutschen «trotz ihrer Verbrechen die Hand gereicht und die Wiedervereinigung ermöglicht hatte».
Lafontaine kritisiert auch die Aussagen des gegenwärtigen SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil, Deutschland müsse «den Anspruch einer Führungsmacht haben», und dass Friedenspolitik bedeute, «auch militärische Gewalt als Mittel der Politik zu sehen». Damit werde die Ost- und Entspannungspolitik Willy Brandts abgeräumt, deren Maxime gewesen sei: «Von deutschem Boden darf niemals wieder Krieg ausgehen.»
«Den Vogel, wenn es um die neue Führungsmacht geht, schoss der Grünen-Politiker Robert Habeck ab», so Lafontaine. Habeck habe den USA versichert: «Wenn Deutschland Verantwortung übernimmt, dann muss es dienend führen. Wir tun gut daran, Leadership nicht mit Pathos und Stolz gleichzusetzen.»
Der grüne Wirtschaftsminister habe versucht die Europäer damit zu beruhigen, dass Deutschland «ein zuhörendes Ansagen» praktizieren müsse. Lafontaines Kommentar:
«Das wäre zwar keine feministische, aber eine fahrradgemässe Aussenpolitik: nach oben buckeln und nach unten treten. Mit diesem Bild beschrieben die Deutschen schon immer den Untertanengeist.»
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