Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sprach von einem «historischen Moment», als sich ihre Mitgliedstaaten Mitte April auf einen Entwurf für ein globales Pandemieabkommen einigten. Medien weltweit und auch die Schweizer SRG lobten die Einigung als Zeichen internationaler Solidarität und multilateraler Zusammenarbeit. Doch während der Applaus noch anhält, wirft ein genauer Blick auf die Parallelentwicklungen fundamentale Fragen auf.
Die in der Coronazeit bekannt gewordene US-amerikanische Ärztin Meryl Nass kommentiert auf ihrem Substack den Vertragsentwurf dahingehend, dass dieser Vertrag weitgehend harmlos und ohne ernsthafte Konsequenzen sei. Sie begründet das zusammengefasst etwa so:
Artikel 27 des aktuellen WHO-Pandemievertrags erlaubt es Staaten, Vorbehalte (also Ablehnungen einzelner Vertragsinhalte) einzulegen – was in früheren Versionen nicht möglich war. Und:
- Der Vertrag verpflichtet kein Land zu etwas, das es nicht selbst will.
- Er gewährt den Ländern auch keine konkreten Vorteile oder Rechte.
- Eventuelle Impfstoff- oder Medikamentenspenden sind reine Zukunftsspekulation – abhängig von der Freigiebigkeit der Hersteller und der WHO.
- Alle umstrittenen Themen wurden vertagt.
- Es gibt keine bindenden oder problematischen Inhalte im jetzigen Entwurf.
- Da der Vertrag faktisch bedeutungslos ist, dürfte er wohl von den meisten Staaten angenommen werden – auch wenn er nur einen Rahmen (ein «Skelett») ohne konkrete Verpflichtungen bietet.
- Der Versuch, schärfere Regelungen durchzusetzen, ist gescheitert – unter anderem, weil wichtige Geldgeber wie die USA ihre Unterstützung zurückgezogen haben.
- Trotz des schwachen Inhalts benötigte der Entwurf zusätzliche Verhandlungstage bis spät in die Nacht.
Ist das tatsächlich so? Ist es Zeit, Entwarnung zu geben? Die Juristen des Aktionsbündnisses Freie Schweiz (ABF Schweiz) haben den Pandemievertrag in einer Gesamtsicht mit den geänderten Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) und der in der Schweiz geplanten Revision des Epidemiengesetzes (EpG) beurteilt und kommen zu einem ganz anderen Schluss – auf diesen Überlegungen basieren die folgenden Zeilen.
Tatsächlich ist der Pandemievertrag nur ein Teil eines umfassenderen Programms. Fast zeitgleich wurden die IGV überarbeitet und mit dem Global Health Emergency Corps (GHEC) eine neue WHO-Einsatzstruktur etabliert. In der Schweiz bereitet der Bundesrat (also die Schweizer Landesregierung) zudem eine Revision des Epidemiengesetzes (EpG) vor, um internationale Empfehlungen schneller umzusetzen. Kritiker befürchten, dass sich daraus ein transnational gesteuertes Gesundheitsregime entwickeln könnte – zulasten demokratischer Prozesse und individueller Freiheiten.
Die WHO positioniert sich längst nicht mehr nur als Koordinationsplattform für globale Gesundheit. Sie agiert zunehmend als Akteur mit wirtschaftlicher Agenda. In der hauseigenen Publikation «A Healthy Return» wirbt sie mit einer Investitionsrendite von 1:35 – also 35 Dollar Ertrag für jeden eingesetzten Dollar. Ein Versprechen, das auch aggressive Finanzfonds nicht besser formulieren könnten. Der Verdacht: Die WHO schafft über Empfehlungen, Notstandsdefinitionen und Marktzugänge ein System, das finanzielle Interessen von Pharmaindustrie, NGOs und global agierenden Beratungskonzernen bedient.
Der neue Pandemievertrag, so die offizielle Linie, soll die gerechte Verteilung von Impfstoffen und Medikamenten fördern. Doch die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie stehen dem entgegen: Milliarden an Steuergeldern flossen in Impfstoffdosen, von denen ein beträchtlicher Teil vernichtet wurde – unter Geheimhaltung der Verträge und ohne Herstellerhaftung. Der neue Vertrag regelt überdies Rechte an Technologien, geistigem Eigentum und Zugriff auf Ressourcen – das ist weit mehr als die bloße Koordination im Krisenfall.
Parallel dazu trat mit der Überarbeitung der IGV ein weiterer Mechanismus in Kraft. Künftig kann die WHO auch bei «potenziellen Bedrohungen» Gesundheitsnotstände ausrufen – unabhängig von der Zustimmung einzelner Staaten. Ein Hinweis auf einen Erregerfund in Abwasserproben könnte künftig ausreichen, um weitreichende Maßnahmen auszulösen. Zwar betont die WHO, nationale Souveränität werde gewahrt, doch de facto sind Staaten durch wirtschaftliche, diplomatische und mediale Verflechtungen stark zur Kooperation verpflichtet.
Mit der neuen Einsatzstruktur GHEC geht die WHO noch einen Schritt weiter: Erstmals getestet im Rahmen der Übung «Polaris» im April 2025, soll dieses internationale Einsatzteam künftig grenzüberschreitend Krisen managen. Eine zentrale Steuerung, losgelöst von nationalen Verfahren – Fragen zur Finanzierung, Kontrolle und rechtlichen Zuständigkeit bleiben bislang unbeantwortet.
In der Schweiz wirft die geplante Revision des Epidemiengesetzes zusätzliche Fragen auf. Vorgesehen sind digitale Gesundheitsnachweise, genetische Analysen, Meldepflichten und im Krisenfall auch Zwangsmaßnahmen. Kritiker warnen vor einer schleichenden Entmachtung von Parlament und Volk. Wenn WHO-Empfehlungen automatisch ins nationale Recht übergehen, könnte die Schweiz zum Vollstrecker internationaler Vorgaben werden – ohne demokratische Mitsprache.
Dabei hat die Schweiz Handlungsspielraum: Der Pandemievertrag muss nicht zwingend ratifiziert werden. Laut Entwurf tritt er nur für jene Staaten in Kraft, die ihn unterzeichnen – Fristen oder Sanktionen bei Nicht-Ratifizierung gibt es nicht. Bei den IGV sieht es anders aus: Hier gilt das neue Regelwerk automatisch, sofern kein explizites Opting-out erfolgt. Diese Möglichkeit bleibt der Schweiz noch bis zum 19. Juli 2025 offen.
Die kritischen Stimmen mehren sich. Sie fordern eine klare Positionierung: keine automatische Übernahme internationaler Empfehlungen, keine Unterordnung unter globale Strukturen ohne demokratische Kontrolle – und keine Legitimierung eines Geschäftsmodells, das auf Angst und Unsicherheit basiert.
Was derzeit auf internationaler Ebene verhandelt wird, ist weit mehr als ein Vertrag zur Bekämpfung von Pandemien. Es ist ein potenzieller Umbau globaler Machtverhältnisse im Gesundheitswesen. Die Schweiz steht vor einer Richtungsentscheidung: Souveränität oder Systemanbindung? Kontrolle oder Vertrauen? Die Zeit zum Handeln ist jetzt.
Was kann man jetzt tun? Das ABF ruft zu folgendem auf:
- Unterzeichnen der Petition – bis 1. Juni 2025
- Schreiben an die politischen Vertreter verfassen – und eine Stellungnahme fordern (neue Vorlagen und Adressen vorhanden)
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Dieser Artikel ist Teil einer losen Artikelserie zum Thema WHO. Der letzte Beitrag dieser Serie ist hier zu finden.
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