Der Einfluss von Big Pharma auf die Forschung, vor allem im medizinischen Bereich, und die sich daraus ergebenden Interessenkonflikte bei Wissenschaftlern und Gutachtern von Studien stellen ein gravierendes Problem dar. 1999 etwa beklagte Richard Smith, der seinerzeitige Chef des damals noch British Medical Journal und mittlerweile BMJ heißenden Fachjournals, dass das sogenannte Peer Reviewing «langsam, teuer, eine Verschwendung akademischer Zeit und leicht zu missbrauchen» sei. Und vor kurzem legte eine Studie offen, dass die Pharmaindustrie Gutachter – sogenannte «Peers» – in den USA in den Jahren 2020 bis 2022 mit einer Milliarde Dollar «gepampert» hat (Transition News berichtete).
Gegen diese für eine unabhängige Wissenschaft unhaltbaren Zustände will Robert F. Kennedy Jr. jetzt als Chef des US-Gesundheitswesens HHS konkret vorgehen. So bereitet sich der 71-Jährige offenkundig darauf vor, Mitglieder des Ausschusses zu entlassen, die die US-Regierung bei der Zulassung von Impfstoffen und anderen wichtigen Entscheidungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit beraten und dabei Interessenkonflikte haben. Dies sei Teil einer weitreichenden Bemühung, das zu minimieren, was Kennedy Jr. als unangemessenen Einfluss der Industrie auf die Gesundheitsbehörden der Nation kritisiert hat, wie The Defender unter Berufung auf einen Beitrag von Politico berichtet.
Politico wiederum beruft sich auf nicht namentlich genannte Quellen und führt weiter aus:
«Die Bemühungen zielen wahrscheinlich auf den Beratenden Ausschuss für Impfpraktiken der CDC ab, der eine Schlüsselrolle bei der Festlegung der Impfstoffpolitik spielt. Kennedy und seine hochrangigen Mitarbeiter nehmen auch eine Reihe anderer externer Gremien unter die Lupe, darunter auch diejenigen, die die [Arzneimittelzulassungsbehörde] Food and Drug Administration (FDA) beraten.
Kennedy hat gerade erst damit begonnen, die beratenden Ausschüsse zu bewerten, so einer der Befragten, und hat noch nicht entschieden, wer oder wie viele Personen ersetzt werden sollen, oder einen festen Zeitplan für die Entlassungen festgelegt.»
Sollte RFK Jr. seine Pläne tatsächlich umsetzen, ist das Magazin überzeugt, «würde dies wahrscheinlich zu Unruhen innerhalb des Gesundheitsministeriums führen und die Besorgnis in der breiteren Öffentlichkeit nähren, dass Kennedy das Vertrauen der Amerikaner in Impfstoffe untergraben könnte».
Politico führt in diesem Zusammenhang den Republikaner Bill Cassidy an, der den Vorsitz des Ausschusses für Gesundheit, Bildung, Arbeit und Renten (HELP) innehat. Dieser war zunächst skeptisch, nachdem sich Kennedy Jr. während der Senatsanhörungen geweigert hatte zu bestätigen, Impfstoffe würden keinen Autismus verursachen. Doch letztlich hat er sich dann doch für RFK Jr. starkgemacht, als er die Zusage erhielt, «dass die beiden sich regelmäßig treffen würden und dass Kennedy die Bedeutung von Impfungen hervorheben würde» (Transition News berichtete).
Jetzt will Cassidy die Zusagen erhalten haben, dass keine Änderungen am Impfausschuss der CDC vorgenommen würden. «Wenn er bestätigt wird, wird er den Beratenden Ausschuss für Impfpraktiken der Centers for Disease Control and Prevention ohne Änderungen beibehalten», habe Cassidy in einer Rede im Senat am 4. Februar gesagt, so Politico.
Andererseits habe Kennedy während seiner eigenen Präsidentschaftskampagne, die er ja 2024 schließlich abgebrochen habe, und in seiner Aussage im Senat «geschworen, sogenannte Interessenkonflikte anzugreifen, die seiner Meinung nach die Politik und die Forschungsprioritäten des HHS beeinflusst haben». Am vergangenen Dienstag habe Kennedy dann vor HHS-Mitarbeitern geäußert:
«Wir werden Interessenkonflikte in den Ausschüssen und bei den Forschungspartnern beseitigen, wann immer dies möglich ist, oder sie mit anderen Interessengruppen ausgleichen»
Auffällig sei hier auch, so The Defender, dass die reguläre Sitzung des Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP), die ursprünglich für den 26. bis 28. Februar geplant gewesen sei, nun verschoben worden sei. Der ACIP sei ein nichtstaatliches Expertengremium, das sich aus Fachleuten mit klinischem, wissenschaftlichem und gesundheitspolitischem Sachverstand zusammensetze. Der Ausschuss trete dreimal im Jahr zusammen, in der Regel im Februar, Juni und Oktober, um zu entscheiden, welche Impfstoffe der Öffentlichkeit empfohlen werden sollten, wer sie nehmen sollte und wie oft. Diese Empfehlungen würden von der CDC in der Regel abgesegnet.
Die Sitzung in der nächsten Woche sollte die erste sein, seit Kennedy als HHS-Sekretär bestätigt wurde. Ein CDC-Sprecher habe nun lediglich bestätigt, dass die ACIP-Sitzung «verschoben wird, um der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, sich vor der Sitzung zu äußern», und dass die ACIP-Arbeitsgruppen getagt hätten und wie geplant auf der nächsten Sitzung präsentieren würden.
The Defender zitiert Meryl Nass, Internistin, Expertin für biologische Kriegsführung und langjährige ACIP-Beobachterin, wie folgt:
«Die meisten ACIP-Mitglieder stehen in einem finanziellen Interessenkonflikt mit den Pharmaunternehmen. Ihre Entscheidungen scheinen fast immer eine Voreingenommenheit zugunsten der Industrie widerzuspiegeln. Obwohl sie dazu da sind, die Öffentlichkeit zu schützen, scheinen nur wenige Entscheidungen das öffentliche Interesse als Hauptanliegen zu berücksichtigen.»
Kennedy, dem seit langem die Vereinnahmung der Gesundheitsbehörden durch die Industrie Sorgen bereitet, machte die Beseitigung von Interessenkonflikten zu einer der wichtigsten Säulen seines Programms als HHS-Sekretär. Dieser Prozess hat laut The Defender wohl bereits begonnen, obwohl Politico berichtet, dass die Überprüfung der Ausschussmitglieder gerade erst begonnen hat und es keinen festen Zeitplan für die Absetzung gibt.
The Defender zitiert auch die Kinderärztin Michelle Perro, Gründerin von GMOScience, die meint, sie halte die Verschiebung des ACIP-Treffens für «eine großartige Idee», weil sie die Möglichkeit eröffne, «dass die Entscheidungen zur Impfstoffpolitik mit größerer Transparenz und wissenschaftlicher Integrität getroffen werden, was unter der bisherigen Führung nicht der Fall war». Perro weiter:
«Es gibt Bedenken in Bezug auf Interessenkonflikte und die Mitglieder des ACIP, das Fehlen rigoroser Sicherheitsdiskussionen und übereilte Empfehlungen ohne ausreichende Langzeitdatenprüfung.»
Sogar so jemand wie Kim Witczak, Verfechterin der Arzneimittelsicherheit und Mitglied des Beratungsausschusses für psychopharmakologische Arzneimittel der FDA, habe die Verschiebung begrüßt. Diese sei nicht nur akzeptabel, sondern sogar notwendig. Dieser Schritt biete die Gelegenheit, innezuhalten, nachzudenken und kritisch zu bewerten, wie das System strukturiert ist. Witczak fügte hinzu:
«Wir müssen uns mit Interessenkonflikten befassen und mehr sicherheitsbewusste Mitglieder in das Gremium aufnehmen, zusammen mit Verbrauchern aus der Praxis, die die Auswirkungen der öffentlichen Gesundheitspolitik verstehen.
Allzu oft arbeiten Gremien wie ACIP in einer Blase und treffen Entscheidungen, die von den Eigeninteressen und Konflikten ihrer Mitglieder beeinflusst werden, anstatt sich auf die Menschen zu konzentrieren, denen sie eigentlich dienen sollen. Diese Pause ist eine entscheidende Chance, den Kurs zu korrigieren.»
Witczak sagte zudem, sie würde es begrüßen, wenn in allen beratenden Ausschüssen der FDA das gleiche Maß an Kontrolle angewandt würde.
Derweil habe Kennedy in seiner Aussage vor dem Finanzausschuss des Senats während seiner Bestätigungsanhörung) darauf hingewiesen, dass 97 Prozent der ACIP-Mitglieder Interessenkonflikte hätten. Kennedy:
«Ich glaube nicht, dass das richtig ist. Ich denke, wir müssen diese Konflikte beenden und sicherstellen, dass die Wissenschaftler ungehindert Wissenschaft betreiben.»