Ein bewaffneter Konflikt zwischen Russland und der NATO ist nicht ausgeschlossen. Das hat der stellvertretende russische Aussenminister Sergej Rjabkow kürzlich gegenüber der russischen Zeitung Iswestija erklärt. Nach seinen Worten hängt eine mögliche Eskalation ganz vom Nordatlantischen Bündnis ab.
Rjabkow betonte in dem Interview, dass Moskau bereit sei, seine nationalen Interessen «mit allen verfügbaren Mitteln» zu verteidigen. Aus seiner Sicht hat sich die Expansionspolitik der NATO verfestigt und wird sich nicht ändern.
Er bezeichnete es deshalb als unwahrscheinlich, dass sich die Beziehungen zwischen Russland und der NATO in naher Zukunft erholen würden. Der Vizeaussenminister sagte, es gebe derzeit keinerlei Bedingungen, um Gespräche zwischen den USA und Russland über strategische Stabilität und Rüstungskontrolle wieder aufzunehmen.
Die Ursache für die derzeitige «tiefste Sicherheitskrise in der euro-atlantischen Region» sieht Rjabkow in der destruktiven Politik der NATO. Diese sei antirussisch orientiert und ignoriere alle Vorschläge aus Moskau, Probleme zu lösen. Er sei sich sicher, dass das westliche Bündnis seine Politik angesichts der Konsequenzen eines Tages werde überdenken müssen.
«Ich glaube nicht, dass die Beziehungen zwischen Russland und der NATO in absehbarer Zeit in der einen oder anderen Form wiederhergestellt werden», so der Diplomat im Interview. Er fügte hinzu:
«Wenn jemand im Westen meint, wir bräuchten diese Beziehungen und würden irgendwann kommen und ihre Wiederherstellung fordern, dann ist das eine grosse Illusion.»
Moskaus frühere Bereitschaft, «auf einer gleichberechtigten und von gegenseitigem Respekt geprägten Grundlage» zu verhandeln, sei vom Westen missachtet worden. Rjabkow sagt, dass das derzeit nicht wieder möglich sei.
Bewaffneter Konflikt möglich
Stattdessen schliesst er auf eine entsprechende Frage hin einen bewaffneten Konflikt zwischen Russland und der NATO nicht aus. «Die Entscheidung liegt ganz auf der Seite der NATO», betont er gegenüber der russischen Zeitung. Russland sei bereit, die nationalen Interessen «mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen».
Er warnt zugleich vor einer «endlosen Eskalation»:
«Diejenigen, die uns immer wieder auf die Probe stellen, glauben offenbar, dass es für ihr eigenes ‹Glücksspiel›, das Spiel mit den hohen Einsätzen, keine Grenzen gibt. Aber sie könnten zu den Verlierern gehören.»
Auf die Frage nach einem möglichen Waffenstillstand in der Ukraine erklärt Rjabkow, dafür gebe es keine Bereitschaft in den USA und auch keine entsprechenden Anzeichen. Die von Kiew geforderten Bedingungen seien von Moskau keine Grundlage für Gespräche oder Verhandlungen. Der russische Vizeaussenminister fordert die US-Regierung auf, darüber mit ihren «Untergebenen» der Ukraine zu sprechen.
Er macht ebenso deutlich, dass die zugespitzte Situation im Konflikt um die Ukraine Folgen für die Rüstungskontrolle und die gestoppte Abrüstung hat. Der Westen reagiere nicht auf Signale aus Moskau. Rjabkow dazu:
«Wahrscheinlich dachten sie, dass es durchaus möglich ist, Russland eine sogenannte strategische Niederlage beizubringen, und dass sie nur noch ein bisschen mehr Druck machen müssen. Das könnte ein fataler Fehler sein.»
Der Minister betont, dass die Sicherheitsfragen im Zusammenhang zu sehen seien und nicht einzelne Elemente herausgenommen werden könnten. Er macht beim Westen einen «Grad der Aggressivität» und den «unbekümmerten Wunsch» aus, «das Kiewer Regime mit allen möglichen Waffen vollzupumpen». Das sei «genau das Gegenteil» von dem, was Moskau immer angestrebt habe.
«Zustand der gewaltsamen Konfrontation»
Rjabkow fordert grundlegende Änderungen der US-Politik und sichtbare Beweise dafür, dass sich der feindliche Kurs gegenüber Russland ändere, bevor es wieder einen Dialog gäbe. Zugleich warnt er Washington vor dem Irrtum, dass sich Moskau wie in den 80er Jahren wieder auf ein Wettrüsten einlasse, dass die USA gewinnen könnten.
«Wir werden uns nicht auf Provokationen einlassen, die sehr typisch für die amerikanische Politik gegenüber Russland sind, sondern wir werden unsere Sicherheit gewährleisten», so Rjabkow.
Dafür werde Moskau sorgen, ohne sich in ein kostspieliges Wettrüsten hineinziehen zu lassen. Russland werde immer in der Lage sein, «eine garantierte Abschreckung der Vereinigten Staaten und ihrer Satelliten zu gewährleisten und ihre Provokationen zu verhindern».
Er hält einen vollständigen Abbruch der «verdünnten» diplomatischen Beziehungen zu den USA für möglich. Moskau werde aber niemals einen solchen Schritt einleiten, betont der Vizeaussenminister. Wenn es dazu komme, trage Washington die Verantwortung dafür.
Die russische Führung hat laut ihrem Vertreter «so gut wie kein Vertrauen» mehr in das, was die US-Regierung sagt.
«Wir befinden uns in einem Zustand der gewaltsamen Konfrontation. Es wird ein hybrider Krieg gegen uns geführt. Er ist nicht verborgen. Und hier sind alle Wendungen möglich. Aber wir sind auf sie vorbereitet. Wenn das die Entscheidung Washingtons ist, werden wir sie zur Kenntnis nehmen und entsprechende Gegenmassnahmen ergreifen.»
Moskau werde sich von Washington nicht in dessen üblicher «mentorenhafter Befehlsmanier herablassend behandeln lassen», stellt Rjabkow klar. «Wir werden das gesamte Arsenal der uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um unsere Interessen zu wahren», betont er.
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