Der Überfall der Qassam-Brigaden, der militärischen Einheiten des palästinensischen Organisation Hamas, am 7. Oktober auf Israel hat auch die westliche Öffentlichkeit überrascht. Nun wird in den Mainstream-Medien viel darüber veröffentlicht, wer die Hamas angeblich finanziert. Dazu gehört den Angaben nach unter anderem der arabische Staat Katar, der seit 2014 etwa 1,5 Milliarden Dollar an die Hamas überwiesen haben soll.
Nicht berichtet wird von den Mainstream-Medien dabei, woran der Investigativ-Journalist Seymour Hersh kürzlich erinnerte:
«Es wurde eine Vereinbarung mit Katar getroffen, das mit israelischer Zustimmung begann, Hunderte von Millionen Dollar an die Hamas-Führung zu schicken.»
Die Vereinbarung sei getroffen worden, nachdem Benjamin «Bibi» Netanjahu 2009 wieder Ministerpräsident wurde. Hersh zitierte seinen israelischen Informanten:
«Bibi war überzeugt, dass er mit dem Geld aus Katar mehr Kontrolle über die Hamas haben würde.»
Bereits 2020 wies ein Bericht des arabischen Online-Portals Al-Bawaba auf interessante Aussagen des ehemaligen israelische Verteidigungsministers Avigdor Liberman hin. Dieser habe in einem Interview mit dem israelischen Sender Channel 12 News Einzelheiten über einen geheimen Besuch von Mossad-Chef Yossi Cohen und dem Chef des Südkommandos des israelischen Militärs, Herzl Halevi, im Jahr 2020 in Katar enthüllt. Danach hat Liberman gesagt:
«Sowohl die Ägypter als auch die Katarer waren wütend auf die Hamas und planten, alle Verbindungen zu ihr abzubrechen. Plötzlich trat Netanjahu als Befürworter der Hamas auf und übte Druck auf Ägypten und die Katarer aus, die finanzielle Unterstützung fortzusetzen.»
Das hatte vor drei Jahren ebenfalls die israelische Zeitung Haaretz berichtet. Danach sollen sich laut der Nachrichten-Website Walla Cohen und Halevi weniger als 24 Stunden in Doha aufgehalten und mit dem katarischen Gesandten für den Gazastreifen, Mohammed al-Emadi, und dem katarischen Berater für nationale Sicherheit, Mohammed Bin Ahmed al-Misnad, getroffen haben.
Das wirft ebenso Fragen auf wie die angebliche Überraschung der israelischen Führung durch den Hamas-Überfall, obwohl die Grenze zum Gaza-Streifen als einer der bestbewachten in der Welt gilt. Nach dem Angriff wusste Tel Aviv aber ganz schnell, wer dahinter stecken soll und gab der eigenen Armee Befehl, den Gaza-Streifen massiv zu bombardieren.
Der Vorgang verweist auf das, was hinter den Schlagzeilen geschieht. Das Portal Swiss Policy Research veröffentlichte dazu am Sonntag einen Auszug aus einem Buch des israelischen Militärgeheimdienst-Whistleblowers Ari Ben-Menashe. Dieser hatte 1992 in «Profits of War: Inside the Secret U.S.-Israeli Arms Network» darüber berichtet, wie Israel Erlöse aus geheimen Waffenverkäufen an den Iran zur Finanzierung von Geheimoperationen und Terrorismus unter falscher Flagge verwendete.
«Schwarze» Operationen
Das soll damals im Zusammenhang mit den später in den 1980er Jahren als «Iran-Contra-Affäre» teilweise bekannt gewordenen Ereignissen geschehen sein, die nie vollständig aufgeklärt wurden. Dabei hatten die USA über Israel Waffen an den Iran verkauft, nachdem dort 1979 der US-hörige Schah gestürzt worden war, und mit den Einnahmen die «Contras» in Nikaragua finanziert. Den Details im Buch von Ben-Menashe nach handelte es sich aber um Vorgänge, die als «Oktober-Überraschung» bekannt wurden.
Dabei sollen 1980 geheime Verhandlungen des Teams um Präsidentschaftskandidat Ronald Reagan, unterstützt von der CIA, mit dem Iran dazu geführt haben, dass die Geiseln in der US-Botschaft in Teheran erst nach der Wahl im November des Jahres freigelassen werden. Das Ziel: Eine Wiederwahl des damaligen US-Präsidenten James E. Carter zu verhindern. Der Iran sollte dazu im Gegensatz über Israel Waffen erhalten.
Was lange Zeit nur als Gerücht und gar «Verschwörungstheorie» galt, wurde unter anderem in einem Bericht der US-Zeitung New York Times vom März 2023 bestätigt. Das Blatt berichtet von entsprechenden Aussagen des ehemaligen US-Politikers Ben Barnes. Der deutsche Investigativ-Journalist Jürgen Roth hatte über die Vorgänge bereits 1990 ausführlich in seinem Buch «Die Mitternachtsregierung: Reportage über die Macht der Geheimdienste» geschrieben.
Der ehemalige Mitarbeiter des israelischen Militärgeheimdienstes Ben-Menashe beschreibt in seinem Buch von 1992, wie Israel an dem Deal mit dem Iran beteiligt war. Danach waren die geheimen Waffenverkäufe an den Iran im Dezember 1980 ausgearbeitet worden. An der Umsetzung seien Mossad-Spionagechef David Kimche und der spätere CIA-Chef Robert Gates beteiligt gewesen.
Der Vorgang sei über mehrere Jahre und mit Hilfe eines Netzes verschiedener Banken und Waffenhändler abgelaufen. Die israelischen Geheimdienste hätten für die Einnahmen eine «schwarze Kasse» eingerichtet, aus dem sie geheime Aktivitäten finanzierten.
«Wir verkauften den Iranern zwar Waffen mit einem Aufschlag von 50 bis 400 Prozent auf den Ab-Werk-Preis, aber die tatsächlichen Kosten für Beschaffung und Lieferung waren ebenfalls hoch. Es gab ein riesiges Netz von Waffenhändlern, die bezahlt werden mussten, Geld, das an die an den ‹Smokescreen ›-Geschäften beteiligten Personen übergeben werden musste, Bestechungsgelder für Politiker und Beamte, ‹Spenden› für Wahlkampfzwecke in der ganzen Welt und andere Ausgaben. Die ‹Spenden› kosteten manchmal mehr als die Waffen selbst.»
Laut Ben-Menashe wurden mit den Milliarden-Einnahmen aus dem Waffendeal in Israel unter dem die Aktivitäten der regierenden Likud-Partei finanziert. Auch die geheimen «schwarzen» Operationen des Mossad in aller Welt seien damit bezahlt worden:
«Dazu gehörte die Finanzierung von israelisch kontrollierten ‹palästinensischen Terroristen›, die im Namen der palästinensischen Revolution Verbrechen begingen, die aber in Wirklichkeit, meist unwissentlich, Teil der israelischen Propagandamaschine waren.»
Ausführlich beschreibt er das am Beispiel der verdeckten Operationen, bei denen ein ehemaliger hochrangiger jordanischer Offizier, Mohammed Radi Abdullah, benutzt wurde. Dieser habe Verbindungen zum palästinensischen Terroristen Abu Nidal geknüpft und diesem Waffen verkauft. Später sei Radi vom israelischen Spionagechef Rafi Eitan eingesetzt worden.
Eitan habe eine Antiterrorgruppe geleitet, deren Aufgabe es war, mit «unkonventionellen» Methoden – Ben-Menashe nennt sie «abscheulich» – zu zeigen, «dass die Palästinenser eine tödliche, mörderische Bande sind». Dazu seien «schwarze» Propaganda-Operationen durchgeführt worden.
Der ehemalige Geheimdienst-Mitarbeiter nennt als Beispiel den Anschlag auf das Kreuzfahrtschiff «Achille Lauro» 1985, den ein palästinensisches Kommando unter Abu Abbas ausführte. Abbas war Gründer und Führer der Palästinensischen Befreiungsfront (PLF). Dabei wurde Leon Klinghoffer, ein querschnittsgelähmter US-Amerikaner, getötet und über Bord geworfen. Für Israel sei «es die beste Art der antipalästinensischen Propaganda» gewesen, so Ben-Menashe dazu.
Er erinnert an ein anderes Beispiel, bei dem es 1986 mit einem vereitelten Bombenanschlag auf ein Flugzeug der israelischen Luftfahrtgesellschaft El Al auf dem Flug von London nach Israel darum ging, Syrien zu diskreditieren. Auch dabei sei über Radi Geld geflossen, um nach dem verhinderten Anschlag den syrischen Geheimdienst dafür verantwortlich machen zu können. Die britische Regierung liess daraufhin die syrische Botschaft schliessen.
Mit den Einnahmen aus den geheimen Waffendeals mit dem Iran seien ausserdem die jüdischen Siedler im Westjordanland und im Gaza-Streifen finanziert worden, so der Ex-Geheimdienstmitarbeiter:
«Dutzende von Millionen Dollar wurden im Westjordanland und im Gazastreifen eingesetzt, um den Grundstein für neue jüdische Siedlungen zu legen und den Arabern das Land abzukaufen.»
Für den Likud sei das Geld gut angelegt gewesen, so Ben-Menashe, denn er habe die Araber zur Auswanderung ermuntert, während er den Juden Land überliess, auf das sie ziehen konnten. Auch ihre Häuser würden aus der «schwarzen Kasse» subventioniert werden. Das gehört ebenfalls zu den Ursachen der aktuellen Ereignisse im Palästina-Israel-Konflikt. Und der damals nützliche Iran wird heute als der grosse Fend Israels dargestellt und mit Krieg bedroht.