Als Europa in den Dreißigerjahren dem Zweiten Weltkrieg entgegentaumelte, begann auch die Schweiz, ihre veraltete Armee zu modernisieren. Insbesondere die Luftwaffe hatte man vernachlässigt. Es gelang dann dem damaligen Verteidigungsminister, Bundesrat Ruedi Minger, aus Deutschland den modernen Messerschmidt Me 109 zu beschaffen.
Im Frühling 1940 flog die deutsche Luftwaffe im Rahmen des Weltfeldzuges groß angelegte Angriffe auf Frankreich. Um die Flugzeit abzukürzen, versuchten sie oft, über die Schweiz zu fliegen und verletzten deshalb deren Luftraum. Die Schweizer Luftwaffe und die Flab versuchten, dies so gut es ging zu unterbinden. Bilanz der Luftkämpfe im Frühling 1940 über der Schweiz: Zwölf abgeschossene deutsche Kampfflugzeuge, die Schweiz verlor fünf Jagdflugzeuge.
Während der Dauer des Krieges wurden in der Schweiz 244 luftraumverletzende Flugzeuge zur Landung geleitet, stürzten ab oder wurden abgeschossen. 1620 Besatzungsmitglieder wurden interniert, vielfach in Hotels im Berner Oberland. Wohl eine angenehme Art, den Krieg zu verbringen.
Zum Einsatz kam meist der Me 109. Hitler und Göring machten ihrem Ärger Luft und Bern bekam dies im Frühsommer 1940 im Rahmen einer geharnischten Protestnote der deutschen Gesandtschaft zu spüren. Göring wollte die Flugzeuge zurückfordern, wofür Bern aber kein Musikgehör hatte. Immerhin gelang es den Nazis, genug Druck aufzusetzen, damit der Bundesrat, die Schweizer Landesregierung, der Luftwaffe die Luftkämpfe verbot, wenn diese nicht die Schweiz direkt angriffen, was diese und den Armeechef, General Henri Guisan, enorm ärgerte.
Nach dem Krieg freundete sich einer der abgeschossenen deutschen Piloten mit den Schweizer Kollegen, die ihn vom Himmel geholt hatten, an und gab offen zu, die Schweiz unterschätzt zu haben.
Die Schweiz hatte den modernen deutschen Flieger gegen das Herstellerland eingesetzt. Seit Jahren pfeifen in Bern die Spatzen von den Dächern, dass es über Manipulationen der Software oder das Verweigern von Ersatzteilen problemlos möglich ist, aus den USA das Abheben von Kampfjets amerikanischer Hersteller zu verhindern. Mittlerweile melden Länder wie Kanada und Portugal Bedenken an und überlegen sich, ob sie den Kampfjet wirklich noch bestellen wollen.
Die F-35-Kampfjets des US-amerikanischen Herstellers Lockheed Martin stehen auch in der Schweiz immer stärker im Fokus der öffentlichen Debatte. Während die scheidende Verteidigungsministerin, Bundesrätin Viola Amherd, vor zwei Jahren einen Vertrag über die Beschaffung von insgesamt 36 dieser Jets unterzeichnete, wächst nun der Widerstand gegen das Vorhaben. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass mehr als 80 Prozent der Schweizer Bevölkerung den Kauf des F-35 ablehnen und die damit verbundene Gefahr einer verstärkten Abhängigkeit von den USA erkennen.
Die Kampagne gegen die F-35-Beschaffung hat mittlerweile an Fahrt aufgenommen: Heute wurde eine Petition gestartet, die den Bundesrat auffordert, die Entscheidung zum F-35 rasch rückgängig zu machen.
«Der Kauf des F-35 stellt ein ernsthaftes Sicherheitsrisiko für die Schweiz dar», erklärt Balthasar Glättli, Nationalrat der Grünen, der die Petition unterzeichnet hat. «Wir dürfen uns nicht von den USA abhängig machen, vor allem angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre, die mit der Wahl von Donald Trump und den geopolitischen Spannungen zugenommen haben.»
Die kritischen Stimmen zur F-35-Beschaffung sind nicht neu. Bereits 2022 gab es innerhalb der politischen Landschaft Bedenken, als Amherd den Kaufvertrag unterzeichnete – und damit eine geplante Volksabstimmung zur Beschaffung des Kampfjets umging. Viele Stimmen, die eine eingehende Debatte über die Risiken der F-35-Beschaffung forderten, fanden kein Gehör. Laut der Petition haben diese Versäumnisse schwerwiegende Konsequenzen für die Unabhängigkeit und die Sicherheit der Schweiz.
«Wir haben in den letzten Jahren mehrmals gewarnt, dass die Schweiz mit dem Kauf des F-35 in eine gefährliche Abhängigkeit von den USA gerät», erklärt Roxane Steiger, politische Sekretärin der GSoA (Gruppe für eine Schweiz ohne Armee). «Diese Abhängigkeit könnte die Handlungsfreiheit der Schweiz in internationalen Konflikten und sicherheitspolitischen Fragen stark einschränken.»
Die Befürworter des F-35 hingegen argumentieren, dass der Jet die Schweiz mit einer modernen und leistungsfähigen Luftwaffe ausstatten würde, die den aktuellen Sicherheitsbedrohungen gerecht wird. Dennoch ist die Debatte über die Notwendigkeit und die langfristigen Auswirkungen dieses Kaufs weit davon entfernt, beigelegt zu sein. In der Petition wird nun ein klarer Appell an den Bundesrat gerichtet:
«Wir fordern, dass der Bundesrat die F-35-Beschaffung sofort stoppt und stattdessen alternative Lösungen in Betracht zieht – vor allem europäische Modelle, die in der Lage sind, die realen Bedrohungsszenarien der Schweiz zu adressieren», so Glättli weiter.
In den vergangenen Jahren sei die Diskussion über europäische Alternativen wie den Eurofighter oder den Rafale längst nicht ausreichend geführt worden, obwohl diese Modelle als potenziell weniger riskant und geopolitisch unbedenklicher gelten.
Die Petition fordert nicht nur eine sofortige Abkehr vom F-35, sondern auch eine neue Diskussion über die sicherheitspolitische Ausrichtung der Schweiz. Dies könnte gut im Rahmen der Diskussion über die Neutralität und deren mögliche Verankerung in der Bundesverfassung geschehen - im Rahmen der Volksinitiative, über die die Schweiz nächstens abstimmt (siehe hier und hier).
Die Unterschriften der Petition sollen dem Bundesrat verdeutlichen, dass es in der Bevölkerung einen klaren Widerstand gegen den F-35 gibt und dass eine alternative Lösung dringend erforderlich ist.
«Die Bevölkerung muss bei solch weitreichenden Entscheidungen mehr eingebunden werden. Es geht nicht nur um den Kauf eines Kampfjets, sondern um die Unabhängigkeit und die Sicherheit unseres Landes», betont Glättli abschließend.
Während die Diskussion weitergeht, bleibt die Frage, ob der Bundesrat dem Druck aus der Bevölkerung nachgeben wird und die geplante Beschaffung tatsächlich noch gestoppt werden kann. Der streitbare frühere PR-Berater Klaus J. Stöhlker fordert in diesem Zusammenhang, dass die Schweiz die Beschaffung storniert und mit der angezahlten Milliarde andere, sinnvolle amerikanische Rüstungsgüter beschafft.
Während Luftwaffenchef Peter Merz und der für die Beschaffung Zuständige zusammen mit Amherd das Weite gesucht haben, obliegt es dem neuen Verteidigungsminister, Bundesrat Martin Pfister, eine neue Strategie zu entwickeln.
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