Eine «Aufarbeitung aus gesamtheitlicher Sicht» der Corona-Politik fordert der Schweizer Ex-Minister (Bundesrat) Ueli Maurer. In einem Gastbeitrag in der aktuellen Druckausgabe der Wochenzeitung Die Weltwoche äussert er sich deutlich kritisch, anders als verantwortliche Politiker in Deutschland und anderen Ländern. Dabei gilt, was er beschreibt und einfordert, auch für alle anderen Länder.
Maurer, Mitglied der konservativen SVP, bezeichnet die Corona-Krise als «grössten sozialen und politischen Schock der letzten Jahrzehnte» für die Schweiz, der aufgearbeitet werden müsse. Er erinnert an die angeordneten Massnahmen: «Isolation, Maskenpflicht, Aussperrung, Besuchsverbote bei kranken und sterbenden Angehörigen, Versammlungsverbote, Einschränkungen und Verbote im gesellschaftlichen und kulturellen Leben, ebenso im Berufsalltag und in den Schulen bis hin zu einem faktischen Impfzwang».
Ereignisse wie das Aussetzen der verfassungsmässigen Volksrechte (Grundrechte) per Notrecht hätten ganze Generationen seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie erlebt. Die Politik sei ab März 2020 durch die weltweit von Medien und Wissenschaftlern geschürte Angst unter Druck geraten und habe immer neue, noch weiter gehende Massnahmen beschlossen.
Maurer schreibt von einem «hohen internationalen Druck» mit Hilfe von Moral:
«Entweder man zog mit und zählte zu den ‹moralisch Guten›, oder man stellte kritische Fragen und wurde ins Lager der ‹Corona-Leugner› aussortiert.»
Die so entstandene Dynamik sei ihm «immer noch nicht geheuer», gesteht der Politiker, der 2019 das Amt des Bundespräsidenten der Schweiz innehatte:
«Offensichtlich kann man die Massen durch gleichlautende Meldungen völlig beeinflussen, um nicht das Wort ‹manipulieren› zu verwenden.»
Die Politik habe «weitgehend faktenfrei» und «sehr emotional» entschieden und gehandelt, schreibt er. Sachliche und fachliche Diskussionen sowie das «übliche sorgfältige Abwägen» seien kaum möglich gewesen. Dafür hätten auch der Druck durch die Medien und die von ihnen beeinflusste breite Öffentlichkeit gesorgt.
Kritische Stimmen seien kaum zur Kenntnis genommen worden und «Kritiker wurden ins Lager der Leugner und Schwurbler aussortiert», erinnert er in der aktuellen Weltwoche:
«Der unkritisch übernommene Gleichschritt in den Corona-Jahren hat unsere politische Kultur, unser Verständnis von Dialog und Minderheiten erschüttert.»
Daraus müssten Lehren gezogen werden, fordert der SVP-Politiker mit Blick auf kommende Krisen und den vorbereiteten WHO-Pandemie-Vertrag. Dieser sei ein «Schritt zu einem weltweiten Diktat im Gesundheitswesen», warnt er.
Durch das Moralisieren und das Unterteilen in «Gut» und «Böse» sind aus Maurers Sicht mehrfach rote Linien der Demokratie überschritten worden. Die Folge sei ein massiver Verlust der Glaubwürdigkeit der Politik und ein «abgrundtiefes Misstrauen gegenüber dem Staat und den Politikern» bei den Bürgern.
«Bundesrat und insbesondere auch die Mehrheit des Parlamentes haben Verfassung und Gesetze zurechtgebogen, nur noch das übernommen, was vermeintlich der Sache diente.»
Maurer weiss, wovon er spricht, da er «im inneren Kreis dieser Beschlüsse» war, wie er schreibt. Er widerspricht im Fall der Schweiz «Verschwörungstheorien» darüber, dass externe Interessen mit der Corona-Politik durchgesetzt wurden:
«Treiber der vielen nicht verstandenen und vielfach auch unnötigen Beschlüsse waren bei uns eher die folgenden: Man will zu den ‹moralisch Guten› gehören, Kritik hat man nicht gerne. Dazu kommt auch Angst – Angst, Verantwortung zu übernehmen für einen eigenständigeren Weg. Und schliesslich kommt der Glaube an die Unfehlbarkeit der Experten hinzu. Kritik und Widerspruch wurden kaum geduldet.»
Als Folge macht er einen «staatspolitischen Kollateralschaden» aus, zu dem der gefährliche Vertrauensverlust in die Demokratie gehöre. Dagegen helfe nur «eine offene und kritische Auseinandersetzung mit diesen Themen».
Er verweist ebenso auf die tiefgreifenden Folgen der Corona-Politik in der Gesellschaft:
«Aussortiert werden, ausgegrenzt werden, weil man eine andere Meinung hat, das wurde nicht verstanden. Von Angehörigen konnte man nicht Abschied nehmen, als Nichtgeimpfte nahe an Verbrecher gerückt zu werden, als Staatsbürger zweiter Klasse kategorisiert zu werden, vertragen nicht alle.»
In der Sprache haben sich nach seinem Eindruck «Totschlagargumente» eingenistet, in dem jene, die kritische Fragen stellten, als «Verschwörer», «Staatsverweigerer», «Lügner», «Schwurbler» und ähnliches diffamiert wurden. Maurers Frage dazu «Ist das noch unsere Schweiz?» lässt sich entsprechend nicht nur für Deutschland übersetzen.
Er fordert dazu auf, sich an die «unantastbare Würde aller Personen» zu erinnern. In der Bundesrepublik ist sie in Artikel 1 des Grundgesetzes festgeschrieben: «Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt», heisst es da im Folgenden. Zu fragen wäre, wer die Verantwortlichen der Corona-Politik wegen Verfassungsbruchs zur Verantwortung zieht …
Maurer erinnert immerhin daran, dass die Schwächsten der Gesellschaft, vor allem die Kinder und Jugendlichen, am schwersten an den Folgen der politisch ausgelösten Corona-Krise zu tragen haben. Und er stellt ausserdem fest, dass die etablierten Medien ihre «Rolle als vierte Kraft nur vereinzelt wahrgenommen» hätten.
Er wirft ihnen vor, sich unkritisch beteiligt zu haben:
«Mitgegangen ist mitgehangen! Mehr will ich dazu nicht zu sagen.»
Er macht zudem auf die wirtschaftlichen Folgen aufmerksam: Die «zügellose Ausgabenpolitik während der Corona-Zeit» sei eine Hypothek für die Staatsfinanzen. Zu den Folgekosten rechnet er ebenso, dass die Politik nicht offen über die Fragen von «Long Covid» und der «Covid-Impfschäden» spreche.
Maurer fordert Aufklärung über die Massnahmen und die Wirkung der «Impfstoffe»: «Wusste man mehr und wollte es nicht sagen? Was blieb unter der Decke?» Er fragt unter anderem, warum die Politik unter emotionalem und internationalem Druck entschieden habe. Und:
«Welche Rolle hatten und übernehmen die Pharmaindustrie, die Wissenschaft und die Medizin?»
Eine Aufarbeitung aus gesamtheitlicher Sicht sei notwendig, schreibt der Ex-Bundesrat. Dazu gehöre «Mut und Willen für eine ehrliche, pragmatische Analyse mit einer gehörigen Portion Demut und Respekt» gegenüber den Bürgern und den «Eckpfeilern unseres Staates». Maurer will, dass sowohl unabhängige Fachleute aus der Wissenschaft, der Medizin, der Psychiatrie sowie der Kantone in die Aufarbeitung einbezogen werden.
Das sind Forderungen, die in Deutschland noch undenkbar scheinen, zudem von einem mitverantwortlichen Politiker. Davon zeugt unter anderem, dass deutsche Politiker, die in der Corona-Zeit «Ungeimpfte» massiv diffamierten, sich weigerten, auf entsprechende Fragen der Berliner Zeitung zu antworten, wie diese am Donnerstag berichtete.
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