Der Finanzunternehmer Alfred Gantner aus der Zentralschweiz will nicht weniger als die demokratische Messlatte für den institutionellen Deal mit Brüssel neu setzen. Für ihn soll nicht nur das Volk, sondern auch die Mehrheit der Kantone – das sogenannte Ständemehr – über die neuen bilateralen Verträge der Schweiz mit der EU entscheiden (weitere Informationen und Links in diesem Newsletter).
«Wenn Bundesrat und Parlament das doppelte Mehr anordnen und wenn Volk und Stände Ja sagen zur institutionellen Anbindung an die EU, dann ziehen wir unsere Initiative zurück», sagte Gantner heute gegenüber der NZZ.
Es ist ein Angebot mit Bedingungen – ein Tauschgeschäft zwischen direkter Demokratie und institutionellem Frieden, wie heute Morgen Inside Paradeplatz berichtete.
Dass er bereits jetzt die nötigen 100.000 Unterschriften für sein Volksbegehren, die «Kompass-Initiative», in Aussicht stellt, erhöht den Druck auf die Politik.
Die Antwort vom Aussenminister, Bundesrat Ignazio Cassis (FDP, Tessin), kam postwendend. Am Nachmittag erklärte er auf einer Pressekonferenz, das Bundesamt für Justiz halte weiterhin ein fakultatives Referendum ohne Ständemehr für ausreichend. Juristisch ist der Fall komplex. Das Gutachten des Bundesamts für Justiz kommt zum Schluss, dass ein sogenanntes «obligatorisches Referendum sui generis» nicht zwingend nötig sei. Politisch aber ist die Debatte hochbrisant: In der Innerschweiz und bei konservativen Kräften hat die Forderung nach einem doppelten Mehr Rückhalt. Auch die NZZ sekundiert der Forderung Gantners – und stellt ihn offen als neuen Tell dar.
Andere hingegen sehen in Gantners Vorstoss einen Rückfall in die Zeiten von Christoph Blocher: ein reicher Mann, der aus der Wirtschaft in die Politik greift und mit Initiativen den Takt vorgibt. Nur ist es diesmal kein Chemie-Tycoon, sondern ein Finanz-Kaiser. Gantner inszeniert sich als Vorkämpfer für die Souveränität – aber mit dem Zepter eines Cäsars, der den Rückzug seiner Legionen nur dann gewährt, wenn die Staatsmacht seinem Willen folgt.
Noch ist offen, wie das Parlament auf das Machtspiel reagieren wird. Die eidgenössischen Räte können von sich aus ein obligatorisches Referendum beschliessen. An die Meinung des Bundesrates sind sie nicht gebunden.
Die EU-Verträge liegen in Grundzügen vor, das Referendum ist noch nicht lanciert. Doch eines ist jetzt schon klar: Fredy Gantner hat sich als neue politische Kraft in Stellung gebracht. Und er ist bereit, die Arena zu betreten – nicht als Zuschauer, sondern als Dirigent der nächsten großen Europafrage.
Klar ist auch, dass es Gantner nicht grundsätzlich um Volksrechte und Souveränität geht – das würde auch der Kampf gegen die WHO-Verträge und gegen die Annäherung an die NATO umfassen -, sondern nur darum, die bilateralen Verträge mit der EU zu bodigen.