Die US-Bomben, die am 22. Juni auf die iranische Atomanlage Fordo abgeworfen wurden, sollten diese nicht zerstören, sondern den Zugang zu ihr unmöglich machen. Das behauptet der US-amerikanische investigative Journalist Seymour Hersh (88) in seinem am Donnerstag veröffentlichten Text auf der Plattform Substack. Er beruft sich dabei auf nicht genannte Quellen in der US- und der israelischen Regierung.
Hersh schreibt, er habe erfahren, dass die Zerstörung des iranischen Vorrats an angereichertem Uran in Fordo, einer abgelegenen Basis in einem Berg 120 Meilen südlich von Teheran, seit den letzten Monaten der Biden-Regierung «ganz oben auf der Zielliste» der US-amerikanischen und israelischen Regierung stand. Ein Team des Weißen Hauses, das eng mit den Israelis zusammenarbeitete, habe in den ersten Monaten der Trump-Regierung geprüft, wie die Anlagen tief unter der Erde zerstört werden könnten.
Alle Beteiligten hätten die israelische Forderung unterstützt, Fordo müsse vernichtet werden. Doch dann sei entschieden worden, die Zugänge zur Atomanlage durch Bomben zu zerstören und damit zu blockieren. Ein Mitglied der geheimen Planungsgruppe habe vorgeschlagen, die unterirdisch gelagerten Nuklearmaterialien und die Anreichungsanlagen für immer gewissermaßen zu versiegeln.
Es sei klar gewesen, dass selbst die gefürchteten Bunkerbrecher-Bomben der USA in der Tiefe bis zu 300 Fuß (bis zu 100 Meter) des Nuklearkomplexes in Fordo nicht wirksam seien. Studien aus dieser Zeit hätten gezeigt, dass US-Bunkerbrecher selbst bei präzisem Zielen nicht bis auf 20 Meter an die erforderliche Tiefe herankommen würden. Also sei beschlossen worden, damit wiederholt die Eingänge und Luftlöcher dort zu treffen, bis es kein Ein- oder Ausweg mehr gibt.
Hersh schreibt, dass der Iran als Mitglied der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO korrekt die ständig wachsende Menge an auf 60 Prozent angereichertem Uran – mittlerweile auf 900 Pfund (rund 400 Kilogramm) festgelegt –, gemeldet habe, die in Fordo produziert und gelagert wurde. Zwanzig Pfund (rund 9 Kilogramm) auf 90 Prozent angereichertes Uran würden für eine Bombe reichen. In Fordo hätte es laut Hershs Informationen nur Tage statt Wochen gedauert, um das Uran von 60 Prozent auf waffenfähiges Niveau anzureichern.
Es sei demnach beschlossen worden, dass die US-Bomber- und Kampfflugzeugflotte versuchen sollte, ihre Bunkerbrecher – mindestens dreizehn an der Zahl – auf den Berg über der Anlage bei Fordo richten sollte. Alle bekannten Zugänge und Luftschächte, die über die Erde hinausragten, seien direkt ins Visier genommen worden, sodass über den Arbeitsbereichen eine riesige Trümmermasse zurückblieb, die kaum zu durchdringen sei.
«Keine der US-Bomben sollte die Lagerstätte für angereichertes Uran oder die rotierenden Zentrifugen treffen. Der Erfolg zeigte sich später, als US-amerikanische Sensoren nach dem Angriff keinen Anstieg der Strahlenwerte in der Atmosphäre meldeten. Das iranische Uran war unversehrt und einfach begraben worden.»
Der US-Journalist widerspricht der von Medien zitierten fünfseitigen vorläufigen Nachanalyse des US-Militärgeheimdienstes Defense Intelligence Agency (DIA) zu dem US-Angriff, wonach die nuklearen Fähigkeiten des Iran möglicherweise nicht vollständig zerstört, sondern nur um einige Monate zurückgeworfen worden seien.
Die Analyse der DIA sei «nicht glaubwürdig, da die völlige Isolation von Fordo, dem einzigen bekannten Vorrat an angereichertem Uran im Iran, bedeutet, dass die Fähigkeit zur Herstellung eines Atomsprengkopfes, sollte die iranische Führung sich dazu entschließen, erheblich beeinträchtigt ist». Die Vorräte an angereichertem Uran im Iran könnten zwar intakt sein, aber sie würden für viele Jahre, wenn überhaupt, unzugänglich sein.
«Die US-Bunkerbrecher haben ihre Mission in Fordo erfüllt.»
Aufgrund welcher konkreten Informationen sich Hersh da so sicher ist, erklärt er nicht weiter. Er schreibt, nach seinen Informationen sei der US-Bombenangriff zu keinem Zeitpunkt gegen Mitglieder der iranischen Führung gerichtet gewesen.
Er berichtet, dass es unter den beteiligten Israelis Bedenken gegeben habe, dass die Zentrifugen und das angereicherte Uran von dem US-Angriff unberührt bleiben würden. Sie hätten befürchtet, dass die Iraner irgendwann einen Weg finden würden, sich durch die Felsen und Trümmer zu graben und an das gelagerte Uran zu gelangen und genug für ein oder zwei Bomben zu bergen.
Die Besorgnis der Israelis sei gewachsen, als Trump ohne unmittelbaren Erfolg auf dauerhafte Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Israel und Iran gedrängt habe. Was Trump für Friedensgespräche erforderlich hält, reiche Israel möglicherweise nicht aus, so Hersh.
Während er in seinem aktuellen Text die offiziellen Erklärungen stützt, geht er darin mit keinem Wort darauf ein, dass es nach seinen eigenen Erkenntnissen keinen Beweis gibt, dass der Iran plante, Atomwaffen herzustellen. Im April 2024 hatte der US-Journalist die israelischen Behauptungen einer drohenden iranischen Atombombe als durch nichts belegte «Phantasie» bezeichnet.
Hersh schrieb vor mehr als einem Jahr, die US-Geheimdienste hätten «jahrelang erfolglos» nach einer unterirdischen Produktionsanlage für Atomwaffenmaterial im Iran gesucht. Er zitierte damals einen US-Regierungsmitarbeiter, der erklärt habe:
«Der Iran hat Leute in Uniform, aber er hat keine Bombe und kann keinen Krieg gewinnen.»
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