Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez ist von Korruptionsfällen umgeben und gerät immer mehr unter Druck. Innerhalb eines Jahres wurden in vier Gerichtsverfahren in seinem engen Kreis 47 hochrangige Politiker und Beamte von den Richtern vorgeladen. Die meisten stehen mit Sánchez’ Partei PSOE in Verbindung (wir berichteten). Aber auch die Ehefrau und der Bruder des Regierungschefs stehen im Fokus der Ermittler.
Und die Schlinge um Sánchez’ Hals zieht sich immer enger. Wie spanische Medien berichten, hat der Oberste Gerichtshof von Madrid nun eine Untersuchung angeordnet, um zu klären, ob Sánchez bei der Rettung der Fluggesellschaft Air Europa in einen Interessenkonflikt verstrickt war. Diese hatte von der Regierung eine Finanzspritze von 475 Millionen Euro erhalten.
Der Knackpunkt: Sánchez’ Ehefrau Begoña Gómez hatte diese Rettungsaktion beantragt, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt Einkünfte von der Globalia-Gruppe bezog, zu der Air Europa gehört. Auch hatte die Fluggesellschaft Aktivitäten am «Instituto de Empresas» gesponsert, mit dem Gómez verbunden war.
Mit dieser Entscheidung ist der Oberste Gerichtshof einer Berufung der Oppositionspartei Partido Popular gefolgt. Die Richter haben das Amt für Interessenkonflikte, das dem Ministerium für digitale Transformation und den öffentlichen Dienst unterstellt ist, angewiesen, diese Untersuchung einzuleiten. Denn sie sind der Meinung, dass geklärt werden müsse, ob sich Sánchez bei den Entscheidungen des Ministerrats, der die Rettung von Air Europa genehmigte, der Stimme hätte enthalten müssen.
Sánchez und seine Partei PSOE stehen derzeit unter Dauerbeschuss der Ermittler. Ganz aktuell ist der Organisationssekretär der PSOE, Santos Cerdán, in der Bredouille. Nachdem die «Unidad Central Operativa» (UCO) der Guardia Civil, die sich um schwere Verbrechen wir organisierte Kriminalität kümmert, nun auch noch Aufzeichnungen von Gesprächen veröffentlicht hat, die ihn direkt mit mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen als Gegenleistung für die Vergabe öffentlicher Straßenbauaufträge in Verbindung bringen, ist er zurückgetreten und hat sein Mandat als Mitglied des Kongresses niedergelegt (hier und hier).
Diese Aufnahmen wurden dem Obersten Gericht am 5. Juni im Rahmen des Falls Ábalos oder Koldo übergeben. Dabei handelt es sich um einen Korruptionsfall, in den der ehemalige Transportminister von Pedro Sánchez, José Luis Ábalos Meco, und dessen Chauffeur und persönlicher Assistent, Koldo García Izaguirre, verwickelt sind und gerade vor Gericht stehen. Es ging um die Vergabe von öffentlichen Aufträgen zum Kauf von Gesichtsmasken im Wert von 54 Millionen Euro während der sogenannten «Pandemie».
In dem aufgezeichneten Gespräch, das von der UCO in transkribierter Form in einem ihrer zwei Berichte an den Obersten Gerichtshof übermittelt wurde, ist zu hören, wie Cerdán, Ábalos und Koldo darüber sprechen, dass ihnen bis zu vier Baufirmen Geld schulden. Diese Außenstände beliefen sich, wie der Anwalt Aitor Guisasola auf seinem YouTube-Kanal «Un abogado contra la demagogia» berichtet, auf mehr als eine Million Euro.
Der frühere Sozialistenführer Cerdán beteuert trotzdem seine Unschuld und behauptet, dass er sich an solche Gespräche nicht erinnern könne. Er habe weder eine «Illegalität» begangen, noch sei er an einer solchen «mitschuldig» gewesen. Er habe immer das Beste für seine Partei und sein Land gewollt.
Gegenüber den Medien erklärte er, dass er am Donnerstagmorgen von der Anordnung des Obersten Gerichtshofs in Kenntnis gesetzt worden sei, die ihm die Möglichkeit biete, am 25. Juni freiwillig auszusagen. «Ich bin bereit, mit der Justiz zusammenzuarbeiten, und werde an diesem Tag erscheinen, um alle Fragen zu klären, die mir gestellt werden», ließ er wissen.
Auch Pedro Sánchez hat sich bereits bei der Bevölkerung entschuldigt für die vermeintlichen Taten seiner «rechten Hand». Doch das wird seinen ramponierten Ruf kaum wiederherstellen. Auch der strenge Geruch nach Korruption, der sich im Umfeld des spanischen Regierungschefs immer mehr verdichtet, weicht dadurch nicht. Die Luft könnte dünn für ihn werden, davon sind Kritiker überzeugt.
Der Vorsitzende der Oppositionspartei Partido Popular (PP), Alberto Núñez Feijóo, der während der «Pandemie» in Galicien die Impflicht für alle einführen wollte und nur durch die Justiz gestoppt werden konnte, brachte es so auf den Punkt: «Hinter der Regierung steckt ein Mafiakomplott.»
Die Guardia Civil ist nach den durchgeführten Ermittlungen gegen Abalos und Koldo übrigens der Ansicht, dass ihr Fall auch Auswirkungen auf den von Begoña Gómez oder den Delcygate-Skandal haben könnte, das jedenfalls teilt Wikipedia mit. Auch kursieren Informationen, dass Cerdán «für die Bestechung von Medien, Journalisten und Pseudojournalisten» verantwortlich gewesen sein soll. Er sei Teil «einer riesigen politischen Korruption». Weitere Berichte der UCO könnten folgen.
Aber damit hören die Probleme für Sánchez nicht auf: Momentan wehren sich Richter und Staatsanwälte gegen die neuen Gesetze, die sein Justizminister Félix Bolaños durchdrücken will. Diese könnten die Gewaltenteilung weiter verwässern. Die Juristen sehen ihre Unabhängigkeit und die Rechtsstaatlichkeit gefährdet und haben deshalb am Mittwoch in einem symbolischen Akt für zehn Minuten ihre Arbeit niedergelegt. Ein Großteil der spanischen Richterschaft schloss sich dieser Initiative an. Ein längerer Streik könnte folgen, berichten die Medien (hier und hier).